Ärztekammer will mehr ärztliche Hausapotheken
Bei einem Hintergrundgespräch zum Thema Hausapotheken forderte die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) einmal mehr eine Liberalisierung des Apothekengesetzes, um die Schließung weiterer ärztlicher Hausapotheken zu verhindern und damit auch unbesetzte Kassenstellen attraktiver zu machen.
Österreichweit sind derzeit rund 300 Kassenarztstellen unbesetzt, vor allem im Bereich der Allgemeinmedizin und im ländlichen Raum. Ärztliche Hausapotheken könnten einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, unbesetzte Kassenordinationen wieder zu besetzen. Tatsache ist aber, dass die Zahl der Hausapotheken derzeit abnimmt. Bis zum Jahr 1998 gab es in Österreich einen stabilen Gleichstand zwischen knapp 1.000 öffentlichen Apotheken und rund 1.100 ärztlichen Hausapotheken. Mittlerweile hat sich die Zahl der Hausapotheken auf ca. 900 verringert, während mehr als 1.400 öffentliche Apotheken bestehen. Die Gründe dafür liegen in zahlreichen Novellen des Apothekergesetzes und Entscheiden der höchstrichterlichen Judikatur zum Nachteil der Hausapotheken.
Zahlreiche Vorteile für Patientinnen und Patienten
OMR Dr. Edgar Wutscher, Vizepräsident der ÖÄK und Obmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte, betont, wie wichtig die Versorgung der Patientinnen und Patienten durch ärztliche Hausapotheken gerade am Land (und hier insbesondere in Gemeinden mit bis zu 5.000 Einwohnerinnen und Einwohnern) und für ältere Menschen ist. 90 Millionen E-Card-Steckungen (von insgesamt 110 Millionen jährlich) betreffen die Generation 60 plus. Gerade für sie verbessert sich die Gesundheitsversorgung durch die ärztliche Medikamentenabgabe, da sie damit Diagnose und Therapie aus einer Hand erhalten. Wenn der Arzt/die Ärztin dem Patienten oder der Patientin die Medikamente direkt geben kann, so verringert dies auch das Infektionsrisiko, wenn nicht zusätzlich der Abstecher in die öffentliche Apotheke gemacht werden muss und der Kontakt mit anderen Menschen vermieden werden kann. Ein positiver Nebeneffekt besteht außerdem darin, dass Tausende Kilometer Autofahrten und damit auch Tausende Tonnen Kohlendioxid eingespart werden können, so Wutscher.
Hausapotheken machen Kassenstellen attraktiver
MR Dr. Silvester Hutgrabner, Leiter des Referates für Hausapotheken und Medikamentenangelegenheiten der ÖÄK, verweist auf die 300 unbesetzten Kassenstellen bei den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten. Eine Neubesetzung dieser Ordinationen wäre einfacher und für die Interessentinnen und Interessenten attraktiver, wenn sie eine ärztliche Hausapotheke betreiben dürften (eine solche bringt einer Kassenordination ein Zusatzeinkommen von etwa 30.000 Euro vor Steuern pro Jahr), wie auch aus dem Bericht der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) „Branchenuntersuchung Gesundheit, Teil III: Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum“ aus dem Jahr 2019 hervorgeht. Pro Hausapotheke argumentiert die BWB auch damit, dass der Großteil der in öffentlichen Apotheken verkauften Produkte nicht mehr wie früher in den Apotheken selbst hergestellt wird und somit ein Grund für die weitgehend exklusive Distribution von Medikamenten durch öffentliche Apotheken weggefallen sei.
Derzeitige Beschränkungen und Forderungen für die Zukunft
Der Betrieb einer Hausapotheke wird derzeit durch eine sehr restriktive Regelung im Apothekengesetz beschränkt: Im Umkreis von 4 Straßenkilometern einer öffentlichen Apotheke darf keine ärztliche Hausapotheke bewilligt werden, im Umkreis zwischen 4 und 6 Kilometern nur in Form einer Nachfolgepraxis. Außerdem müssen auch langjährig bestehende Hausapotheken geschlossen werden, wenn innerhalb von 4 Kilometern eine Konzession für eine öffentliche Apotheke erteilt wird.
Die Ärztekammer würde sich eine ersatzlose Streichung der Mindestentfernungen zu öffentlichen Apotheken gemäß §29 ApothekenG wünschen. Außerdem müssten klare Rahmenbedingungen für die Führung von ärztlichen Hausapotheken auch für Primärversorgungseinheiten geschaffen werden. Weiters fordert die Kammer das Dispensierrecht für Ärztinnen und Ärzte. Dafür wäre eine Novellierung des Apothekengesetzes notwendig, was politisch trotz vieler und langjähriger Bemühungen der ÖÄK bisher nicht durchgesetzt werden konnte, da die Apothekerkammer und andere Stakeholder im Gesundheitssystem kein Interesse an einer Änderung haben. Auch Gesundheitsminister Johannes Rauch hat diesen Vorschlägen schon vor einigen Wochen eine Absage erteilt.
Duales System erhalten
Abschließend betonen Wutscher und Hutgrabner nochmals, dass die Versorgung der Patienten und Patientinnen im Mittelpunkt stehe und dies mit einem Nebeneinander von öffentlichen Apotheken und ärztlichen Hausapotheken am besten gewährleistet sei. Öffentliche Apotheken müssten sich durch ärztliche Hausapotheken nicht bedroht fühlen und ein Apothekensterben befürchten, auch deshalb nicht, weil der Umsatz aus Kassenrezepten nur einen geringen Anteil an deren Gesamtumsatz ausmacht. Die Apothekerkammer sieht allerdings im Falle der Liberalisierung des Apothekengesetzes fast die Hälfte der rund 1.400 öffentlichen Apotheken und rund 6.000 Arbeitsplätze gefährdet.
Pressehintergrundgespräch der ÖÄK „Ärztliche Hausapotheken: Fakten, Probleme, Lösungen“; Wien, 23.8.2023