ÖGK: Diagnose-Codierung auch für Wahlärzt:innen
Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) zeigt sich fest entschlossen, via Finanzausgleich „an den großen Rädern zu drehen“. Neben dem Ausbau der Primärversorgung soll eine verpflichtende Diagnose-Codierung kommen. Dabei sei auch die ELGA-Einbindung von Wahlärztinnen und Wahlärzten nötig.
Zur gleichen Zeit wie die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) – jedoch schon länger anberaumt – präsentierte auch die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) ihre Vorstellungen zu den aktuellen Verhandlungen über die Steuergelder. Durchaus selbstbewusst: „Als zentraler Player“ wolle die ÖGK den Finanzausgleich nutzen, um mit Vorschlägen, Maßnahmen und Projekten das Gesundheitssystem zukunftsfit zu gestalten und Reformen herbeizuführen.
Es müsse sichergestellt werden, „dass jeder im System das macht, wofür er am besten geeignet ist“, so ÖGK-Dienstgeber-Vertreter Matthias Krenn und ÖGK-Arbeitnehmer-Vertreter Andreas Huss unisono. Letzterer löst Krenn mit 1. Juli wieder turnusmäßig als Vorsitzender im ÖGK-Verwaltungsrat ab. Österreich habe ein besonders spitallastiges System, betont Huss, in dem sowohl Geld als auch Personalressourcen „nicht gut“ eingesetzt würden.
„Den richtigen Dreh bekommen“
„Wir wollen hier den richtigen Dreh bekommen und die Versorgung im ambulanten Bereich mit zusätzlicher Kassenversorgung massiv ausbauen“, kündigt der kommende ÖGK-Obmann an. Es sollen sowohl in der Primärversorgung, bei der psychosozialen Versorgung als auch in der Kinderversorgung „mit größeren multidisziplinären Zentren“ die notwendigen leistungsstarken Einheiten geschaffen werden.
Diese stünden mit großer Qualität und langen Öffnungszeiten für alle Versicherten zur Verfügung. Im Finanzausgleich bestehe nun die Gelegenheit, „an den großen Rädern zu drehen.“ Nachsatz: „Wir sind fest entschlossen, das auch zu tun.“
Huss zufolge geht das Leistungsgeschehen in Krankenhäusern und Ambulanzen zurück, während die Frequenzen im niedergelassenen Bereich deutlich ansteigen. Um das aufzufangen, seien moderne Versorgungsformen und bessere Vernetzung mit dem ambulanten Bereich notwendig.
500 zusätzliche Kassenstellen
Die ÖGK setze dabei auf einen österreichweiten einheitlichen Leistungskatalog und Gesamtvertrag sowie innovative Versorgungsformen wie Gesundheitszentren oder Kooperationen mit Spitälern, den Ausbau der Primärversorgung und mehr neue Kassenstellen. 500 zusätzlich sollen es „in den nächsten Jahren“ sein. Wie berichtet, fordert die ÖÄK 1.300 zusätzliche Kassenstellen.
Da die Bundesregierung 120 Primärversorgungseinheiten (PVE) bis 2025 plane, würden bereits 240 neue Stellen darauf entfallen, rechnet Huss vor. Gebe es den einheitlichen Leistungskatalog und Gesamtvertrag bis 2025, dann könne man auch die 500 Stellen bis dahin besetzen. Allerdings: Die noch für heuer von der Regierung geplanten 100 neuen Kassenstellen könne man „sicher nicht mehr besetzen“.
Weiters zeigt sich die ÖGK für übergreifende Versorgungsformen auch im nicht-ärztlichen Bereich offen. Als Beispiel bringt sie „psychosoziale Versorgungszentren“, die österreichweit als erste Anlaufstelle für psychische Beschwerden etabliert werden sollen.
Ziel: „Modernste Gesundheitskasse in Europa“
Die Digitalisierung sieht die ÖGK „als die wichtigste gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung unserer Zeit“. Um sie mitzuprägen, wolle die ÖGK ihre bereits etablierten Projekte weiter forcieren und neue Projekte starten. Noch-Obmann Krenn betont dazu, „Digitalisierung auf allen Ebenen möglich zu machen – für Versicherte, Vertragspartnerinnen und -partner sowie Dienstgeberinnen und Dienstgeber“.
Digitalisierung biete auch im Gesundheitswesen „große Erleichterungen, etwa durch die Elektronische Gesundheitsakte, das e-Rezept oder die Anwendung von Telemedizin“, fährt Krenn fort. Gerade die Möglichkeit zur Videokonsultation, wo es medizinisch sinnvoll sei, sieht er als wichtige Entwicklung hin zu mehr Service im Gesundheitswesen. Und: „Unser Ziel ist es, die modernste Gesundheitskasse in Europa zu werden.“
Krenn und Huss halten außerdem „eine verpflichtende Diagnose-Codierung“ für alle Bereiche für dringend notwendig – inklusive Wahlärzt:innen. Denn diese Erkenntnisse würden den Bereich der Prävention und Gesundheitsförderung verbessern und die Gesundheit der Versicherten stärken.
ELGA-Einbindung soll „Behandlungsfehler“ verhindern
„Mir geht es um die Stärkung der öffentlichen Versorgung, dafür muss die Wahlarztschiene einfach auch mal stärker reguliert werden“, sagt Huss. Derzeit gebe es für Wahlärzte und -ärztinnen „absolute Freiheiten“, die nicht länger tragbar seien. Die Einbindung der Wahlärztinnen und -ärzte in das ELGA-System sei ihm auch deswegen so wichtig, „damit Behandlungsfehler bei Patientinnen und Patienten verhindert werden können“.
Besonders bei den Medikamenten-Wechselwirkungen ist es Huss zufolge wichtig, dass es keine Dokumentationslücken gibt. Krenn ergänzt: „Auch bei der Kostenrückerstattung spielt die Digitalisierung und Prozessautomatisierung eine immer größere Rolle.“
Künftig Unterschied Wahlärzt:in – Privatärzt:in
Huss will auch Nebenbeschäftigungen von Spitalsärztinnen und -ärzte einschränken. Sie sollen nur dann als Wahlärzte und -ärztinnen arbeiten dürfen, wenn sie bereits Vollzeit im Spital arbeiten. Da es in manchen Bundesländern Probleme gebe, die Bereitschaftsdienste zu besetzen, sollen Wahlärzte und -ärztinnen auch bei diesen Diensten mitarbeiten können.
Das würde auch die Spitalsambulanzen in der Nacht entlasten. „Alle die Wahlärzte, die sagen: ‚Ich will das mit den Regeln alles nicht‘, sind in Zukunft Privatärzte und haben mit dem öffentlichen Gesundheitssystem nichts mehr zu tun“, stellt Huss klar.
App für Wahlpatient:innen
Für alle anderen bringt die ÖGK wieder die Digitalisierung ins Spiel. Mit dem System WAHonline (spezielle Software-Lösung, Anm.d.Red.) könnten Wahlärztinnen und -ärzte bezahlte Rechnungen auf elektronischem Weg direkt an die ÖGK übermitteln, erklärt Krenn, „ohne dass die Patientin bzw. der Patient einen Antrag auf Kostenerstattung zu stellen braucht“. Ebenso könnten Versicherte über die App „Meine ÖGK“ ihre Rechnung selbst elektronisch einreichen. „Beide Wege ermöglichen eine raschere Bearbeitung als bei auf Papier eingereichten Rechnungen“, hebt Krenn hervor.