15. Nov. 2023„Jeder kann einen Verdacht melden!“

Unterstützung für Minderjährige nach Gewalterfahrungen

Angesichts steigender Zahlen bei Gewalt gegen Kinder appelliert der Leiter des Kinderschutzzentrums Kidsnest, Thomas Graf, MSc, Verdachtsfälle jederzeit zu melden. Dies ist sogar anonym möglich.

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fizkes/AdobeStock

Bis zu 400 Personen betreut das Team des Kinderschutzzentrums Kidsnest Waldviertel pro Jahr. Kernaufgabe ist es, Kindern nach Gewalterfahrungen psychosoziale und rechtliche Unterstützung zu geben. Doch auch die Präventionsarbeit oder Elterncoachings gehören dazu, sagt der Leiter von Kidsnest, Psychologe Thomas Graf, MSc. Gemeldet wird beobachtete oder vermutete Gewalt an Kindern vorrangig von der Jugendhilfe oder der Exekutive ebenso wie von Pädagoginnen und Pädagogen oder Personen aus der Nachbarschaft. Dabei wüssten viele gar nicht, dass im Prinzip jeder und jede einen Verdachtsfall melden kann. „Das funktioniert ganz niederschwellig, außerhalb der Amtszeiten gibt es auch einen Journaldienst dafür.“ Zudem können sich Kinder und Jugendliche auch nach länger zurückliegenden Gewalterfahrungen an ein Kinderschutzzentrum wenden, ergänzt Graf.

Tatorte sind meist die häusliche Umgebung, das Familienheim bzw. Wohnungen von Stief- oder Großeltern. „Meine Erfahrung aus mittlerweile 5 Jahren Tätigkeit im Kinderschutz zeigt, dass rund 80% der Täterinnen und Täter aus der eigenen Familie kommen.“ Bei physischer oder sexueller Gewalt sei der Anteil von Frauen als Täterinnen im einstelligen Bereich, sagt Graf. Psychische Gewalt geht mittlerweile jedoch genauso oft von Frauen wie von Männern aus und wird häufig im Umfeld hochstrittiger Scheidungen beobachtet.

Brigitte Bouroyen

Thomas Graf, MSc

Für Psychologinnen und Psychologen sowie Psychotherapeutinnen und -therapeuten gilt seit Kurzem übrigens nicht nur eine Meldepflicht, sondern auch Anzeigepflicht, wenn ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit eine Gefährdung des Kindeswohls bekannt wird.

Frage nach gewaltfreier Erziehung

Vergleichsweise selten werde bislang noch das Präventionsangebot des Kinderschutz-Teams in Anspruch genommen. Einige Eltern fragen jedoch bereits konkret nach, wie sie ihre Kinder gewaltfrei erziehen können. Graf ergänzt weiter, dass Gewalt an Kindern praktisch in allen gesellschaftlichen Schichten vorkommt, wenn es auch in sozial schwächeren Familien eine Tendenz zu mehr physischer Gewalt gibt: Überforderung ist einer der häufigsten Auslöser für Gewalt an Kindern, betont Graf. Hinzu kommen immer noch herrschende Einstellungen wie jene, „dass es noch nie geschadet habe“.

„Das Thema anzusprechen ist nach wie vor unbequem, daher ist jedes Engagement zur Gewaltprävention gut und wertvoll“, sagt Graf. Dies gelte auch für die aktuellen Bestrebungen im Umfeld des Leistungssports, Nachwuchssportlerinnen und -sportler durch geschulte Sportpsychologinnen und -psychologen zu sensibilisieren (vgl. Bericht). Wenn es die personellen Ressourcen zulassen, kommen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Kidsnest auch an Schulen, um mit Kindern und Jugendlichen über Mobbing-Prävention zu sprechen. „Wir haben allerdings erlebt, dass wir mit unseren Präventionsvorträgen nicht an allen Schulen willkommen sind“, berichtet Graf.

Kidsnest ist die Kinder- und Jugendschutzgesellschaft der Kinderfreunde Niederösterreich sowie der Gesellschaft Österreichischer Kinderdörfer Niederösterreich. Dazu gehören die Kinderschutzzentren in Amstetten, Gmünd und Zwettl sowie zwei Krisenzentren und eine Familienberatungsstelle. www.kidsnest.at