BM Rauch setzt Impfpflicht aus, heftige Debatte im Bundesrat
Frisch im Amt war die erste Entscheidung schon zu treffen: Der neue Gesundheitsminister Johannes Rauch setzte einen Tag nach seiner Angelobung auf Basis des Expertenberichts die COVID-19-Impfpflicht vorerst aus. Das löste eine heftige Debatte im Bundesrat aus, vor allem der FPÖ ist das zu wenig, denn aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Rauch, dem die Apothekerkammer und Ärztekammer zu seinem neuen Job gratulierten, räumte Fehler ein, bat jedoch um maßvolle Kritik.
So schnell kann’s gehen. Vor genau einer Woche am Donnerstag trat Gesundheitsminister Dr. Wolfgang Mückstein (Grüne) überraschend zurück – wir berichteten aktuell. Nur fünf Tage später, am Dienstag, dem 08.03.2022, fand bereits die Angelobung des Neuen statt: Der Vorarlberger tauschte das Umwelt- und Verkehrsressort im Ländle mit den Sozial- und Gesundheitsagenden auf Bundesebene.
Der 8. März 2022 war auch ein wichtiges Datum für die Zukunft der verpflichtenden Schutzimpfung gegen SARS-CoV-2. Für diesen Tag hatte die am 18. Februar erstmals tagende Expertenkommission, der von medizinischer Seite Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch und Univ.-Prof. DDr. Mag. Eva Schernhammer angehören, ihren Bericht angekündigt.
Kommission: Impfpflicht „probates Mittel“
Mit einem Tag Verspätung war es dann so weit: Am 9. März 2022 – just an dem Tag mit einem neuen Rekord an Infektionen, nämlich fast 50.000 – legte die Kommission ihre Empfehlung an die Politik vor: Vorerst für drei Monate sollte die Impfpflicht ausgesetzt werden. An dem Gesetz an sich zu rütteln, davon wird abgeraten. Die grundsätzliche Impfpflicht sei als „probates Mittel“ für eine hohe Durchimpfungsrate weiterhin sinnvoll, „um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden sowie etwaige drastische Maßnahmen (z.B. Lockdown) zur Verhinderung einer solchen“.
Die Regierung hielt sich an die Empfehlungen, Gesundheitsminister Rauch und Verfassungsministerin Mag. Karoline Edtstadler (ÖVP) verkündeten sie einer Pressekonferenz am Mittwoch. Rauch hob „Verfassungsmäßigkeit“ und „wissenschaftliche Evidenz“ hervor, Edtstadler Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, da auch das Virus „sehr beweglich“ sei.
Wogen gingen in Länderkammer hoch
Auch der Bundesrat machte noch am selben Tag den Weg für Änderungen im Zusammenhang mit der Impfpflicht frei. Das Aussetzen dieser ließ die Wogen hochgehen, wie die Parlamentskorrespondenz berichtet. Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien) kritisierte das Aussetzen der Impfpflicht, obwohl die Fallzahlen hoch sind, scharf. Hingegen sprach Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich) von einem „Etappensieg“, da die Freiheitlichen fordern, die in ihren Augen verfassungswidrige Impfpflicht überhaupt ganz zurückzunehmen.
Spanring brachte mit den FP-Bundesräten Christoph Steiner (Tirol), Dr. Johannes Hübner (Wien) und Markus Leinfellner (Steiermark) einen Entschließungsantrag ein, in dem die Bundesregierung zu einem Bericht bis Ende Juni 2022 aufgefordert wird, wie viele Österreicher „durch die COVID-19-Maßnahmenregelungen und ihre gesetzwidrigen Verordnungen sowie verfassungswidrige Gesetze psychisch, physisch sowie auch finanziellen Schaden genommen haben“. Der Antrag wurde jedoch mehrheitlich abgelehnt. Spanring sprach auch von „Steuergeldverschwendung“, da für insgesamt 8 Millionen Österreich insgesamt 57 Millionen Impfdosen angeschafft worden seien.
Rauch: Impfpflicht mit Opposition und Experten erarbeitet
Bundesminister Rauch reagierte mit dem Hinweis darauf, dass das Impfpflichtgesetz mit der Opposition und Experten erarbeitet worden sei, man habe auch eine Evaluierung verankert. Er räumte zwar Fehler ein, berichtet die Parlamentskorrespondenz, bat jedoch, bei der Kritik Maß zu bewahren.
Fehler gestand auch Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich) ein. Aber die Pandemieentwicklung sei nicht vorhersehbar und planbar, daher auch schwer gestaltbar. Hinsichtlich des Aussetzens der Impfpflicht und hoher Fallzahlen sah er keinen Widerspruch, denn das Ganze sichere Flexibilität. Preineder kritisierte die Aussagen Spanrings scharf – unter Hinweis auf die vielen Toten nach einer COVID-19-Erkrankung und appellierte, sich impfen zu lassen.
Ähnlich argumentierte Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich). Die Impfpflicht werde nur temporär ausgesetzt und stelle ein zentrales Instrument der Pandemiebekämpfung dar. Sie erinnerte auch an die Experten, die vor einem massiven Infektionsgeschehen im Herbst warnen. Man dürfe Corona nicht unterschätzen, wie dies Spanring getan habe.
Auch der neue Gesundheitsminister hatte bei der Pressekonferenz appelliert, sich die Impfung zu holen. Im Herbst könne wieder eine neue Variante kommen.
Apothekerkammer: Gesundheitsversorgung gemeinsam weiter optimieren
Als am 4. März klar war, dass Rauch das Ruder im Sozial- und Gesundheitsministerium übernimmt, zählte die Apothekerkammer zu den ersten Gratulanten des neuen Ministers. „Mit Johannes Rauch übernimmt ein sehr erfahrener Politiker in einer schwierigen Zeit diese wichtige Funktion in der Bundesregierung“, betont Dr. Mag. Ulrike Mursch-Edlmayr, Präsidentin der Österreichischen Apothekerkammer, in einer Aussendung. Es brauche „weiterhin eine zukunftsorientierte, effiziente und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen der Apothekerkammer“. Man werde den erfolgreichen Weg fortsetzen und „die Gesundheitsversorgung der österreichischen Bevölkerung gemeinsam weiter optimieren“.
Mursch-Edlmayr bedankte sich im Namen der Apotheker auch „herzlich“ bei Vorgänger Wolfgang Mückstein für die „stets äußerst gute, vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit“ und wünscht ihm alles erdenklich Gute. Rauch wünscht sie viel Energie und Erfolg für seine neue Aufgabe.
Ärztekammer hofft nach drittem Wechsel endlich auf Kontinuität
Auch die Ärztekammer wünscht dem neuen Gesundheitsminister, der als „vielseitiger Polit-Profi“ gelte, viel Erfolg, bringt aber auch gleich Forderungen zum Ausdruck. „Wir hoffen, dass im Gesundheitsministerium jetzt endlich Kontinuität einzieht“, so Dr. Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer, in einer Aussendung. Er hoffe nach dem dritten Wechsel im Gesundheitsministerium in der aktuellen Regierungskoalition auch auf Stabilität. Es müsse „sehr rasch eine vorausschauende Gesundheitspolitik“ her. Dabei gehe es um Investitionen im niedergelassenen wie auch im Spitalsbereich. Außerdem müssten „Fehlentwicklungen wie die drohende Wirkstoffverschreibung“ gestoppt werden. Szekeres dankte Mückstein ebenfalls für seinen Einsatz, dieser habe in einer „zugegeben sehr schwierigen Zeit sein Bestes“ gegeben. Persönlich wünsche er ihm alles Gute für die Zukunft, „insbesondere für seine Rückkehr in seinem Job als Allgemeinmediziner“.