Luftverschmutzung und Klimawandel
Die erfreuliche Nachricht: Die Luft wurde in den letzten Jahren besser. Doch Grund zum Aufatmen ist das noch keiner.
Während wir bei Wasser in Österreich selten Qualitätsprobleme haben und unsere festen Lebensmittel im Zweifelsfall nicht essen, bleibt uns bei der Luft keine Alternative. Wir atmen ständig, 10–20 kg Luft filtern wir täglich mit unseren Lungen.
Ist die Luft besser geworden? Ja, und das ist eine überaus erfreuliche Geschichte; während vor 10 Jahren noch 450.000 Europäerinnen und Europäer jährlich infolge der Luftverschmutzung gestorben sind, dürften es 2023 nur mehr rund die Hälfte gewesen sein. Immer noch würde eine Übernahme der WHO-Richtwerte (10/2021) als Grenzwerte in der EU rund 50 Mrd. Euro an Schäden netto pro Jahr einsparen, der Nutzen überwiegt also klar die Kosten. Wie so oft tragen aber die Kosten wenige und den Nutzen hat die Allgemeinheit. Man kann auch sagen, einige Branchen haben sich auf Kosten der Gesundheit der Allgemeinheit viel Geld gespart, aber höheren Schaden angerichtet. Immerhin hat sich das EU-Parlament mit einer Vier-Fünftel-Mehrheit für eine deutliche Absenkung der Grenzwerte ausgesprochen. In den meisten Ländern werden diese heute schon erreicht oder spätestens 2030.
Es gibt praktisch für alles elektronische Lösungen
Überall ausreichend Strom aus Wasser, Sonne und Wind zu gewinnen, ist bereits möglich und Österreich ist seit 1.1.2024 Netto-Exporteur von Ökostrom. Wir müssen es nur wollen und mit Speichern ergänzen. Beispielsweise sollten alle Elektroautos netzdienlich betrieben werden – als Speicher der Mittagssonne für die abendliche Stromverbrauchs-Spitze. Wir sparen durch E-Autos enorme Geldabflüsse hin zu autokratischen Ländern, Lärm (E-Mopeds sind lautlos!) und auch Hitze (sogar der Wasserdampf aus Auspuffen trägt zur „Hitzeinsel Stadt“ bei, in Wien liefert allein die Motorenabwärme 1,5 Gigawatt im Schnitt).
Nur für den Flugverkehr wird es E-Fuels brauchen. Das Rennen um die Technologie auf der Straße hat die Batterie längst gewonnen. Ein Schneeräumer mit 800PS und 1MWh Akku hat bei niedrigsten Temperaturen in Norwegen im letzten Winter ganztags seine Dienste verrichtet, ohne tagsüber aufgeladen werden zu müssen. Aus Kostengründen steigen Minenunternehmen und Bau- und Verkehrsbetriebe rasant auf elektrische Antriebe um; wenn nicht heute, dann bis 2027. Ich erlebe es als Gutachter bei Deponien und UVP: es gibt praktisch für alles elektrische Lösungen. Wir geben zurzeit rund 15 Mrd. Euro für Importe von Fossilen aus. Wenn man rechnet, dass das im Land ausgegebene Geld 4- bis 5-mal zirkuliert, ist der Betrag größer als das Gesundheitswesen (2023: 52 Mrd. Euro).
Rußproduktion muss drastisch reduziert werden
Ruß ist nicht nur als Ultrafeinstaub enorm gesundheitsschädlich. Er wirkt auch 840.000-fach mehr als Treibhaus-„Gas“ als CO2. Aufgrund der millionenfach kleineren Menge steht es zwar ca. 1:3 für CO2, dieses bleibt aber über Jahrzehnte in der Luft, während Ruß und Methan bei fehlender Nachproduktion binnen Monaten stark absinken. Schon in Science 02/2012 gab es einen Aufruf von 400 Klimawissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern, diese 2 Stoffe rasch zu reduzieren, um im Kampf gegen die Erhitzung Zeit zu gewinnen. Maßnahmen in der Tierzucht und Reisproduktion in Österreich wären die wichtigsten Maßnahmen gegen dieses Treibhausgas. Gegen den sicher krebserregenden (IARC 1A) Ruß sollten Filter in allen schweren Maschinen und KFZ nachgerüstet werden, wie das in der Schweiz und in Israel geschehen ist. Pistenraupen mit Pflanzenöl zu betreiben ist die ungleich schlechtere Maßnahme – auch dieser Ruß ist doppelt schädlich. Generatoren sollten ohnehin gegen Akkus, die mit PV oder Wind geladen werden, ersetzt werden. Der Preisverfall bei Batterien geht rasant voran, von über 8.000 Euro pro kWh in den Siebzigern auf unter 50 Euro derzeit in China.
Massiv zur Besserung beigetragen hat die Pflicht zum Dieselpartikelfilter bei neuen KFZ (beim PKW mit 2010, LKW seit 2014, schwere Baumaschinen 2019). Für manuell betriebene Holzöfen gibt es auch schon Nachrüstfilter, allerdings noch nicht in der Qualität wie für Diesel. Weitere Reduktion beim Feinstaub (und daran anhaftenden Schwermetallen, PAK und anderen Giften) gab es durch den raschen Abschied von der Kohle in der EU. Deutschland z.B. hat 2023 so wenig Kohle verbrannt wie zuletzt 1959 – trotz der Abschaltung der letzten 3 Atomkraftwerke. Wenn es keinen vollkommen bewölkten Sommer und windstillen Herbst geben wird, übertrifft unser Nachbarland noch heuer sein für 2030 gesetztes Ziel von 65% erneuerbarem Strom im Verbrauch deutlich!
Planetare Grenze für Stickstoff ist erreicht
Auch die Stickoxide (NOx), die in ihrer Bedeutung überschätzt werden, sind zurückgegangen. NOx sind schon im 1. Stockwerk eines Hauses deutlich niedriger als an der Straße und bauen sich in Wohnungen, Schulen, Büros etc. langsam ab. Nur in hohen Konzentrationen ist es für Menschen mit Asthma gesichert schädlich. Noch schneller baut sich das aus Stickoxiden in der Sommersonne entstehende Ozon in Innenräumen ab. Es ist aber im Freien ein Reizgas, das besonders bei Vorschädigung oder Sport schadet. Kinder, die in Gegenden mit hoher Ozonbelastung wohnen, haben ein schlechteres Lungenwachstum. Das Wohnen „an der frischen Luft“ ist kein Vorteil, wenn die Kinder eine Stunde pro Tag im PKW in der Stoßzeit sitzen. Sie nehmen dann so viele Schadstoffe auf wie in den anderen 23 Stunden des Tages zusammen. Stickoxide sollten daher als Ozonvorläufer und wegen der Düngewirkung (die planetare Grenze – planetary boundary – für Stickstoff ist deutlich überschritten) weiter reduziert werden, auch wenn es praktisch nur mehr für Asthmatikerinnen und Asthmatiker im Straßenverkehr Effekte gibt.
Feinstaub: Ultrafeine Partikel sind das Problem
Auch der gefährlichste Luftschadstoff, der Feinstaub, hat abgenommen. Zumindest an Gewicht, das gewogen wird. Entscheidend für die Gesundheit ist aber die biologisch wirksame Oberfläche und da ist die Partikelzahl entscheidend. 1 Mio. Kügelchen mit 50nm Durchmesser haben das gleiche Gewicht wie eines mit 5.000nm, aber die hundertfache Oberfläche. Der Hochdruck-Dieselmotor zerkleinert die Partikel extrem. Ultrafeine Partikel stammen auch aus dem Flugverkehr, Innsbruck ist aufgrund der Kessellage besonders betroffen. Diese ultrafeinen Partikel werden an keiner Messstelle dauerhaft gemessen, weil wir noch keine Grenzwerte dafür haben. Die Schweiz hat alle Diesel nachgerüstet und prüft die Öfen streng – das hat zu deutlich besserer Luft als bei uns geführt. Ein Grund, warum die Krankenstände dort nur halb so hoch sind wie bei uns?
Dass die Tirolerinnen und Tiroler mehr Lungenkrebs haben als der Schnitt in Österreich, obwohl dort weniger geraucht wird, ist vermutlich auf 3 Faktoren zurückzuführen: auf die Diesel ohne Filter, die langsam verschwinden (LKW durften bis 2014 ohne zugelassen werden, Lungenkrebs hat eine Latenzzeit von über 10 Jahren), auf Holzrauch aus händisch geregelten Öfen und aus radioaktivem Radon, dass in manchen Gebirgsregionen überdurchschnittlich aus dem Boden tritt.
Tempo 100 hat alle Luftschadstoffe und auch den Lärm gesenkt (3dB im Vergleich zu 130). Eine Aufhebung wäre ein schwerer Schlag gegen den Klimaschutz.
Werden elektrische Anwendungen – vom PKW bis zum Laubbläser – alle Schadstoffe beseitigen?
Leider bleibt der Reifenabrieb Thema – zumindest für die Anrainerinnen und Anrainer. Und auch entlang von Autobahnen Gepflanztes darf nach wie vor gegessen bzw. an Nutztiere verfüttert werden.
Univ.-Prof. Dr. Lukas Kenner von der MUW zeigte beim Apothekerkongress in Pörtschach 2024, dass in Österreich über 95% des Mikroplastiks vom Reifenabrieb stammt und dieser vor allem über den Darm in alle Organe kommt. Schwerere und höher motorisierte Fahrzeuge erzeugen mehr davon. Es wird beim Elektrofahrzeug (electric vehicle, EV) daher darauf ankommen, leichtere Fahrzeuge zu kaufen und diese sanft zu fahren. Durch höhere Ladedichten haben EV das Potenzial, deutlich leichter als Verbrenner zu werden – allein der Motor wiegt nur 50 statt 300kg, viele bewegte Teile und die Auspuffanlage etc. fallen weg. Erste Modelle sind bereits leichter als vergleichbare Verbrenner.
Verbrennungsvorgänge in Innenräumen sind die höchsten Feinstaubquellen, das fängt beim Raclette an. Es ist zu hoffen, dass effiziente Öfen und schließlich elektrische Anwendungen auch in Afrika für saubere Innenräume sorgen. Noch sterben mehr als 700.000 Kinder an diesen Luftschadstoffen. Ins offene Feuer fallende Kinder mit lebenslang vor der Sonne zu schützenden Verbrennungsnarben als noch harmloserer Folge sind dann hoffentlich auch Vergangenheit. Für eine ungetrübt strahlende Zukunft!
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Quelle: „Luftverschmutzung und Klimawandel“, APOkongress Pörtschach, 15.6.2024