1. Juli 2024Evidenz in der Allgemeinmedizin

Häusliche Versorgung statt Spital?

Ein Cochrane-Review stimmt zuversichtlich: Spezielle Programme zur Versorgung von Akutpatientinnen und -patienten im eigenen Zuhause sind wohl ähnlich wirksam wie stationäre Krankenhausaufenthalte, reduzieren wahrscheinlich Kosten und vermindern wohl das Risiko eines späteren Heimaufenthalts.

Ältere Frau mit ihrer schwarzen Katze
thodonal/AdobeStock
Professionelle ­Akutversorgung geht auch zu Hause.

In speziellen Programmen („Hospital at Home“) werden Patientinnen und Patienten mit akutem Versorgungsbedarf nicht im Spital, sondern zu Hause betreut – und zwar durch Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Gesundheitsberufe, etwa mobile Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegepersonal. Ohne diese professionelle und multidisziplinäre Akutversorgung zu Hause müssten die Patientinnen und Patienten stationär aufgenommen werden. Ein im März 2024 erschienener Cochrane-Review hat untersucht, wie sich die zeitlich begrenzte Behandlung daheim auswirkt: Ist ein schlechterer Gesundheitszustand zu befürchten, eine höhere Sterblichkeit? Wie verändern sich die Kosten?

20 Studien mit 3.100 Teilnehmenden analysiert

Um den aktuellen Stand des (publizierten) Wissens zusammenzufassen, hat das Autorinnen- und Autoren-Team um die Medizinstatistikerin Kate Edgar (London School of Hygiene and Tropical Medicine) im Februar 2022 6 Datenbanken nach Studien durchsucht und Wissenschafterinnen und Wissenschafter mit Expertise in diesem Bereich der Versorgungsforschung kontaktiert. Zur Aufnahme in diese systematische Übersichtsarbeit waren nur randomisiert-kontrollierte Studien mit Patientinnen und Patienten von mindestens 18 Jahren zugelassen.

Herangezogen für seine Schlussfolgerungen hat das Cochrane-Team letztlich 20 Studien mit insgesamt 3.100 zumeist älteren Teilnehmenden (über 65 Jahre), etwa aus Großbritannien, Australien und den USA. Diese hatten beispielsweise COPD (4 Studien) oder erholten sich von einem Schlaganfall (2 Studien). Alle Studienteilnehmenden waren stabil und benötigten keine Notfallbehandlung.

Der Zufall bestimmte, welche Versorgung sie bekamen: Ein Teil der Patientinnen und Patienten wurde daheim behandelt (Interventionsgruppe), der andere Teil war auf einer Station im Krankenhaus (Kontrollgruppe). Die Studien hatten allgemein eine gute Qualität, etwa ein geringes Verzerrungsrisiko; und so sind viele der abgeleiteten Aussage ziemlich gut abgesichert.

Positives Resümee für häusliche Programme

Hier einige Auszüge der Ergebnisse: Die aktuelle Studienlage spricht dafür, dass die Behandlung zu Hause zumindest keine Nachteile haben dürfte – demnach ist innerhalb von 6 Monaten das Sterberisiko von älteren Menschen wahrscheinlich nicht erhöht. Bei ihnen gibt es vermutlich auch kein erhöhtes Risiko einer Spitalseinweisung innerhalb von 3–12 Monaten. Die Einschätzung des eigenen Gesundheitsstatus, so legt die Auswertung nahe, ist in beiden Gruppen ähnlich.

Und es deuten sich sogar Vorteile der Behandlung in den eigenen 4 Wänden an, zum Beispiel: Die Patientinnen- und Patientengruppe mit Akutbehandlung daheim lebt wahrscheinlich nach 6 Monaten seltener in einer Pflegeeinrichtung und dürfte mit der Betreuung zufriedener sein als die Personen aus der Spitals-Vergleichsgruppe. Erfreulicherweise geht die akute Betreuung in einem häuslichen Versorgungsprogramm offenbar auch mit einer Reduktion der Gesundheitssystemausgaben einher, und die gesamtgesellschaftlichen Kosten sind möglicherweise geringer. Wie sich die beiden Szenarien auf die pflegenden An- und Zugehörigen auswirken, ist unklar, da entsprechende Daten fehlen.

Insgesamt resümiert das Cochrane-Team, dass die Behandlung zu Hause für bestimmte Akutpatientinnen und -patienten eine gute Alternative sein kann, auch wenn es bereits eine Spitalüberweisung gibt: Häusliche Programme zeigen laut aktueller Studienlage für die untersuchten Endpunkte keine deutlichen Nachteile und dürften sogar einige Vorteile bieten. Diese Aussage gilt für ältere Patientinnen und Patienten, mit der Option, im Bedarfsfall dennoch ein Spital aufzusuchen.

Den vollständigen Cochrane-Review sowie alle Effektschätzer finden Sie hier: Edgar K et al., Admission avoidance hospital at home. Cochrane Database of Systematic Reviews 2024, Issue 3. Art. No.: CD007491.

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Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune