Apotheker-Festkongress mit Polit-Prominenz
Als Standesvertretung 75 Jahre alt – aber „jung“ und „tatendurstig“, so beging die Österreichische Apothekerkammer ihren Festkongress. Die Politspitze gratulierte. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) kündigte die Novelle des Apothekengesetzes an, beim Impfen wolle er „dranbleiben“.
Am 23. Juni 1948 konstituierte sich die Österreichische Apothekerkammer. Ein Dreivierteljahrhundert später – fast auf den Tag genau – feierte die Standesvertretung von rund 6.800 angestellten und selbstständigen Apothekerinnen und Apothekern in knapp 1.400 Apotheken dieses Jubiläum auf dem jährlichen „APOkongress & APOtag“ in Wien, der heuer von 15. bis 17. Juni über die Bühne ging.
„Wir mögen als Standesvertretung 75 Jahre alt sein, aber wirklich alt sind wir wahrlich nicht. Wir sind jung, hungrig, rastlos, tatendurstig“, zog Apothekerkammer-Präsidentin Dr. Ulrike Mursch-Edlmayr ein durchwegs positives Fazit. Das zeigte sich auch in den Ideen und Vorhaben für die Zukunft, wie z.B. der Forderung nach einer neuen telemedizinischen Plattform oder dem Angebot an Ärztinnen und Ärzte, in den Räumlichkeiten der 1.400 Apotheken zu „ordinieren“.
Bundespräsident und Bundeskanzler sagten Danke
Zu den hochrangigen Gratulanten zählte die gesamte Politspitze, allen voran Bundespräsident Dr. Alexander van der Bellen. Apothekerinnen und Apotheker würden einen „unverzichtbaren Beruf“ ausüben, „sie sind für die Menschen da, wortwörtlich rund um die Uhr“, bedankt er sich in einer Videobotschaft für den „unermüdlichen Einsatz“. Zu den verantwortungsvollen Aufgaben zählt der Bundespräsident auch, Medikamentenengpässe zu überbrücken.
VP-Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc, war persönlich vor Ort und bedankte sich insbesondere für den Beitrag zur Bewältigung der Covid-19-Pandemie. Es sei wichtig, in Österreich zuverlässige Strukturen wie das flächendeckende Apothekensystem zu haben, die auch außergewöhnlichen Belastungen standhalten und dafür gesorgt haben, „dass wir gut durch die Krise gegangen sind“.
Gesundheitsminister hob magistrale Zubereitungen hervor
Ebenfalls persönlich gratulierte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) zum 75er. Auch er bezog sich auf die Pandemie, in der die Apothekerinnen und Apotheker bewiesen hätten, „was sie können“. Zudem hätten sie im vergangenen Herbst und Winter, als es um den Medikamentenmangel ging, „mit ihrer ureigenen Kompetenz der magistralen Zubereitung“ Abhilfe geschaffen – vor allem für junge Patientinnen und Patienten.
Rauch kündigte außerdem an, die Apothekengesetz-Novelle im Herbst unter Dach und Fach zu bringen. In Kraft treten soll sie mit Jahresbeginn 2024. Inhaltlich plant er, die Versorgung im ländlichen Raum zu verbessern sowie die persönliche Beratungsfunktion der Apothekerinnen und Apotheker auszubauen. Auch das Impfen in Apotheken wolle er ermöglichen und kündigt an, bei dem Thema „dranzubleiben“.
Suche nach Lösungen gegen Medikamentenengpässe
Der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) lobte die Apotheken in Sachen Digitalisierung, sie hätten hier einen „wahnsinnigen Vorsprung“. Konkret wünsche er sich in puncto Medikamentenmangel ein digitales System, das die Patientinnen und Patienten informiert, in welcher Apotheke eine Arznei vorrätig oder innerhalb von „drei Stunden“ verfügbar sei.
Eine rasche Lösung dürfte sich jedoch bei den Engpässen in der Arzneimittelversorgung nicht abzeichnen. „Wir haben heute 588 Produkte im Register über Lieferengpässe. Für 360 Arzneimittel gibt es ein Parallelexportverbot“, sagte DI Dr. Günter Waxenecker, Leiter der Medizinmarktaufsicht der AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit).
Erhebungen auf europäischer Ebene zufolge würden mehr als 60 Prozent der Lieferengpässe bei Arzneimitteln durch produktionsbedingte Probleme verursacht. Dazu komme zum Beispiel ein plötzlicher Mehrbedarf von knapp einem Fünftel. Generika wiederum, so würden die Hersteller betonen, ersparen den Krankenversicherungen Geld. Allerdings wirke sich der Preisdruck gerade hier offenbar negativ auf die Versorgungssicherheit aus. „Es sind eher Produkte betroffen, deren Erstzulassung länger als zehn Jahre zurückliegt“, sagt Waxenecker.
Nationale Lager für kritische Arzneimittel wohl nötig
Vier Fünftel der Arzneimittel-Lieferengpässe in der EU könnten durch Austausch zwischen den Mitgliedsstaaten gemildert oder behoben werden. Aber: „Es sind keine Systeme in Österreich vorhanden, um Lagerbestände von Großhändlern und Apotheken abfragen zu können.“ Es gebe auch keine Informationen über die Verschreibungspraxis im niedergelassenen und im Spitalsbereich, erläutert Waxenecker.
Mit der von der EU-Kommission anvisierten neuen Pharma-Gesetzgebung sollen die Informationen der Mitgliedsstaaten zumindest besser harmonisiert und einsehbar werden. Doch ohne eine nationale Lagerhaltung für kritische Arzneimittel werde es wohl in Zukunft nicht gehen. Finnland hat laut Waxenecker seit 2009 eine Lagerhaltung für Arzneimittel für eine Bandbreite zwischen drei und zehn Monaten: „Dort ist dieses Thema nicht schlagend geworden.“
Eine Lagerhaltung für als wichtig identifizierte Medikamente für vier Monate Verbrauch würde 75 Prozent der Engpässe verhindern, zeigte eine niederländische Studie. Bei fünf Monaten Lagerhaltung stiege die Erfolgsrate auf 85 Prozent.
Gesundheitsminister Rauch bekräftigte, dass sich beim Arzneiengpass die Politik um die Bevorratung und eine Verringerung der Abhängigkeit vom Ausland kümmern müsse. „Wir werden uns in der Bevorratung europäisch aufstellen müssen und auch im eigenen Haus“, fügte er hinzu, „da sind wir auf einem guten Weg, das gemeinsam hinzubekommen.“
Ärztekammer „irritiert“ über Aussagen am Festkongress
Die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) zeigte sich „irritiert“ über die Aussagen beim Apothekerkongress. „Ohne Ärztinnen und Ärzte geht’s nicht, wir sind nun einmal diejenigen, die Patientinnen und Patienten behandeln“, betont Dr. Edgar Wutscher, ÖÄK-Vizepräsident und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, in einer Aussendung. Daher müsse das Impfen auch weiter in ärztlicher Hand bleiben, allein wegen der Anamnese, dem Klären von möglichen Vorerkrankungen und Nebenwirkungen.
Als „absurd“ bezeichnet Wutscher den Vorschlag von Mursch-Edlmayr, über die Apotheken Räumlichkeiten für niedergelassene Kassenärzte und -ärztinnen bereitzustellen. Der Kassenärztemangel sei nicht Folge einer fehlenden Infrastruktur, sondern bestehe, „weil die Arbeitsbedingungen die Kassenmedizin unattraktiv machen“, verweist Wutscher einmal mehr auf die „starren“ Rahmenbedingungen durch Kassenverträge und den Leistungskatalog.