11. März 2017

Großhandel auf Talfahrt

Foto: iStock / andresr

WIRTSCHAFT – Sinkende Spannen machen dem Großhandel zu schaffen. Wir sprachen mit PHAGO-Präsident Dr. Andreas Windischbauer. (Pharmaceutical Tribune 03/2017)

 

Die PHAGO veröffentlicht seit 2016 die konkreten Umsatzdaten. Was war der Grund dafür?

 

Windischbauer: Der Grund ist banal. Als Pharmagroßhandel sind wir – ähnlich wie die Apotheken – für viele so etwas wie der Strom aus der Steckdose. Das heißt, wir funktionieren, und solange wir funktionieren, nimmt man uns als gegeben hin. Wir wollen nun deutlicher machen, welche Rolle wir gemeinsam mit den Apotheken in der Arzneimittelversorgung spielen. Als Großhandel sind wir die Ersten, die wissen, wie ein Jahr gelaufen ist und welche Umsatzsteigerungen es gegeben hat. Daher haben wir beschlossen, die aktuelle Umsatzentwicklung regelmäßig zu veröffentlichen.

 

Wie war die Entwicklung 2016?

 

Entgegen aller Prognosen des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger gab es nur eine sehr geringe Steigerung der Kosten von ca. 2,6 Prozent. Das ist von den Schätzungen, die es vorher gab, deutlich entfernt. Diese geringe Umsatzsteigerung drückt aber nicht zur Gänze aus, was eigentlich passiert. Sowohl der Großhandel als auch die Apotheken haben eine degressive Spanne. Das bedeutet, dass billige Arzneimittel eine prozentual höhere Spanne haben als teure. Je teurer das Arzneimittel ist, desto geringer die Spanne.

Für den Großhandel bedeutet das, dass es ab einem Arzneimittelpreis von 336 Euro einen Fixbetrag von 23,70 Euro, bzw. 30,50 Euro, wenn ein Arzneimittel nicht im grünen oder gelben Bereich des Erstattungskodex gelistet ist, gibt. Wir sind eine der wenigen Branchen, in denen es bereits eine Deflation gibt, d.h. Arzneimittel werden jedes Jahr billiger. Dieses Schreckgespenst der Wirtschaft ist im Arzneimittelsektor leider normal. Die Entwicklung der letzten Jahre zeigte, dass die billigen Arzneimittel immer billiger werden und das Wachstum im teuren Bereich mit Preisen von 10.000 Euro und mehr pro Packung liegt. Das führt dazu, dass wir zwar nominell ein Umsatzwachstum haben, allerdings leben wir nicht vom Umsatz, sondern von dem, was sich aus der Spannenkalkulation ergibt.

Die Entwicklung unserer Wertschöpfung ist inzwischen negativ, weil die Misch-Kalkulation in der Praxis nicht mehr funktioniert. Bei fast 50 Prozent aller Präparate, die auf Kosten der Krankenkassen abgegeben werden, liegt unsere Spanne bereits unter 68 Cent, also unter den Kosten für einen Standardbrief bei der Post – mit dem Unterschied, dass die Arzneimittel bei uns in einem AMBO-konformen Lager gelagert werden, bei Bedarf gekühlt oder entsprechend der Suchtgiftverordnung gelagert werden usw. Die Auflagen steigen jedes Jahr, was ich aus Sicht der Arzneimittelsicherheit auch gut finde, nur bezahlen muss man es auch können.

 

Wovon lebt der Großhandel, wenn die Wertschöpfung seit Jahren zurückgeht?

 

Wir haben massiv rationalisiert. Die Herba Chemosan hatte, als Beispiel für ein PHAGO-Unternehmen, als ich 1993 eingetreten bin, doppelt so viele Mitarbeiter wie heute, bei der Hälfte des Umsatzes. Wir haben es durch deutliche Rationalisierungsmaßnahmen geschafft, das wettzumachen. Nur jetzt sind wir an einem Punkt angelangt, wo man sagen muss, wie sollen wir den Versorgungsauftrag, den wir in Österreich haben, erfüllen, wenn man uns die finanziellen Mittel nicht gibt? Auf der anderen Seite gibt es regulatorische Maßnahmen, wie z.B. die Arzneimittelfälschungsrichtlinie, die uns Geld kosten. Wie soll sich das rechnen?

 

Was wollen Sie ändern?

 

Unser Vorschlag ist, dass man das Spannensystem verändert. Für die sehr teuren Präparate möchten wir einen Fixbetrag plus einen variablen Aufschlag, der die Finanzierungskosten und das Risiko abdeckt. Im sehr billigen Bereich sollte man eine Mindestspanne festlegen und diese dann prozentual steigern. Wenn die Spanne bei einem Produkt nur noch zehn Cent beträgt, brauche ich das nicht einmal durchzurechnen, um zu wissen, dass ich einen Verlust mache. Wir wollen, dass die Mischkalkulation, die eine Zeit lang gut funktioniert hat, wieder ausgewogen ist.

 

Was macht dem Großhandel sonst noch zu schaffen?

 

Die Direktlieferung von Arzneimitteln durch die Pharmafirmen in die Apotheken nehmen immer mehr zu. Wir haben zahlreiche Apotheken-Rückmeldungen, die zeigen, dass die Verfügbarkeit von sehr teuren Medikamenten zu Tagesrandzeiten bzw. an Fenstertagen deutlich schlechter ist. Die billigsten Arzneimittel haben einen höheren Servicegrad für die Patienten als sehr teure Präparate. D.h. ein Mensch mit einer schweren Erkrankung, der sehr teure Arzneimittel bekommt, muss sich mehr Gedanken darüber machen ob er Freitagnachmittag seine Medikamente bekommt, als wenn es billige Präparate sind. Hier brauchen wir einen Schulterschluss mit den Apothekern, um dagegen vorzugehen!

Danke für das Gespräch!