12. Okt. 2016

Angestellte Apotheker: Quo vaditis?

125 JAHRE VAAÖ Welche Aufgaben Apotheker in 15 Jahren fur das offentliche Gesundheitswesen haben werden, diskutierte eine prominent besetzte Runde im Rahmen des Festakts zum VAAO-Jubilaum.

Der Verband Angestellter Apotheker Österreichs (VAAÖ) feierte im September sein 125-jähriges Jubiläum – mit einem Festakt, einem prominent besetzten Roundtable über die künfigen Herausforderungen des Apothekerberufs und einer kompakten Fortbildung zum Thema „Schmerz-Therapie“ am selben Wochenende. Zahlreiche nationale und internationale Gäste würdigten in ihren Reden die Leistungen des Verbands für die angestellten Apothekerinnen und Apotheker. Der VAAÖ ehrte seines Zeichens wiederum langjährige Funktionäre sowie Geschäftspartner mit dem Goldenen Ehrenzeichen. Pharmaceutical Tribune war mit dabei und hat Zitate von Gratulanten und Geehrten für Sie eingefangen.

Neues Arbeitszeitgesetz

Ein achtköpfiges Podium thematisierte anschließend die beruflichen Herausforderungen, die Apotheker in den nächsten 15 Jahren erwarten. „Die Basis für gesunde Apotheken und ein funktionierendes Apothekersystem auch in Zukunft sind die Leistungen der angestellten Apotheker und deren Vertrauensverhältnis zu den Kunden“, betonte Mag. pharm. Raimund Podroschko, Vizepräsident des Verbands Angestellter Apotheker Österreichs (VAAÖ), zu Beginn. Beispiel für eine akute Baustelle sei das Arbeitszeitgesetz, das bis 2020 umgesetzt werden muss und eine Reduktion der durchschnittlichen Tagesund Wochenarbeitszeit vorsieht.

„Keinesfalls darf es als Ausrede verwendet werden, Nachtdienste zu reduzieren und damit an den falschen Stellen den Sparstift anzusetzen“, so Podroschko. Die Nachtdienste seien essenziell für die Patienten. Und: Es brauche durchdachte Anpassungen des Turnus, die verhindern, dass die angestellten Apotheker am nächsten Tag müde und abgeschlagen an der Tara stehen: „Die Verhandlungen mit der Apothekerkammer sind zäh, aber wir werden auf einen grünen Zweig kommen“, gab er sich optimistisch.

Beratung wird wichtiger

90 Prozent der Apotheker sind Frauen, von denen wiederum zirka 70 Prozent Teilzeit arbeiten. „Wir haben es hier mit sehr attraktiven Frauenarbeitsplätzen zu tun, die eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen, und natürlich erhalten werden sollen“, sagte Karin Kadenbach, SPÖ-Abgeordnete im Europäischen Parlament. Als Politikerin sei ihr eine vermittelnde Rolle zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Patienten ein besonderes Anliegen. Öffentlichkeitswirksam diskutiert werden regelmäßig Entwicklungen, die angestellte und selbstständige Apotheker gleichermaßen verunsichern, wie neue Vertriebswege für OTCs oder die Ausweitung des Versandhandels.

„Was ich vermisse, sind konkrete Ziele der Apothekerschaft bis 2030“, sagte Franz Bittner, Patientenombudsmann der Wiener Ärztekammer. „Die Stakeholder werden von der Leistungsfähigkeit der Apotheker für das Gesundheitssystem überzeugt werden müssen.“ Dass die Gesundheitskompetenz der Apotheker gerne unterschätzt wird, fand auch Dr. Sigrid Pilz, Patientenanwältin der Stadt Wien. „In Zukunft wird der Fokus noch mehr auf Beratung liegen müssen, denn die Medikamente können sich die Patienten auch woanders besorgen“, stellte sie klar. Bindung, regionale Versorgung und attraktive Öffnungszeiten seien wichtige Schlagworte. „Die Fähigkeit zur Empathie hat nur der Mensch“, fügte Erich Foglar, Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbunds, hinzu. Hier liege die Chance für selbstständige und angestellte Apotheker, deren vorrangige Aufgabe – als Teil des Gesundheitssystems – die Sicherstellung der Versorgung sei.

„Arbeitsgruppe 2030“

Mag. pharm. Max Wellan, Präsident der Österreichischen Apothekerkammer, gab zu bedenken, dass der Nutzen wichtiger Leistungen der Apotheker für das Gesundheitssystem wie Health Literacy oder Adherence schwer zu messen seien. Trotzdem brauche es in Zeiten von Bevölkerungsalterung und neuen Therapien die Leistungen der Apotheker mehr denn je. Bestes Beispiel sei die Einführung des Medikationsmanagements, das eine gesamtheitliche Betreuung in Arzneimittelfragen ermöglicht.

Wellan: „Meine Vision für 2030 ist, dass Apotheken pharmakologische Boutiquen mit höchstpersönlichen Leistungen für die Patienten sind, die sowohl ihrer Gesundheit als auch ihrer Lebensqualität dienen.“ Im VAAÖ arbeitet eine eigene „Arbeitsgruppe 2030“ an innovativen Lösungsansätzen, um Arbeitsplätze zu sichern und neue berufliche Möglichkeiten zu schaffen. „Denkbar wäre etwa eine Beschäftigung von Apothekern als Arzneimittelexperten und Gesundheitsmanagern in Alters- und Pflegeheimen, in Public-Health-Care-Einrichtungen, bei Amtstagen usw.“, erklärte Podroschko.

„Die Kollegen sollten von den Apotheken ausgesendet werden können, bei denen sie angestellt sind.“ Wichtig seien in diesem Zusammenhang fundierte Zusatzausbildungen z.B. in Pharmaceutical Care, Pharmakogenetik, Medikationsmanagement, Pharmaökonomie oder Impfen. Podroschko: „Nur mit solchen Kompetenzen werden wir Politik und Kostenträger vom Nutzen der Leistungen und der Notwendigkeit einer Honorierung überzeugen können.“

Klinische Pharmazie

Die klinische Pharmazie z.B. spielt im angloamerikanischen Raum eine weit größere Rolle als in den deutschsprachigen Ländern. „In Großbritannien hat man sich für eine Aufgabenteilung entschieden: Job der Ärzte ist die Diagnose, die Apotheker sind für die Medikation zuständig“, erklärte Mark Koziol von „The Pharmacists’ Defence Association“, Birmingham. Der Benefit sowohl für die Patienten als auch für das Gesundheitssystem sei so überwältigend, dass die Zahl der klinischen Pharmazeuten 2017 mehr als verdoppelt werden soll. In Österreich hingegen müssen klinische Pharmazeuten oft noch ihre Daseinsberechtigung erklären.

„Dabei zeigen Projektevaluierungen klar den Nutzen auf – auch Folgekosten betreffend“, betonte Mag. pharm. Karin Kirchdorfer, Leiterin der Anstaltsapotheke im Hanusch-Krankenhaus. „Aber mit nur 2,5 Angestellten können wir nur einen Tag pro Woche auf den Stationen sein“, kritisiert Kirchdorfer, doch der Bedarf sei weitaus größer. „Im Rahmen eines klinisch-pharmazeutischen Boards, das wir gegründet haben, kommen Ärzte sogar für Fallbesprechungen zu uns in die Apotheke.“ Ein großer Knackpunkt bleibe die E-Medikation: „Wir haben nach wie vor nicht Einblick in die gesamte Therapie. Das wird sich in Zukunft verbessern!“