24. Jän. 2024Österreichischer Impftag 2024

Update Reiseimpfungen: Dengue und Chikungunya

Zu den wichtigen Neuerungen in der Reisemedizin zählen 2 Impfungen gegen Arbovirosen (Viruserkrankungen, die durch blutsaugende Insekten übertragen werden). Einerseits der in der EU bereits zugelassene attenuierte Lebendimpfstoff gegen Dengue-Infektionen, andererseits die sich noch in der Zulassungsphase befindende Impfung gegen Chikungunya. Allgemeine Impfempfehlungen vor Reisen in Endemiegebiete mit erhöhtem Expositionsrisiko gibt es für beide Erkrankungen aber nicht.

Foto des Österreichischen Impfpasses.
Foto: Loocid GmbH/AdobeStock

Für Univ.-Prof. Dr. Christoph Hatz, Schweizerisches Tropen- und Public Health-Institut, Basel, sind reisemedizinische Beratungen immer eine gute Gelegenheit, zunächst einmal den Grundimpfschutz zu überprüfen und zu komplettieren: „Wenn Sie Reisende mit Impflücken darauf hinweisen, dass es im Reisezielland möglicherweise Probleme mit Masern gibt, können Sie die Personen meist viel besser zu einer Impfung motivieren, als wenn Sie nur auf die Empfehlungen des Impfplans hinweisen.“ Ein Grund, eine reisemedizinische Beratung in Anspruch zu nehmen, sind aktuell für viele Fernreisende die neuen Impfungen gegen Dengue und Chikungunya, von denen in den Medien zu lesen und zu hören ist.

Dengue besonders in Südostasien und Lateinamerika verbreitet

Weltweit gibt es pro Jahr etwa 100 Millionen Fälle von Dengue-Fieber, einer durch Mückenstiche übertragene Infektion mit dem Dengue-Virus, von dem 4 verschiedene Serotypen existieren. Die am meisten betroffenen Regionen sind Südostasien und Lateinamerika. „Wahrscheinlich ist Dengue auch in Afrika weit verbreitet, hier sind aber nur wenige verlässliche Daten vorhanden“, berichtet der Schweizer Reise- und Tropenmediziner. In Europa gab es in den letzten Jahren einige importierte autochthone Fälle, die meisten davon in Südfrankreich. Mit dem Klimawandel steigt die Gefahr der Übertragung auch hierzulande an. Sowohl in Wien als auch in Graz gibt es mittlerweile etablierte Populationen der Asiatischen Tigermücke, einem guten Vektor für Dengue und einem hervorragenden Vektor für Chikungunya. Nachgewiesen ist Aedes albopictus bereits in allen Bundesländern.

80% der Dengue-Infektionen verlaufen symptomlos, auch in den übrigen Fällen sind die Symptome in der Regel nur leicht bis mittelschwer. Schwere Verläufe wie das Dengue-Hämorrhagische Fieber (DHF) oder das Dengue-Schock-Syndrom (DSS) und Todesfälle sind fast immer auf Zweitinfektionen mit anderen Serotypen zurückzuführen. Grund dafür ist das Phänomen des ADE (antibody-dependent enhancement): Die bei der ersten Infektion gebildeten Antikörper binden sich bei der Zweitinfektion mit einem anderen Serotyp an die Oberfläche der Viren, neutralisieren diese jedoch nicht, sondern fördern sogar die Aufnahme der Viren in die Zelle und verstärken dadurch die Infektion.

Dengue-Impfstoffe sind eine Herausforderung

Eine der Herausforderungen bei der Entwicklung von Dengue-Impfstoffen ist, dass die Impfung von seronegativen Personen wie eine Erstinfektion wirken kann und bei einer Zweitinfektion mit einem Wildvirus, gegen das die Impfung nicht vollständig schützt, schwere Krankheitsverläufe nicht ausgeschlossen werden können. Daher wird allgemein empfohlen, nur nach überstandener Erstinfektion gegen Dengue zu impfen. Die WHO empfiehlt die Impfung derzeit praktisch ausschließlich für Kinder in endemischen Ländern, in denen man davon ausgehen kann, dass die meisten zwischen 6 und 16 Jahren bereits eine Dengue-Infektion durchgemacht haben und daher das Risiko eines ADE nach der Impfung gering ist. Für Erwachsene (und damit für die Reisemedizin) gibt es deutlich weniger Daten.

Beim ersten in der EU zugelassenen Dengue-Impfstoff Dengvaxia® handelte es sich um eine Lebendimpfung gegen alle 4 Serotypen, die zu einer Protektion von ca. 20% bei nichtimmunen Personen und ca. 60% nach einer Dengue-Episode führte. Nachdem einige ADE-Fälle aufgetreten waren, warnte der Hersteller selbst davor, Patientinnen und Patienten zu impfen, wenn sie sich nicht zuvor bereits mit dem Dengue-Virus infiziert hatten. Dengvaxia® war und ist in Österreich nicht verfügbar.

Der einzige Dengue-Impfstoff, der in Österreich derzeit erhältlich ist, heißt Qdenga® und ist eine tetravalente Lebendimpfung. Qdenga® ist zugelassen ab einem Alter von 4 Jahren und zeigte in der Gesamtpopulation nach 12 Monaten eine protektive Effektivität von 80,2% (bei Seronegativen 74,9%). Eine Schwachstelle des Impfstoffs ist, dass es bei Nichtimmunen keinen bewiesenen Schutz gegen Dengue 3 und 4 und insgesamt wenig Daten zu Erwachsenen gibt. Laut Zulassung sollten 2 Impfdosen im Abstand von 3 Monaten verabreicht werden. Es gibt aber Studiendaten, die darauf hinweisen, dass der Antikörper-Level möglicherweise bereits nach einer Impfung so hoch ist, dass eine Protektion zu erwarten ist. „Ein immunologisches Enhancement ist bei Qdenga® unwahrscheinlich, kann aber nicht ausgeschlossen werden“, erklärt Hatz. „Wenn wir Touristinnen und Touristen impfen, kann es ja sein, dass sie erst in 10 Jahren wieder exponiert werden.“

Keine allgemeine Impfempfehlung für Reisende

„Zum jetzigen Zeitpunkt kann keine allgemeine Impfempfehlung gegen Dengue-Fieber vor Reisen in Endemiegebiete gegeben werden, da die Datenlage bei Reisenden und Touristen derzeit noch limitiert ist“, heißt es im Österreichischen Impfplan 2023/24. Personen, die eine gesicherte Dengue-Virus-Infektion durchgemacht haben, kann vor Reisen in ein Hochrisikogebiet aber eine Impfung angeboten werden, um das Risiko einer eventuell schwerer verlaufenden Zweitinfektion zu reduzieren. Eine generelle Bestimmung von Antikörpern bei Impfkandidaten hält Hatz aber nicht für notwendig. Ihm reicht eine bestätigte Diagnose oder eine glaubwürdige Dengue-Anamnese. „Wir überlegen bei diesen Personen dann eine Impfung, wenn sie sich sehr lange oder wiederholt in Risikogebieten aufhalten“, erläutert er die Vorgangsweise der Schweizer Reisemediziner. „Einmalreisenden, die 2 Monate in Asien unterwegs sind, würde ich die Impfung nicht empfehlen.“ Aufgrund der ADE-Problematik und möglicher rechtlicher Folgen ist es wichtig, Personen, die gegen Dengue-Fieber geimpft werden, mündlich und schriftlich über die Vorteile, aber auch Risiken der Impfung entsprechend zu informieren.

Chikungunya – beschleunigtes Zulassungsverfahren für Lebendimpfstoff

Mit Südostasien und Lateinamerika als am meisten betroffene Regionen zeigt Chikungunya, eine ebenfalls durch Stechmücken übertragene Viruserkrankung, eine ähnliche geographische Verbreitung wie Dengue. Die Fallzahlen sind jedoch deutlich geringer: 2023 gab es weltweit rund 500.000 Erkrankungen und 360 Todesfälle. Vereinzelt kam es in den letzten Jahren auch zu autochthonen Übertragungen in Italien, Spanien und Frankreich. Große Chikungunya-Epidemien können explosionsartig ausbrechen (La Réunion, Paraguay). In den meisten Fällen ist der Krankheitsverlauf gutartig. An die Diagnose Chikungunya sollte man denken, wenn Patientinnen und Patienten aus einem Risikogebiet kommen und neben allgemeinen Virussymptomen (Fieber, Kopfschmerzen, Gliederschmerzen und allgemeines Schwächegefühl) über starke Gelenkschmerzen klagen. Im akuten Stadium können alle Gelenke betroffen sein, im chronischen Stadium, das über Monate andauern kann, sind es vor allem die kleinen Gelenke.

Seit dem Vorjahr gibt es einen attenuierten Lebendimpfstoff, der in den USA im letzten November zugelassen wurde. Der Zulassungsantrag bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) wurde eingereicht und wird derzeit in einem beschleunigten Zulassungsverfahren wegen des großen Interesses für die öffentliche Gesundheit geprüft. Ein Vorteil des Impfstoffs für Reisende ist, dass eine einmalige Immunisierung eine starke und mindestens 180 Tage andauernde Impfantwort mit einer Seroprotektion von 98,9% induziert. Protektive neutralisierende Antikörper sind bereits 28 Tage nach der Impfung nachzuweisen. Der im Vergleich zur Dengue-Impfung raschere Schutz erleichtert die Reiseplanung. „Es scheint sich um eine recht gute Impfung zu handeln“, so die erste Einschätzung des Experten. „Angesichts der nicht sehr hohen Fallzahlen von Chikungunya wird sich in Zukunft allerdings die Frage stellen, ob wirklich jeder Reisende in Risikogebiete zukünftig eine Chikungunya-Impfung braucht.“

„Neues zu Reiseimpfungen“, Österreichischer Impftag 2024, Wien, 20.01.2024