13. Sep. 2023Gesundheitsversorgung der Zukunft

Ärztekammer: Ärztliche Ausbildung muss besser werden

Eine Evaluierung der Ärzteausbildung in Österreich zeigte „durchwachsene“ Ergebnisse. Die Ärztekammer sieht dringenden Handlungsbedarf, um die Situation zu verbessern.

Medical team working on digital tablet healthcare doctor technol
NINENII/AdobeStock

Im Zeitraum März bis Mai 2023 wurde in Österreich die bisher größte Ärzteausbildungsevaluierung durchgeführt, an der insgesamt 8.974 Ärztinnen und Ärzte in Ausbildung (Basisausbildung, Ausbildung zum Arzt bzw. zur Ärztin für Allgemeinmedizin, Facharztausbildung) teilnahmen (Rücklaufquote von 44% mit 3.976 retournierten Fragebögen). Die Detailergebnisse sind seit gestern auf der Website der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) einsehbar (www.aerztekammer.at/ausbildungsevaluierung). Für die technische Abwicklung und Evaluierung war die Eidgenössische Technische Hochschule in Zürich (ETH Zürich) unter der Leitung von Prof. Dr. Michael Siegrist zuständig.

Bewertungen: Lehrpraxis gut, EBM und Basisausbildung schlecht

ÖÄK-Vizepräsident und Obmann der Bundeskurie der angestellten Ärzte Dr. Harald Mayer griff auf einer Pressekonferenz, bei der die Evaluierung präsentiert wurde, einige wichtige Ergebnisse heraus: „Sehr gut beurteilt wurden die Lehrpraxen, eher schlecht die Basisausbildung und die Vermittlung der evidenzbasierten Medizin. Die Umfrage hat außerdem gezeigt, dass kleinere Abteilungen besser ausbilden und auch besser beurteilt werden.“ Insgesamt sei die Ärzteausbildung hierzulande „okay, aber definitiv nicht gut genug“, deshalb bestehe dringender Handlungsbedarf, um gegenüber anderen Ländern konkurrenzfähig zu bleiben.

Die Daten wurden mittels Fragebogen in Papierform (8 Seiten mit 52 Fragen zu 8 Themenfeldern sowie Modulfragen) erhoben. Die Themenfelder umfassten die Bereiche Globalbeurteilung, Fachkompetenz, Lernkultur, Führungskultur, Fehlerkultur, Entscheidungskultur, Betriebskultur und Evidence-based Medicine (EBM). Die Modulfragen, die jährlich wechseln, betrafen heuer die aktuellen Themen „Teilzeitarbeit“ und „Vereinbarkeit von Ausbildung und Privatleben“, wobei diese bisher noch nicht analysiert wurden. Die Fragebögen wurden an Primarärztinnen und -ärzte sowie ärztliche Direktorinnen und Direktoren aller österreichischen Ärzteausbildungsstätten versandt und intern in den Abteilungen verteilt. Nach Ende der Erhebung wurden sie anonymisiert an die ETH Zürich retourniert, wo sie dann analysiert und ausgewertet wurden.

Projektleiter Siegrist beurteilt die Rücklaufquote von 44% für den ersten Anlauf als gut. Zwischen den Bundesländern bestehen aber große Unterschiede: Spitzenreiter ist Vorarlberg mit 65%, gefolgt von Tirol (55%), dem Burgenland und Oberösterreich (je 54%); Schlusslichter sind Wien (39%), Niederösterreich (34%) und die Steiermark (33%). Bei den einzelnen Bewertungen liegt Österreich immer hinter der Schweiz, wo dieses Tool bereits seit fast 20 Jahren eingesetzt wird. Dabei ist die Differenz bei der Evidence-based Medicine am größten (3,67 vs. 4,45, wobei 1 der schlechteste und 6 der beste Wert ist). 76 Ausbildungsstätten (ca. 8%) haben einen Wert von 3,5 oder weniger erzielt, was Siegrist als ungenügend ansieht. Andererseits wurden aber 130 Spitalsabteilungen mit mindestens 5,5 bewertet. Diese möchte Mayer vor den Vorhang holen und auszeichnen, während man sich jene Abteilungen, wo die Rücklaufquote gleich null war, genauer ansehen müsse, um die Hintergründe zu erfahren. Dazu will er Gespräche und Visitationen anregen, auch wenn es leider nach wie vor keine gesetzliche Visitationsverordnung in Österreich gibt.

Mehr Zeit- und Personalressourcen für die Ausbildung nötig

Ein weiterer wichtiger Aspekt in der Ärzteausbildung ist der Faktor Zeit. Dazu Dr. Stefan Ferenci, 1. stv. Obmann der Bundeskurie der angestellten Ärzte: „Der Patientenandrang in den Spitälern ist sehr groß, daher bleibt den Ärztinnen und Ärzten nur wenig Zeit für die ärztliche Ausbildung. Dies muss in der Personalplanung berücksichtigt werden, umso mehr, als die Arbeitszeitregelungen nur mehr eine maximale Arbeitszeit von 48 Wochenstunden pro Woche erlauben.“ Je nach Fach wären etwa 20% mehr Zeit- bzw. Personalressourcen für eine bessere Ärzteausbildung nötig. Außerdem könnten Digitalisierung, Entbürokratisierung und die vermehrte Anstellung von Dokumentationsassistentinnen und -assistenten mehr ärztliche Ressourcen für die Ausbildung freispielen (plus mehr Zeit für die Arbeit direkt an den Patientinnen und Patienten). Eine gute Qualität der Ärzteausbildung ist wichtig, um zu verhindern, dass junge Ärztinnen und Ärzte nicht nach Deutschland, in die Schweiz oder andere Länder abwandern, sondern dem österreichischen Gesundheitssystem erhalten bleiben. „Denn sie sind es ja, die in den nächsten 30–40 Jahren für die Gesundheitsversorgung in Österreich zuständig sein werden“, betont Mayer.

Basisausbildung abschaffen?

Ebenfalls ein Wettbewerbsnachteil zu Deutschland und zur Schweiz ist die in Österreich verpflichtende Basisausbildung im Ausmaß von 9 Monaten nach Beendigung des Medizinstudiums. „Es ist daher fraglich, ob es sinnvoll ist, diese so fortzuführen“, stellt Dr. Daniel von Langen, Vorsitzender des ÖÄK-Bildungsausschusses, in den Raum. Das Klinisch-Praktische Jahr, das ab dem 11. Studiensemester absolviert werden muss, wurde viel mehr in Richtung Praxis weiterentwickelt und könnte auf längere Sicht die Basisausbildung ersetzen. „Die Basisausbildung ist auch ein Hemmschuh für rückkehrwillige Jungärztinnen und -ärzte, die ihre (Fach-)Ausbildung im Ausland gemacht haben, da sie bei Rückkehr nach Österreich diese Basisausbildung im Ausmaß von rund 6 Monate absolvieren müssen, obwohl sie bereits eine Facharztausbildung gemacht haben“, erläutert von Langen die absurd anmutende derzeitige Situation. Doch um die Basisausbildung abzuschaffen, bräuchte es eine Gesetzesänderung und die Einbindung aller zuständigen Stellen (Gesundheitsministerium/Abteilung für ärztliche Ausbildung, Universitäten, Spitalsträger, Ärztekammer), was bedeutet, dass dies ein langwieriger Prozess wäre.

Was bringt die Evaluierung?

Abschließend gibt Vizepräsident Mayer einen Ausblick in die Zukunft und auf die Konsequenzen aus der Umfrage und ihrer Evaluierung. Die Ergebnisse bieten u.a. Vergleichsmöglichkeiten zwischen den Ausbildungsstätten und sollten für die schlechteren ein Ansporn sein, sich zu verbessern, um sich gegen die Konkurrenz behaupten zu können. Außerdem sollen die Erkenntnisse den Austausch zwischen den ausbildenden und den auszubildenden Ärztinnen und Ärzten verbessern. Insgesamt ist die Evaluierung ein wichtiges Tool zur kontinuierlichen Qualitätskontrolle und -sicherung der ärztlichen Ausbildung und daher auch für 2024 und darüber hinaus geplant.

Pressekonferenz der ÖÄK zum Thema „Ärzteausbildung ins Österreich: Dringender Handlungsbedarf“; Wien, 12.9.2023