Wien: Ärztekammer-Präsidium bricht mit Steinhart
Das gesamte Präsidium der Wiener Ärztekammer hat gestern, am 19. September, den Rücktritt ihres Präsidenten Dr. Johannes Steinhart gefordert. Dieser, auch Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), denkt nicht im Traum daran, das Feld in Wien zu räumen. Wie es bundesweit ausschaut, dürfte die heutige ÖÄK-Vorstandssitzung lüften.
In einer kurzfristig einberufenen „EILT-PK“ am Dienstagnachmittag verlangten alle drei Vizepräsidenten – Dr. Stefan Ferenci, Dr. Erik Randall Huber und Dr. Stefan Konrad – sowie Finanzreferent Dr. Frédéric Tömböl den sofortigen Rückzug von Dr. Johannes Steinhart als Präsident der Ärztekammer für Wien. Begründet wurde dies mit den Vorkommnissen inklusive Handgemenge in einer außerordentlichen Kuriensitzung am Freitag, den 15. September 2023.
Über den Ablauf existieren zwei verschiedene Versionen – eine von Steinhart und eine andere von Huber, Obmann der Kurie niedergelassene Ärzte. Diesem sei in der Sitzung Befangenheit von insgesamt sechs Fraktionen ausgesprochen worden, wiederholte Steinhart in einer weiteren Aussendung nach der Pressekonferenz. Huber habe „Geschäftsordnungs-widrig“ zahlreiche wichtige Anträge nicht zur Abstimmung zugelassen.
Steinhart: „Weitere Episode einer Kampagne“
„Nachdem Huber sich geweigert hatte, dieses demokratische Ergebnis zur Kenntnis zu nehmen und den Sitzungssaal zu verlassen, mussten die Mandatare dieser sechs Fraktionen in einen anderen Sitzungssaal ausweichen, um die Sitzung konstruktiv fortsetzen zu können“, erklärt Steinhart. Die Rücktrittsforderung sieht er als „weitere Episode in einer Kampagne, die von einer Gruppe politischer Mitbewerber“ seit Monaten gegen ihn betrieben werde.
Ganz anders die Version von Huber, die er bei der Pressekonferenz schildert: „Ich bin noch immer ziemlich zerrüttet von den Vorkommnissen am Freitag“, wird er von der APA zitiert. Er sprach von einem versuchten „Putsch“: Nach Handgreiflichkeiten – einem „Bodycheck“ zwischen zwei Mandataren – habe er die Sitzung nur noch beenden können, da nicht mehr ausreichend Mandatare für die Beschlussfähigkeit vorhanden gewesen seien.
Huber spricht von „Putsch“ und schaltet MA40 ein
Huber habe auch die MA40 als Aufsichtsbehörde eingeschaltet und zeige sich zuversichtlich, dass diese die Kuriensitzung nicht anerkennen werde. Ferenci wiederum warf Steinhart vor, „antidemokratische“ Methoden gutzuheißen. Ein weiterer Grund für die Rücktrittsforderung seien die Vorwürfe gegen die Beschaffungsplattform Equip4Ordi, einer ausgelagerten Tochterfirma der Wiener Niedergelassenen-Kurie.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Verdacht der Untreue, Begünstigung und schweren Betrugs. Auch Steinhart, ehemaliger Obmann der Niedergelassenen-Kurie, wird als Beschuldigter geführt. Huber hatte die mutmaßlichen Missstände rund um die Einkaufsplattform öffentlich gemacht, womit er sich einen Misstrauensantrag im März eingehandelt hat (siehe auch hier).
Hintergrund: Vorwürfe um Equip4Ordi
Die gegen ihn erhobenen Hauptvorwürfe seien nicht neu oder schlicht unzutreffend, betont Steinhart abermals in der Aussendung. Die angeblichen Unregelmäßigkeiten bei Equip4Ordi würden schon länger von der Staatsanwaltschaft untersucht. Er sei „zuversichtlich, dass sich die Anschuldigungen gegen mich letztlich in Luft auflösen werden“.
Und weiter: „Die ständigen Skandalisierungs-Bemühungen jener Gruppe, die jetzt einmal mehr meinen Rücktritt fordert, sollen bloß Öl ins Feuer gießen und längst Bekanntes aufwärmen, ohne dass neue Erkenntnisse vorliegen.“ Er vertraue der Ermittlungsbehörde, diese solle ungestört ihrer Arbeit nachgehen können. Vorverurteilungen und sich daraus ergebende Forderungen an ihn könne und wolle er nicht zur Kenntnis nehmen.
Keinen Zweifel lässt Steinhart daran, dass er im Amt bleiben will: „Ich wurde demokratisch zum Präsidenten gewählt und werde selbstverständlich nur eine demokratische Abwahl akzeptieren, und nicht eine Rücktrittsaufforderung per Zuruf.“ Huber solle sich um einen neuen Kassenvertrag bemühen und Ferenci, Obmann der Kurie angestellte Ärzte, um eine konstruktivere Gesprächsbasis mit den Wiener Spitälern und um bessere ärztliche Arbeitsbedingungen.
Steinhart schreibt Brief an Hacker
Steinhart hat auch einen Brief an Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) verfasst, der der APA vorliegt. Demnach sei Huber „nicht mehr in der Lage“ die Kurie zu führen, wie die Sitzung am Freitag gezeigt hätte. Auch habe Huber erst am Vortag den gewählten Finanzreferenten der Kurie eigenmächtig für befangen erklärt und eine Vertraute als neue Finanzreferentin eingesetzt. Dies sei „massiv gesetz-, satzungs- und geschäftsordnungswidrig“. Er rege daher an, „umgehende eine Amtsenthebung gegen Herrn Dr. Huber einzuleiten“.
Der Machtkampf ging am Abend des 19. September weiter: Eine reguläre Vorstandssitzung der Ärztekammer für Wien sei abgebrochen worden. Grund war Steinhart zufolge die Beschlussunfähigkeit des Gremiums wegen des „Auszugs einer ausreichenden Zahl der anwesenden Mandatarinnen und Mandatare“. Anlass für den Auszug: eine weitere Debatte um besagte Kuriensitzung vergangenen Freitag. Steinhart bedauere den Auszug, da wichtige Vorhaben „auf die lange Bank“ geschoben würden.
ÄK Salzburg: Ebenfalls Rücktritt gefordert
Bundesweit wurden ebenfalls schon Rücktrittsforderungen an Steinhart als ÖÄK-Präsident laut, konkret Anfang August von Dr. Karl Forstner, Präsident der Ärztekammer für Salzburg. Denn die strafrechtlichen Vorwürfe würden auch „destruktiv“ auf alle ärztlichen Standesvertretungen wirken – nicht nur auf die Wiener Ärztekammer. Steinhart bekam jedoch Rückendeckung u.a. von Dr. Stefan Kastner, Präsident der Ärztekammer Tirol. Ob die Landeskammer-Präsidenten nach den neuesten Vorkommnissen in Wien weiterhin hinter Steinhart stehen, konnte auf medonline-Anfrage am 20.09.2023 noch nicht beantwortet werden: „Vor der heutigen ÖÄK-Vorstandssitzung können wir dazu kein Statement abgeben“, hieß es seitens der bundesweiten Standesvertretung.
Kurz vor Redaktionsschluss wurde bekannt, dass auch die überwältigende Mehrheit des Vorstands der Ärztekammer für Wien Steinhart zum Rücktritt aufgefordert hat.