E-Zigaretten für den Rauchstopp: Auf zwei Hochzeiten tanzen
Wie bringt man möglichst viele Rauchende dazu, auf E-Zigaretten umzusteigen und verhindert gleichzeitig, dass Jugendliche und Nichtrauchende beginnen, E-Zigaretten zu rauchen? Ein Bericht vom E-Cigarette Summit in London.
„Nikotinhaltige E‐Zigaretten können Menschen dabei helfen, mindestens 6 Monate lang mit dem Rauchen aufzuhören. Es ist erwiesen, dass sie besser wirken als eine Nikotinersatztherapie und wahrscheinlich besser als nikotinfreie E‐Zigaretten.“ So lautet die Kernaussage eines Cochrane Review mit dem Titel „Elektronische Zigaretten zur Rauchentwöhnung“*). Es handelt sich um eine jener Metaanalysen, die von Cochrane immer wieder auf den aktuellen Stand gebracht werden. Demnächst soll die neue Version publiziert werden. „Ich darf die genauen Ergebnisse noch nicht verraten“, erklärte Prof. Dr. Peter Hajek (Queen Mary University of London), einer der Co-Autoren, auf dem E-Cigarette Summit in London. Er lässt aber keinen Zweifel daran, dass sich die Evidenz weiter verfestigt hat: „Bisher waren 40 randomisierte kontrollierte Studien in den Review aufgenommen worden. Nun sind es 47.“
Aktiver Einsatz von E-Zigaretten
Großbritannien ist das einzige Land der Welt, in dem diese wissenschaftliche Evidenz von der Gesundheitspolitik aufgegriffen und in ein Programm umgesetzt wurde. Im Vereinigten Königreich werden E-Zigaretten von den Behörden und Gesundheitseinrichtungen aktiv beworben und eingesetzt, um Raucherinnen und Raucher von der Verbrennungszigarette loszubekommen. Auf dem E-Cigarette Summit, der im November am Royal College of Physicians in London über die Bühne ging, diskutierten Expertinnen und Experten aus dem angloamerikanischen Raum neue Erkenntnisse und die aktuelle gesundheitspolitische Lage: Denn die britische Öffentlichkeit, aber auch Teile der Wissenschaft, stehen der E-Zigarette ablehnend gegenüber.
Viele sind davon überzeugt, dass die E-Zigarette vor allem für Jugendliche den Einstieg zum Rauchen bedeutet. Diese „Gateway-Hypothese“ ist Gegenstand einer noch nicht publizierten Studie, die auf dem E-Cigarette Summit präsentiert wurde. Es handelt sich um keinen Cochrane-Review, gleichwohl sich die Autorinnen und Autoren dieselben strengen Regeln auferlegt haben. Die Mehrheit der in diese Metaanalyse miteinbezogenen Studien widerspricht der Hypothese, die E-Zigarette sei gewissermaßen die Einstiegsdroge zur Verbrennungszigarette. Vielmehr würden E-Zigaretten vorwiegend dazu genutzt, um von der Verbrennungszigarette loszukommen. Jene beiden Studien, die die „Gateway-Hypothese“ unterstützen, sind gleichzeitig auch jene, denen die Studienautoren höchste Voreingenommenheit attestieren. „Es schmerzt mich sehr, wenn immer wieder Leute behaupten, dass es für den Nutzen der E-Zigarette eine inkonsistente Datenlage gäbe. Gleichzeitig glauben diese Leute aus denselben Daten eine angeblich eindeutige Evidenz herauslesen zu können, dass Dampfen der Einstieg zum Rauchen sei“, ärgert sich Prof. Dr. Jamie Hartmann-Boyce (University of Massachusetts Amhers), eine der Autorinnen der Studie.
Auch über Folgen des Zigarettenrauchens berichten
„Natürlich ist die E-Zigarette nicht frei von Gesundheitsrisken“, räumt Prof. Dr. Sanjay Agrawal (University Hospitals of Leicester) ein. „Aber dass im vergangenen Jahr 64.000 Menschen am Zigarettenrauchen zugrunde gegangen sind und mehrere Hunderttausend Menschen infolge des Rauches erkrankt sind, wird meist nicht dazugesagt, wenn es um die E-Zigarette geht.“ Mittlerweile sei es so, dass viele Erwachsene davon überzeugt sind, dass die E-Zigarette ebenso gefährlich oder sogar noch gefährlicher sei als die Verbrennungszigarette.
Die Gesundheitspolitik müsse 2 Ziele parallel verfolgen, erläutert Prof. Dr. John Newton (University of Exeter). Das erste Ziel: möglichst viele Rauchende dazu zu bringen, von der Verbrennungszigarette auf die E-Zigarette umzusteigen. Denn E-Zigaretten – wie auch die neueren und daher in vielen Studien nicht berücksichtigten Tabakerhitzer – seien weniger gesundheitsschädlich als Verbrennungszigaretten. Das zweite Ziel: verhindern, dass Jugendliche und Nichtrauchende beginnen, E-Zigaretten zu konsumieren. „Wir müssen versuchen, auf diesen 2 Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen“, formuliert der Epidemiologe.
„Wir müssen uns damit abfinden, dass es für komplexe Problemen keine perfekten Lösungen gibt“, ergänzt Agrawal. Für eine große Zahl von Raucherinnen und Rauchern stelle die E-Zigarette nun einmal die beste verfügbare Methode dar, um von der Verbrennungszigarette wegzukommen. Daher müssten jetzt Wege gefunden werden, um Nichtrauchende davon abzuhalten, mit dem Konsum von E-Zigaretten neu zu beginnen.
The E-Cigarette Summit, London, 16.11.2023