Effizienzpotenziale an den Schnittstellen heben

Um die Leistungsfähigkeit unseres Gesundheitssystems zu verbessern, reicht es nicht aus, die einzelnen Subsysteme zu optimieren. Es braucht den Blick auf das große Ganze, über die Sektorengrenzen hinweg. (CliniCum 6/2017)

Für Univ.-Prof. MMag. Dr. Gottfried Haber, Leiter des Zentrums für Management im Gesundheitswesen und Vizedekan der Fakultät für Gesundheit & Medizin an der Donau-Universität Krems, wird die Effizienzdiskussion um das heimische Gesundheitswesen vielerorts verkürzt geführt. Zum einen bestimme nicht der immer wieder bemühte Ausgabenaspekt allein die Effizienz einer Maßnahme, es gehe vielmehr um die bestmögliche Relation zwischen Input (Kosten) und Output (Leistungen). Effizienz bedeute dem ökonomischen Prinzip folgend also „Kostenoptimierung und Nutzenmaximierung“. Zum anderen würden Effizienzmaßnahmen meist nur innerhalb der einzelnen Subsysteme umgesetzt. Die Schnittstellenproblematik bleibe da gerne ausgespart. Das mache das Finden von Lösungen zwar deutlich einfacher, es würde gleichzeitig aber viel Potenzial verloren gehen.

Effizienzprogramme konsequent „von oben bis unten oder unten bis oben durchzuführen, das sei hingegen mühsam und schwierig“, erläuterte Haber in seiner Keynote am 60. Österreichischen Kongress für Krankenhausmanagement in Krems, „daher versucht jeder Teil des Systems lieber für sich, seinen Bereich effizienter zu gestalten. Effizienz spielt sich aber zum Großteil an den Schnittstellen ab. Und so funktioniert Effizienzsteigerung nur dann, wenn ich Effizienz im großen Rahmen sehe.“

Schnittstellenproblematik

Die akribische Effizienz in kleinen Subsystemen sei hingegen manchmal sogar kontraproduktiv – auch dann, „wenn ich am Ende viele optimale kleine Subsysteme habe“. Voraussetzung für Effizienz im großen Rahmen sei, so Haber, „nicht immer in den klassischen Brillen zu denken“, also in den Strukturen der Gesundheitsanbieter und -finanziers, sondern viel mehr in Prozessstrukturen. Effizienz brauche also nicht unbedingt immer nur noch mehr Standardisierung, sondern manchmal auch ein „gehöriges Maß an Flexibilität“.

Außerdem sei nicht automatisch dort das Effizienzpotenzial am größten, wo die höchsten Kosten zu finden sind. Im stationären Bereich etwa, der immerhin 38,6 Prozent der Gesundheitskosten umfasst, hätten viele der in den vergangenen Jahren durchgeführten Effizienzprogramme bereits gegriffen. „Wir sind effizient, haben in den Krankenhäusern eine hohe Belegungsrate, und auch die Kosten je Belagstag stagnieren seit Jahren“, so Haber. Die hohe Belegungsrate von 83 Prozent sei gleichzeitig aber – eben im Großen gesehen – auch eine „schlechte Nachricht“ für ein Land, das europaweit über die meisten Akutbetten in Relation zu den Einwohnern verfügt. Gleichzeitig rangiert Österreich bezüglich der klinischen Personaldichte sogar unterhalb des europäischen Durchschnitts (siehe Grafik 1). Berücksichtigt man dabei, dass die Zahl der Krankenhausärzte nur in Irland noch höher ist, lässt sich daraus ableiten, wie schwach der Personalstand in den übrigen klinischen Gesundheitsberufen, vor allem im Pflegebereich, sein muss. Das korreliert allerding mit Effizienz nicht direkt.

Aber nicht nur zwischen den verschiedenen Berufsbildern habe sich über die Jahre ein gewisses Missverhältnis etabliert, beklagt Haber, sondern auch zwischen stationärer, ambulanter und präventiver Gesundheitsversorgung: „Im Krankenhausbereich sind wir – bezogen auf die Ausgaben je Einwohner – europaweit an dritter Stelle, im ambulanten Bereich liegen wir schon deutlich weiter hinten, während wir bei der Prävention bzw. Public Health im letzten Drittel angesiedelt sind“ (siehe Grafik 2). Eine notwendige Angleichung der Ebenen dürfe aber nicht dadurch angestrebt werden, warnte Haber abschließend, dass man „die Stärken schwächer macht, sondern diese stark hält und gleichzeitig die erkannten Schwächen verbessert“.

Primärversorgung stärken

Als eine der markantesten Systemschwächen mit dringendem Handlungsbedarf gilt seit langer Zeit das Thema Primärversorgung. Dieser sei umso dringender, führte der Allgemeinmediziner Dr. Martin Sprenger, MPH of Public Health an der Public Health School der MedUni Graz, in seinem Vortrag aus, weil eine starke Primärversorgung Grundvoraussetzung für ein effizientes Gesundheitswesen an sich sei und in den kommenden Dekaden an Bedeutung noch zusätzlich gewinnen werde. „Das 20. Jahrhundert war geprägt von der stationären Versorgung, das 21. Jahrhundert wird geprägt sein von der wohnortnahen Primärversorgung“, ist Sprenger überzeugt und verweist auf die massive Zunahme bei der kontinuierlichen Betreuung chronisch Kranker.

In diesem Sinne sei das Wort wohnortnah essenziell, erläuterte Sprenger. Allgemeinmedizinische Einrichtungen vor Krankenhäuser hinzubauen, um so die Kliniken vor den Patienten abzuschirmen, wie das derzeit da und dort versucht werde, könne somit maximal „eine Notlösung sein, eine Symptombehandlung“. Und eine solche mache eben „nicht nur in der Medizin keinen Sinn, sondern auch in der Versorgungsplanung“.

Um nachhaltig ein effizientes, bedarfsgerechtes System zu etablieren, müsse vor allem auch die Frage der Steuerung der Patientenströme beantwortet werden. Der derzeit übliche freie Zugang auf allen Versorgungsebenen bis hin zur hochspezialisierten Universitätsklinik ist laut Sprenger zwar „politisch super, weil es die Patienten zufrieden stellt, er ist aber keinesfalls effizient und medizinisch fragwürdig“. Wie eine solche Steuerung am Ende aussehen könnte, darauf wollte sich Sprenger aber nicht festlegen. Es gäbe jedenfalls „viele Tuning-Möglichkeiten, es muss ja nicht unbedingt ein striktes Gate-Keeping sein, wie es halb Europa derzeit exerziert“.

60. Österreichischer Kongress für Krankenhausmanagement – Der Kongress für Führungskräfte im Verwaltungs-, Pflege- und Ärztebereich, Krems, 8.–10. 5. 2017