16. Nov. 2022Grazer Fortbildungstage

Immer mehr Allergien

Die Europäische Akademie für Allergologie und Immunologie geht davon aus, dass im Jahr 2050 bereits die Hälfte der Weltbevölkerung unter Allergien leiden wird. Was sind die Gründe für die steigende Prävalenz und wie kann dieser Entwicklung entgegengesteuert werden?

Inhaltsverzeichnis
Pollenkorn, das in der Frühjahrssaison von Birkenkätzchen fliegt
Gregory_DUBUS/GettyImages

In der österreichischen Gesundheitsbefragung 2019 rangierten Allergien mit 1,7 Millionen Betroffenen hinter Kreuzschmerzen bereits auf Platz zwei der Liste der chronischen Erkrankungen. Allergien sind aber viel mehr als nur eine häufige Erkrankung: Sie sind vor allem auch ein Indikator für eine tiefergreifende Störung der Umwelt, also ein klassisches One-Health-Problem. „Mit diesem Konzept wird die enge Verknüpfung von menschlicher Gesundheit mit der Gesundheit von Tieren, Pflanzen und unserer Umwelt beschrieben“, erläutert Univ.-Prof. Dr. Erika Jensen-Jarolim, Abteilung für Comparative Immunologie und Onkologie, Medizinische Universität Wien. Die Summe aller Umweltfaktoren, die unsere Gesundheit beeinflussen, nennt man Exposom. Wichtige Parameter, die zur steigenden Allergieprävalenz beitragen, sind die Klimakrise mit der globalen Erwärmung, die zunehmend industrialisierte Ernährung, soziale Faktoren, aber auch Arzneimittel und Infektionen.

Die Rolle des Mikrobioms

Ein zentrales Element für die Funktion der Haut- und Schleimhautbarriere, die uns vor schädlichen Umwelteinflüssen wie Viren und Allergenen schützen soll, ist das auf diesen Oberflächen lebende Mikrobiom. Wenn die epitheliale Barriere durch eine Dysbiose geschwächt und durchlässig für ultrafeine Partikel und Allergene wird, ist das für den Organismus ein Gefahrensignal. Allergien sind dadurch gekennzeichnet, dass das Immunsystem auf dieses Signal mit einer überschießenden TH2-Immunantwort mit IL-4- und IL-13-Freisetzung und verstärkter IgE-Produktion reagiert. Die Grundlage für ein gesundes Mikrobiom wird schon bei der Geburt gelegt. Bei vaginalen Geburten werden die Neugeborenen von der Mutter mit einem sehr günstigen Mikrobiom ausgestattet, das der Flora in der mütterlichen Vagina ähnelt und reich an Bifidobakterien und Bacteroides ist. Bei Kaiserschnitten wird die Haut des Kindes hingegen mit einem Mikrobiom besiedelt, das weitgehend dem der mütterlichen Haut entspricht. „Wenn das Kaiserschnittbaby Pech hat und seine Mutter unter einem atopischen Ekzem mit vielen Staphylokokken leidet, ist dieser pathogene Keim auf seiner Haut von Anfang an vermehrt zu finden“, so Jensen-Jarolim. Diese Weichenstellung führt dazu, dass Kaiserschnittkinder bei Schuleintritt ein signifikant höheres Asthmarisiko haben.

Um den Inhalt zu sehen, müssen Sie sich einloggen oder registrieren.