5. Juli 2019Informationsnetzwerk Homöopathie

Homöopathie-Kritikerin wird jetzt auch juristisch angegangen

gettyimages/filmfoto

Schon lange klärt die ehemalige Homöopathin Dr. Natalie Grams über die Wirkungslosigkeit von Globuli auf. Als Grams Anfang Mai öffentlich sagte, Homöopathika wirken „nicht über den Placebo-Effekt hinaus“, konfrontierte der Pharmahersteller Hevert sie mit einer Unterlassungsforderung – die Grams nicht unterschreibt. (MT 27–28/19)

Zu diesem Interview erreichte uns eine Stellungnahme von Dr. Bernhard Zauner, Vizepräsident der Ärztegesellschaft für Klassische Homöopathie

Dr. Natalie Grams, Ärztin und Autorin

Mit Ihrem Engagement für mehr Aufklärung in Sachen Homöopathie machen Sie sich nicht nur Freunde. Was treibt Sie an, die Auseinandersetzung mit so viel Einsatz zu führen?
Grams: Da ist zum einen natürlich meine persönliche Motivation. Weil ich auf die Homöopathie hereingefallen bin, möchte ich anderen helfen, diesen Fehler zu vermeiden. Zum anderen finde ich es gerade in Zeiten des ansteigenden Populismus wichtig, dass Fakten als Fakten benannt werden und die Stimme der Wissenschaft ein Gewicht erhält. Es kann nicht sein, dass man von der Beliebtheit einer Therapie auf deren Wirksamkeit schließt. Beliebt ist schließlich auch Freibier.

Aktuell können Sie sich logischerweise nicht zu juristischen Details äußern – aber waren Sie überrascht, als Sie von der Unterlassungsforderung erfuhren, oder konnten Sie sich ausrechnen, dass so etwas früher oder später passieren könnte? 

Grams: Nein, das ist ein völlig neuer Schritt. Es ist der Versuch, eine wissenschaftliche Sachfrage mit juristischen Mitteln zu klären. Ich finde das nicht in Ordnung. Die Kritik an der Homöopathie ist so laut wie noch nie und die Umsätze der Globuli-Hersteller gehen zurück. Aber deshalb muss man mich noch lange nicht juristisch angehen.

Was bedeutet es für Ärzte, wenn die Industrie juristisch gegen Äußerungen von Ärzten vorgeht? Muss hier vielleicht sogar etwas grundsätzlich geklärt werden?

Grams: Wir vom Informationsnetzwerk Homöopathie finden, dass der Binnenkonsens, bei dem sich Homöopathen darauf einigen, dass ein Mittel einen Nutzen hat, nicht mehr zeitgemäß ist. Andere Medikamente müssen unter schwierigen Bedingungen – die es aus guten Gründen gibt – ihre Wirksamkeit nachweisen. Die Homöopathie ist davon ausgenommen und es reicht schon, wenn ihre Verfechter die Wirksamkeit zum Beispiel aus der homöopathischen Literatur bestätigen. Der wissenschaftliche Nachweis, insbesondere über klinische Studien, ist dafür nicht notwendig. Die Erkenntnisse, die wir über die Homöopathie haben, zeigen, dass die Homöopathie nicht besser als ein Scheinmedikament wirkt. Der Status eines Homöopathikums als Arzneimittel ist damit nicht länger gerechtfertigt – auch nicht als ein besonderes.
Da muss sich tatsächlich gesundheitspolitisch etwas tun. Das ist wie bei der Ehe für alle oder dem Rauchverbot. Diese Entscheidungen werden irgendwann kommen, auch wenn dann nicht alle gleich verstehen, warum es richtig ist.

Glauben Sie, dass sich die Position der Homöopathie-Skeptiker im öffentlichen Diskurs mit juristischen Mitteln schwächen lässt?

Grams: Nein, denn wir haben den wissenschaftlichen Konsens auf unserer Seite und Fakten lassen sich nicht beliebig lange unterdrücken. In Bezug auf die Homöopathie denken mehr und mehr Menschen um, sowohl Laien als auch Experten, und das gibt mir die Hoffnung, dass sich tatsächlich grundsätzlich etwas ändert.

Was machen Sie im Anschluss an eine eventuell erfolgreiche Unterlassungsklage?

Grams: Aufklärung lässt sich durch juristische Mittel nicht stoppen, das hat sie nie getan. Insofern warte ich recht gelassen ab.

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune