Influenza versus RSV
Eine Gemeinsamkeit von Influenza und RSV-Infektionen sind epidemische Wellen, die alljährlich in der kalten Jahreszeit auftreten. In beiden Fällen sind die Erreger RNA-Viren, die respiratorisch übertragbar sind. Trotz mancher Ähnlichkeiten in der Pathogenese und im Krankheitsverlauf gibt es zwischen den beiden Infektionserkrankungen aber einige grundlegende Unterschiede.
Typisch für RNA-Viren ist eine große genetische Variabilität. Das trifft auch auf die Influenzaviren und Respiratorischen Synzytial-Viren (RSV) zu. Die genetische Information ist bei den Influenzaviren in 8 RNA-Molekülen enthalten, bei RSV in einem RNA-Strang. Unter den Influenzaviren gibt es 3 humanpathogene Spezies: Bei Influenza A sind vor allem die Subtypen H1N1 und H3N2 für den Menschen von Bedeutung, bei Influenza B die Victoria-Linie und die Yamagata-Linie. Vom Influenza-C-Virus, das nur zu milden Krankheitsverläufen führt, sind 6 genetische Linien bekannt. Ähnlich vielfältig sind die beiden RSV-Subtypen RSV A (14 Genotypen) und RSV B (24 Genotypen). Bei allen Subtypen, Genotypen und Linien gibt es wiederum eine Reihe von unterschiedlichen Stämmen, die einer antigenen Drift unterliegen, sich also ständig ändern.
Gemeinsam ist den Influenza- und RS-Viren die Immunogenität von Oberflächenproteinen, mit denen die Viren an den Wirtszellen andocken. Das heißt, diese Proteine sind auch die Angriffspunkte für unser Immunsystem. Dass die beiden respiratorischen Viren durch Tröpfcheninfektion beim Husten und Niesen übertragen werden, ist nur ein Teil der Wahrheit: „Fast 50% aller Übertragungen von Influenza und RSV erfolgen durch Schmierinfektionen“, betont Priv.-Doz. Dr. Monika Redlberger-Fritz, Zentrum für Virologie, Medizinische Universität Wien.
Reisendes vs. stationäres Virus
Obwohl es bei beiden Viren zu einer epidemischen Ausbreitung während der kalten Jahreszeit kommt, gibt es deutliche Unterschiede in der Art der Verbreitung: Influenzaviren zirkulieren in den Subtropen das ganze Jahr über auf einem sehr niedrigem Niveau (eventuell leichte epidemische Aktivität während der Regenzeit), werden mit Reisenden in der kalten Jahreszeit in temperierten Regionen eingeschleppt und breiten sich dann in Form einer Grippewelle aus. Dieses Wandern der Epidemie fehlt beim RSV, das als stationäres Virus in bestimmten Personengruppen mit geschwächten Abwehrkräften oder Erkrankungen persistiert und sich dann alljährlich in der kalten Jahreszeit wieder in breiteren Bevölkerungsschichten ausbreitet.
Betroffene Altersgruppen
Es wird geschätzt, dass es jedes Jahr weltweit etwa 650.000 und in Österreich rund 1.300 Influenza-assoziierte Todesfälle gibt. Bei RSV ist die Datenlage weniger gut, da RS-Viren jahrzehntelang massiv unterschätzt und ältere Menschen kaum auf eine Infektion getestet wurden. Das Bewusstsein, dass RSV-Infektionen nicht nur ein pädiatrisches Problem sind, sondern auch für alte Menschen bedrohlich sein können, hat erst in den letzten Jahren zugenommen.
Ob eine Grippe oder eine RSV-Infektion gefährlicher ist, lässt sich nicht so einfach beantworten. „Einerseits hängt das davon ab, welche Altersgruppe wir betrachten, andererseits auch davon, wie pathogen die zirkulierende Virusvariante ist“, erklärt Redlberger-Fritz. Ganz allgemein kann man sagen, dass bei unter Einjährigen RSV zu mehr Hospitalisierungen führt und mit einer höheren Mortalitätsrate assoziiert ist. Bei älteren Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind RSV-Infektionen weniger problematisch. In diesen Altersgruppen ist die Influenzamortalität (insbesondere in Jahren mit starker Influenzaaktivität) höher. Bei alten Menschen sind RSV-Infektionen in der kalten Jahreszeit alljährlich eine häufige Ursache für Hospitalisierungen und Sterblichkeit. Die entsprechenden Vergleichszahlen für Influenza schwanken stärker: In Jahren mit einer starken Influenzawelle sind die Hospitalisierungs- und Mortalitätsraten für Menschen über 65 höher als bei RSV-Infektionen, in anderen Jahren liegen sie darunter.
Impfung
Die Oberflächenproteine sind nicht nur die Angriffspunkte für das Immunsystem, sondern auch für die Impfung. Grippe-Impfstoffe enthalten Antigene der Virusoberflächenproteine Hämagglutinin und Neuraminidase, die jedoch den Nachteil haben, dass sie einer starken antigenen Drift unterliegen. Daher müssen die Influenza-Impfstoffe auch jedes Jahr angepasst werden. Im Gegensatz dazu enthalten die RSV-Impfstoffe gentechnisch veränderte Versionen des Fusionsproteins, mit dem das Virus an der Zelle andockt. Da das F-Protein ein sehr stabiles Protein ist, führt die RSV-Impfung zu einer Kreuzprotektion zwischen RSV-A und RSV-B und muss nicht jährlich angepasst werden.
In Österreich zugelassene und erhältliche Impfstoffarten gegen Influenza und RSV |
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Influenza |
RSV |
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Passive Immunisierung |
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Aktive Immunisierung |
Lebendimpfung
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Lebendimpfung
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Totimpfung
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Totimpfung
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Bei den Totimpfstoffen unterscheidet man zwischen Spaltimpfstoffen (die ganzen Viren werden in größere Bruchstücke gespalten und dann verimpft) und Subunit-Impfstoffen (hier wird nur mit den Oberflächenproteinen geimpft).
Welche Impfung für wen?
Bei der Influenza gibt es keine passive Immunisierung. Für Kinder wird die kostenfreie aktive Immunisierung ab dem vollendeten 6. Lebensmonat empfohlen. Bis zum Alter von 2 Jahren wird ausschließlich mit den Spalt- oder Subunit-Impfstoffen geimpft, ab dem vollendeten 24. Lebensmonat bis zum vollendeten 18. Lebensjahr steht als Alternative eine intranasale Lebendvakzine zur Verfügung. Der Vorteil dieses nasalen Lebendimpfstoffes ist, dass bei Erstimpfung ein besseres immunologisches Priming erfolgt als durch den inaktivierten Impfstoff. Bei Erwachsenen werden für die Influenza-Impfung Spalt- und Subunit-Impfstoffe verwendet. Für Personen über 60 Jahren und Patienten mit einer Immunsuppression oder schweren Grunderkrankung gibt es Hochdosis-Impfstoffe mit einer vierfach höheren Antigendosis oder adjuvantierte Impfstoffe. „Daten zur vaccine effectiveness zeigen, dass die hochdosierten Impfstoffe eine 60% höhere Schutzwirkung vor Influenza haben und auch die adjuvantierten Impfstoffe vulnerable Personengruppen besser schützen“, berichtet Redlberger-Fritz. Aufgrund der antigenen Drift sind bei Influenza jährliche Impfungen erforderlich.
Zum Schutz vor RSV-Infektionen besteht im frühen Kindesalter nur die Möglichkeit einer passiven Immunisierung. Einen zugelassenen RSV-Impfstoff für eine aktive Immunisierung von Kindern gibt es ebensowenig wie einen Lebendimpfstoff. Für Erwachsene existiert bis zum Alter von 60 Jahren keine Empfehlung für eine RSV-Impfung. Derzeit sind 2 Impfstoffe verfügbar (ein adjuvantierter und ein bivalenter Subunit-Impfstoff), die erst ab dem vollendeten 60. Lebensjahr sowie bei Personen mit Immunsuppression oder schwerer Grunderkrankung zugelassen sind. Das Adjuvans spielt bei der Impfung der Zielgruppen eine wichtige Rolle: Es stimuliert die zelluläre Immunantwort und bewirkt, dass die infolge der Immunoseneszenz verringerte T-Zell-Aktivität von älteren Erwachsenen wieder auf das Niveau von Jüngeren ansteigt. „Derzeit ist eine Wirksamkeit der RSV-Impfung über 2 Saisonen nachgewiesen“, so die Virologin. „Ob der Schutz noch länger anhält, werden wir erst im Laufe der nächsten Jahre sehen, wenn neue Daten vorliegen.“
Redlberger-Fritz M. „Influenza versus RSV“, Österreichischer Impftag 2024, Wien, 20.01.2024