27. Aug. 2019

Apothekerkammer: “Nein” zu ärztlichen Hausapotheken

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Die Diskussion um ärztliche Hausapotheken ist neu entfacht. Die Ärztekammer fordert deren Einführung in die Wiener Arztpraxen. Die Apothekerkammer weist  vehement zurück und sieht das Miteinander der Gesundheitsberufe gefährdet.

„Nur die fachliche Zusammenarbeit von Apotheker- und Ärzteschaft ermöglicht ein derart hohes Niveau in der Gesundheitsversorgung, wie es die Wienerinnen und Wiener derzeit genießen. Mit ihrer Forderung nach ärztlichen Hausapotheken in der Bundeshauptstadt gefährdet die Ärztekammer das Miteinander der Gesundheitsberufe und damit die Versorgung der Menschen mit Arzneimitteln. Die Apothekerkammer Wien weist daher die Forderung der Ärztekammer, dass praktische Ärzte zukünftig auch für die Ausgabe von Medikamenten zuständig sein sollen, mit aller Deutlichkeit zurück“, erklärt Priv.-Doz. Mag. pharm. DDr. Philipp Saiko, Präsident der Apothekerkammer Wien.

Trennung unbedingt notwendig

Dieselben Töne kommen auch von der Österreichischen Apothekerkammer. “Die Trennung zwischen apothekerlicher und ärztlicher Tätigkeit ist ethisch und versorgungstechnisch unbedingt notwendig und stellt internationalen Standard dar. Die Arzneimittelabgabe durch den Arzt kann immer nur eine Notlösung sein und niemals eine öffentliche Apotheke ersetzen“, sagt Mag. pharm. Dr. Gerhard Kobinger, Präsidiumsmitglied der Österreichischen Apothekerkammer. Ärzte sollten für ihre ärztliche Tätigkeit angemessen bezahlt werden. Dass sie auf Zusatzeinkünfte aus einer anderen Tätigkeit angewiesen sein sollen, sei schlicht unwürdig. Immerhin gelinge es anderen Staaten, die landmedizinische Versorgung sicherzustellen, ohne den Arzt zum Apotheker zu machen, so Kobinger weiter. Schließlich solle jede Berufsgruppe das tun, wofür sie ausgebildet sei.
“Im Sinne des Patientenwohls fordern wir die Entkoppelung von Arzneimittelverordnung und wirtschaftlichen Aspekten – Ethik statt Monetik. In Zeiten der Dreiminuten-Medizin ist das qualitätsvolle Führen einer Hausapotheke durch den Arzt unmöglich. Eine sichere Arzneimittelanwendung braucht dringend die Expertise und Beratung durch uns Apotheker. Gerade in Zeiten von Polymedikation sind Maßnahmen wie Medikationsanalyse und Medikationsmanagement die Mittel der Wahl, um den Patienten höchstmögliche Sicherheit zu geben. Das zeigen auch internationale Studien. Die Apotheke ist auf die Rezepte des Arztes angewiesen, sie kann neben einer ärztlichen Hausapotheke nicht bestehen. Der Vorschlag der Ärztekammer würde zu einem massiven Apothekensterben führen.”

„Die Gründe für die Trennung zwischen ärztlicher und apothekerlicher Tätigkeit liegen auf der Hand. Diese Unterscheidung ist notwendig und wichtig, nicht umsonst sind etwa auch Anwalts- und Richterberuf strikt voneinander getrennt“, ergänzt Mag. pharm. Susanne Ergott-Badawi, Vizepräsidentin der Apothekerkammer Wien. „Die Apothekerin bzw. der Apotheker – und nicht der Arzt – ist in fast allen Gesundheitsfragen die erste Ansprechperson für die Bevölkerung. Unsere 328 Wiener Apotheken verzeichnen jeden Tag rund 100.000 derartige Kundenkontakte.“ Die nächstgelegene Apotheke könne untertags von allen Menschen in der Bundeshauptstadt in wenigen Minuten aufgesucht werden, und selbst in der Nacht seien die durchschnittlich 35 dienstbereiten Apotheken für 95 Prozent der Bevölkerung innerhalb von zehn Minuten erreichbar.

24/7-Service von Apotheken

Darüber hinaus bieten die Wiener Apotheken von Montag bis Sonntag ein 24-Stunden-Zustellservice an. Die Zustellung erfolgt innerhalb des Wiener Gemeindegebietes und ist mit zehn Euro pauschaliert. Den darüber hinaus gehenden Anteil an Fahrtspesen übernimmt zur Gänze die Apothekerkammer Wien.

Auch in punkto Öffnungszeiten und Arzneimittelsortiment stellt die Apotheke eine für die Bevölkerung unverzichtbare Einrichtung dar: Eine typische Apotheke hat 54 Stunden pro Woche geöffnet und führt rund 6.000 verschiedene Medikamente.

Apothekerinnen und Apotheker sind hochqualifiziertes akademisches Fachpersonal, das sich ständig weiterbildet. Sie überprüfen im Rahmen der Arzneimittelabgabe alle möglichen Wechsel- und Nebenwirkungen und informieren die Kundinnen und Kunden eingehend darüber.

Keine Argumente für Hausapotheken

„Es gibt kein sachliches Argument dafür, das Medikamentensortiment aus der Apotheke abzuziehen und in die Ordination eines Arztes zu verlegen. Eine ärztliche Hausapotheke macht in entlegenen Regionen des Landes als Notlösung durchaus Sinn, in einer Stadt mit einem derart engmaschigen Apothekennetz wie Wien hingegen ganz bestimmt nicht. Das bestehende System der engen und sehr guten Kooperation zwischen Apothekern und Ärzten, welches auch die Trennung der jeweiligen Tätigkeitsbereiche beinhaltet, hat sich bewährt und sollte unbedingt beibehalten werden. Es wäre gesundheitspolitisch fahrlässig, daran zu rütteln“, warnt Apothekerkammer-Wien-Präsident Saiko. „Daher lehnen wir die Einführung ärztlicher Hausapotheken in Wien entschieden ab.“

Quelle: APAMED (27.08.2019)