14. Apr. 2017

FSME: Große Sorge um kleine Kinder

Geringe FSME-Durchimpfungsraten bei Kleinkindern alarmieren österreichische Experten. (Medical Tribune 15/2017)

„Man kann mit Fug und Recht sagen, dass die FSME-Impfaktion eine österreichische Erfolgsstory ist“, ist Dr. Rudolf Schmitzberger, Impfreferent der Österreichischen Ärztekammer überzeugt. Gleichzeitig mahnt er allerdings an, „jetzt trotzdem nicht nachzulassen“. Denn auch wenn die aktuelle Durchimpfungsrate von 83 Prozent durchaus beeindruckend erscheint, gibt es bei genauerer Betrachtung doch einige Baustellen. Vor der flächendeckenden Einführung der FSME-Impfung war die Inzidenz mit bis zu 700 Fällen pro Jahr hoch. Seit Jahrzehnten liegt sie dank der hohen Akzeptanz der Impfung unter 100 Fällen im Jahr, allerdings mit steigender Tendenz, wie Dr. Christiane Körner, Präsidentin des Vereins zur Förderung der Impfaufklärung, bedauert.

Vom Großstadtdschungel bis ins Hochgebirge

Die Durchimpfungsrate von 83 Prozent besagt nur, dass 83 Prozent der Bevölkerung zumindest eine Impfdosis erhalten haben, wie Marktforscherin Astrid Eßl betont. Korrekt geimpft seien dagegen nur 64 Prozent der Österreicher. Dahinter stehe allerdings in den seltensten Fällen eine ablehnende Haltung Schutzimpfungen gegenüber, sondern vielmehr mangelndes Risikobewusstsein und Nachlässigkeit. „Wenn man reist, setzt man sich ausführlich damit auseinander, wovor man sich schützen muss“, berichtet Pharmazeutin Mag. Andrea Vlasek aus ihrer Erfahrung in der Apotheke. Doch dass „die Zecke, die draußen im nächsten Beserlpark sitzt“ eine deutlich konkretere Bedrohung darstelle „als die nächste Cholera“, werde oft unterschätzt.

Dass vielen Eltern nicht bewusst ist, dass Zecken nicht nur im Wald, sondern auch in städtischen Grünanlangen und sogar in „Schanigärten“ lauern können, kann auch Pädiater Schmitzberger bestätigen. Daher sei es besonders wichtig, mit Mythen rund um die Zeckengefahr aufzuräumen. Neben den Städtern dürften sich auch Bewohner alpiner Lagen häufig in falscher Sicherheit wiegen. Doch Zecken kämen mittlerweile genauso in Lagen über 1000 Metern Seehöhe vor. „Dass man bei einer Wanderung auf der Alm keinen FSME-Schutz braucht, ist ein Trugschluss“, warnt Schmitzberger. Mit einer Inzidenz von 24 Fällen lag Tirol im vergangenen Jahr sogar im österreichischen Spitzenfeld.

Nur mehr jedes dritte ­Kleinkind geimpft

Besondere Sorgen bereiten den Experten derzeit die Ein- bis Dreijährigen. In dieser Altersgruppe ist die Durchimpfungsrate in den letzten Jahren sukzessive gesunken und lag 2016 nur mehr bei 35 Prozent. Gemäß Zulassung kann die Impfung in Österreich ab dem vollendeten ersten Lebensjahr verabreicht werden. Marktforscherin Eßl geht davon aus, dass die große Anzahl von Impfungen im ersten Lebensjahr viele Eltern zögern lässt, Kleinkinder auch noch gegen FSME impfen zu lassen.
In der Schweiz geht man in Sachen FSME-Impfung einen ganz anderen Weg.

Der Schweizer Impfplan empfiehlt den FSME-Schutz für „alle erwachsenen Personen sowie Kinder im Allgemeinen ab sechs Jahren, welche in Endemiegebieten wohnen oder sich dort zeitweise aufhalten“. Für kleinere Kinder gibt es im Gegensatz zu Österreich keine pauschale Impfempfehlung, deren Ansteckungsrisiko müsse „individuell geprüft werden“. Die ­FSME-Inzidenz bei den unter Sechsjährigen ist im westlichen Nachbarland trotzdem nicht sehr hoch. Seit der Jahrtausendwende wurden pro Jahr im Median drei Fälle in dieser Altersgruppe verzeichnet. Österreichische Experten sehen den Schweizer Ansatz trotzdem kritisch. Aufgrund des potenziell schweren Verlaufs ist für Körner jeder Fall, der durch die Impfung verhindert werden könnte, definitiv einer zu viel.

FSME-Impfschema

Grundimmunisierung: Die zweite Impfdosis wird 1–3 Monate nach der ers­ten appliziert, die dritte je nach verwendetem Impfstoff 5 bzw. 9–12 Monate nach der zweiten.
Auffrischung: Die erste Auffrischung erfolgt drei Jahre nach der Grundimmunisierung, danach wird alle fünf Jahre aufgefrischt. Ab dem vollendeten 60. Lebensjahr muss alle drei Jahre aufgefrischt werden.
Impfplan Österreich 2017

Pressegespräch des Vereins zur Förderung der Impfaufklärung; Wien, März 2017

 

 

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune