Aufklärung dringend benötigt
Beim Thema generische Arzneimittel herrscht in Österreich nach wie vor Aufklärungsbedarf. Nicht nur bei den Patienten, auch bei manchen Ärzten sitzt das Misstrauen tief.
„Was mich erstaunt, ist die Tatsache, dass man überhaupt noch erklären muss, was ein Generikum ist“, eröffnete DI Dr. Christa Wirthumer-Hoche die vom Österreichischen Generikaverband organisierte speaker’s lounge, „und dass das nicht bei allen Patienten, Ärzten und Apothekern bekannt ist.“ So wissen z.B. viele nicht, wie die Qualität, die Wirksamkeit und die Sicherheit von Generika geprüft wird. Ein Generikum ist eine wirkstoffgleiche Kopie eines Originalproduktes, d.h. Art und Menge des Wirkstoffes sind ident, die Darreichungsform gleich und die Äquivalenz gegeben.
Die Leiterin der AGES Medizinmarktaufsicht/BASG betonte, dass eine Generikazulassung aufgrund eines Originalproduktes erfolge, für das es ein Volldossier gibt. Das Generikum darf auf die Zulassung des Originalproduktes Bezug nehmen, muss dafür aber Äquivalenz nachweisen, z.B. dass die Bioverfügbarkeit im menschlichen Körper gleich dem des Originators ist. Außerdem muss für die Zulassung eines Generikums ein komplett eigenständiges Qualitätsdossier vorgelegt werden.
Äquivalenz gegeben
Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Markus Zeitlinger betonte, dass bei Bioäquivalenzstudien der Unterschied zwischen Generikum und Originalprodukt „im Mittel nur ein Prozent“ beträgt. So handelt es sich bei der vielfach zitierten Abweichung von 80 bis 125 Prozent lediglich um einen statistischen Wert. Zeitlinger: „Es gibt diesen Unterschied nicht. Ich brauche nur statistische Mittel, um die Abwesenheit dieses Unterschiedes zu beweisen.“ Zu glauben, dass Generika schlechter wirken als Originalpräparate, sei so, als würde man glauben, ein Kleidungsstück sei weniger schön, nur weil man es im Sommerschlussverkauf gekauft hat.
Beratung entscheidend
Die Patienten hätten bei einer Generikaverordnung oft den Verdacht „Jetzt wird mir der Billigsdorfer
zugemutet“, berichtete die Wiener Patientenanwältin Dr. Sigrid Pilz. Das sei besonders dann der Fall, wenn im Spital etwas verordnet wird und der niedergelassene Arzt dann etwas anderes verordnet. Die Beschwerden lauten dann, dass das Präparat nicht so gut wirkt, man es nicht so gut verträgt, und besonders schlimm sei es, wenn der Arzt auch noch erwähnen würde, er müsse das wegen der Krankenkasse machen. Pilz: „Da kommt sehr viel an defensiver Haltung gegenüber diesen Medikamenten heraus.“
Die Patientenanwältin sprach sich daher dafür aus, nicht ein bestimmtes Medikament, sondern einen Wirkstoff zu verordnen, damit die Patienten nicht das Gefühl hätten, ihnen würde etwas vorenthalten. Wichtig wäre außerdem, wenn die Ärzte den Patienten die Botschaft mitgeben würden, „das Medikament, das ich Ihnen da verordne, das ist nicht die Holzklassenvariante, das ist ein gutes Medikament, es heißt nur anders“. Auch die Fehlerquellen beim Wechsel auf ein Generikum seien nicht zu unterschätzen. So würden sich vor allem alte Menschen bei einem Wechsel auf ein neues Präparat sehr schwertun.
Während am Podium Einigkeit herrschte, dass Patienten umfangreich aufgeklärt werden müssen, war man sich bei der entsprechenden Beratungskompetenz der Ärzte uneinig. „Dass die Ärzte hier entsprechend geschult sind und glauben (dass Generika gleich wirken wie Originalpräparate, Anm.), dem möchte ich vehement widersprechen“, so Zeitlinger. „Ich glaube, dass in der Ärzteschaft bei vielen Kollegen der Zweifel tief sitzt, manche haben nur resigniert und akzeptiert, dass sie Generika verschreiben müssen. Ich glaube, dass es auf allen gesellschaftlichen Ebenen Aufklärung braucht.“
Fokus auf Kommunikation
„Wir müssen die Verordner sowohl im niedergelassenen als auch im Spitalsbereich ansprechen und schauen, dass wir miteinander kommunizieren“, brachte Mag. Franz Kiesl, MPM, das Rezept der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse auf den Punkt. So gibt es z.B. seit Jahren den Arzneidialog mit der Oberösterreichischen Ärztekammer, wo gemeinsam diskutiert wird, wie man die Kosten dämpfen kann, ohne an Qualität zu verlieren. Seit zwei Jahren findet auch ein enger Austausch mit den Krankenhäusern statt, im Rahmen dessen z.B. eine Vereinbarung geschlossen wurde, dass bei den Medikamentenverschreibungen seitens der Spitäler neben dem Namen des Arzneimittels in Klammer auch der Wirkstoffname anzugeben ist und dass ganz prominent anzuführen ist, dass der Arzt im niedergelassenen Bereich ein Medikament mit dem gleichen Wirkstoff verordnen kann.
In den Gesamtvertrag wurde einerseits ein Passus aufgenommen, der Ärzte dazu verpflichtet, bei der Ersteinstellung ein Generikum zu verordnen (Ausnahme: medizinische Notwendigkeit, das Original zu verordnen), andererseits erhalten Ärzte bei einer Umstellung auf ein Generikum ein Honorar für die damit verbundene Beratungsleistung. Die ersten Erfolge zeichnen sich bereits ab. „Wir haben den Anteil der Generikaverordnungen am generikafähigen Markt gemessen, und da liegt Oberösterreich an der Spitze mit 62,5 Prozent, während der Durchschnitt der Krankenkassen bei 55 Prozent liegt.“
Mehr Innovationen
Generikaverbandspräsident Dr. Wolfgang Andiel betonte, dass Generika keinesfalls Innovationskiller sind: „Mehr Generika bedeutet zwar, dass weniger Gewinn mit patentabgelaufenen Präparaten erzielt wird. Das heißt aber nicht, dass deshalb weniger Geld in die Forschung gesteckt wird.
Das Gegenteil ist der Fall: Insbesondere in Ländern mit hohem Generikaanteil wird besonders intensiv geforscht.“ Generika tragen auch zur Finanzierbarkeit unseres Gesundheitssystems bei. „Eine ökonomische Verschreibweise ist wichtig für die Finanzierbarkeit unseres Gesundheitssystems: Denn Generika schaffen Freiräume für die Therapieentscheidung des Arztes, sie sichern den Zugang von Patienten zu moderner Medizin und sie helfen den Krankenkassen und damit auch der Gesellschaft, unser Gesundheitssystem auch weiterhin zu finanzieren,“ so Andiel.