24. Aug. 2023Harm Reduction D.A.CH Konferenz

Wider das Abstinenzparadigma

Schadensminimierung („Harm Reduction“) beim Nikotinkonsum stand im Mittelpunkt eines mit hochkarätigen Suchtexperten besetzten Kongresses in Wien.

Hands holding a box of snuff, snus. Picking up a portion of nicotin pad.
Finn Bjurvoll Hansen/AdobeStock

„Schadensminimierung ist mittlerweile ein selbstverständlicher Zugang in der Suchtarbeit“, erklärt Priv.-Doz. Dr. Alfred Uhl, stellvertretender Leiter des Kompetenzzentrums Sucht in der Gesundheit Österreich GmbH. Die offizielle österreichische Suchtstrategie etwa fordere Flexibilität und Sachlichkeit, um negative Auswirkungen und Schäden im Zusammenhang mit dem Gebrauch von legalen und illegalen Suchtmitteln für Einzelne und für die Gesellschaft so gering wie möglich zu halten. „Statt Abstinenz als ideologischem Selbstzweck wird die Minimierung der Probleme für alle Beteiligten angestrebt“, bringt es Uhl auf den Punkt. In Zusammenhang mit illegalen Drogen ist der Ansatz der Harm Reduction – wie die Schadensminimierung im internationalen Kontext bezeichnet wird – unumstritten. Auch bei der Alkoholabhängigkeit wird das sogenannte kontrollierte Trinken immer mehr zum Standard. Bei einer weit verbreiteten Sucht allerdings schlägt den Proponenten der Harm Reduction ein rauer Wind entgegen: bei der Nikotinabhängigkeit. Hier sei nach wie vor das „bedingungslose Abstinenzparadigma“ bestimmend, klagte Uhl auf der 1. Harm Reduction D.A.CH Konferenz, die im Juni in Wien stattfand.

In Norwegen ist Snus verbreitet

„Es gibt viele Puristen, die sich eine nikotinfreie Gesellschaft wünschen“, seufzte Dr. Karl E. Lund, leitender Forscher am Norwegischen Institut für Public Health (NIPH): „Das Ziel von Pragmatikern, wie ich einer bin, ist es jedoch, die durch Zigarettenrauchen verbundenen Erkrankungen zurückzudrängen.“ Die süchtig machende Substanz Nikotin selbst nämlich spiele für die Entstehung dieser Erkrankungen nur eine untergeordnete Rolle. Vielmehr seien es die bei der Verbrennung von Tabak entstehenden, zum Teil hochgiftigen Substanzen, die Krebs, Lungen- und kardiovaskuläre Erkrankungen auslösen. Lund spricht sich daher für den Einsatz von Alternativprodukten wie E-Zigaretten oder Tabakerhitzern aus, um Raucherinnen und Raucher von der Zigarette wegzubekommen.  

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