Abbau des Rezepte-Kilimandscharo

Das e-Rezept soll ab kommendem Jahr schrittweise das Papierrezept ablösen. Ausnahmen bleiben Verschreibungen zur Substitutionstherapie.

Der Kilimandscharo, das höchste Bergmassiv Afrikas, erreicht eine Höhe von 5.895 Metern. Würde man die rund 60 Millionen Arzneimittelverordnungen, die jährlich in Österreich ausgestellt werden, übereinanderstapeln, so würde der entstehende Papierberg ähnliche Ausmaße annehmen. Doch damit soll nun Schluss sein. Der Hauptverband, die Österreichische Apothekerkammer und die Österreichische Ärztekammer haben sich auf die Einführung des elektronischen Rezeptes ab dem kommenden Jahr geeinigt. „Das e-Rezept ist der nächste logische Schritt in unserer Digitalisierungsoffensive“, bekräftigt Dr. Alexander Biach, Vorsitzender des Verbandsvorstands der österreichischen Sozialversicherungsträger: „Damit wollen wir die Höhe des Rezepte-Kilimandscharo deutlich reduzieren.“
Mit dem e-Rezept – einer Anwendung im E-Card-System – soll künftig die bislang papiergebundene Ausstellung, Einlösung und Abrechnung von Kassenrezepten weitgehend durch elektronische Abläufe ersetzt werden. Außerdem werden die eingehobenen Rezeptgebühren tagesaktuell dem Rezeptgebühren-Konto (REGO) der Versicherten angerechnet. „Damit kann künftig die Befreiung von der
Rezeptgebühr bereits unmittelbar bei Erreichen der Rezeptgebühren-
Obergrenze berücksichtigt werden“, wie DI Volker Schörghofer, für IT zuständiger Generaldirektor-Stellvertreter im Hauptverband, erläutert.

Wie funktioniert es?

So funktioniert das e-Rezept: Der Arzt erstellt das e-Rezept auf seinem Computer, das elektronische Rezept ist damit im E-Card-System gespeichert. Auf Wunsch erhalten die Patienten das Rezept mitsamt einem QR-Code elektronisch auf ihr Handy oder auf Papier ausgedruckt. In der Apotheke wird dieser Code gescannt oder die E-Card des Patienten gesteckt und somit das e-Rezept aus dem E-Card-System abgerufen. Danach speichert der Apotheker die Einlösung des Rezeptes im E-Card-System und rechnet die e-Rezepte elektronisch mit der Sozialversicherung ab. Ausgenommen davon sind lediglich Arzneimittel zur Substitutionstherapie.

Zahlreiche Vorteile

Die Patienten können über das Portal der Sozialversicherung www.meinesv.at bzw. über eine App ihre e-Rezepte elektronisch abrufen und haben damit eine komplette Übersicht über ihre noch nicht eingelösten e-Rezepte. Der große Vorteil für sie: Die Einlösung eines e-Rezeptes in der Apotheke ist künftig auch ohne Papierrezept möglich. Wenn zum Beispiel ein Papierbeleg verloren geht oder nicht mehr lesbar ist, kann das e-Rezept durch Stecken der E-Card in der Apotheke abgerufen werden. Auch können Ärzte ihren Patienten ein Rezept – etwa für eine Dauermedikation – ausstellen, ohne dass diese in die Ordination kommen müssen; sie schicken das e-Rezept einfach an das Mobiltelefon des Patienten.
Die Vorteile für die Apotheker: Die Daten für die Erfassung der Abgabe und für die Abrechnung sind elektronisch verfügbar. Die Anzahl der zu lagernden Rezeptbelege wird mit dem e-Rezept deutlich reduziert. „Das e-Rezept ist auch ein probates Mittel, um Rezeptfälschungen hintanzuhalten“, betont Mag. Christian Wurstbauer, Vizepräsident der Österreichischen Apothekerkammer. Ein e-Rezept kann nicht kopiert und damit mehrmals eingelöst werden. Es kann auch nicht manipuliert werden, beispielsweise betreffend das Ausstellungsdatum oder die Verordnungsdaten. Und die Arztunterschrift wird durch die elektronische Signatur des verschreibenden Arztes ersetzt.

Effiziente Versorgung

„Das e-Rezept wird dazu beitragen, sämtliche Abläufe rund um die Versorgung der Bevölkerung mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln einfacher und effizienter zu gestalten“, unterstreicht Wurstbauer: „Das e-Rezept ist ein weiterer wichtiger Schritt im Rahmen der Digitalisierung von Prozessen innerhalb des Gesundheitssystems. Die österreichischen Apotheken gestalten diesen Modernisierungsschritt gerne mit und investieren in die notwendige technische Ausstattung. Gleichzeitig erwarten sich die Apotheker, dass die durch Effizienzsteigerung lukrierten finanziellen Mittel für die Patienten eingesetzt werden, um Beratungsdienstleistungen für Arzneimittel-Sicherheit und Behandlungsqualität in den Apotheken zu finanzieren.“
Der Hauptverband macht rund drei Millionen Euro für Anschub­finanzierung, Vergütung und Wartung locker. Im Gegenzug erwartet er sich jährliche Einsparungen von zwei bis 2,4 Millionen Euro allein an direkten Kosten. Die Einführung des e-Rezeptes startet ab April 2020 im Rahmen einer Pilotphase in zwei Bezirken in Kärnten, laut Biach voraussichtlich in St. Veit und Wolfsberg. Dann erfolgt das schrittweise Rollout in weiteren Regionen. Die flächendeckende Einführung in ganz Österreich soll bis 31. Mai 2022 abgeschlossen sein. Vorbild ist die Einführung der e-Medikation, die ebenfalls mit einem Pilotprojekt begann und etappenweise verläuft. „Nach den guten Erfahrungen mit der e-Medikation ist eine schnelle und reibungslose Umsetzung zu erwarten“, ist Dr. Dietmar Bayer, Referent für Telemedizin und medizinische Informatik der Österreichischen Ärztekammer, überzeugt.