Herzgesundheit: Prävention statt Reparatur
Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind in hohem Maße vermeidbar – und dennoch bleiben sie Todesursache Nummer eins. Österreich liegt bei Übergewicht, Tabak- und Alkoholkonsum über dem EU-Durchschnitt. Fachleute mahnen, die Herzgesundheit nicht dem „Reparaturmodus“ der Medizin zu überlassen, sondern stärker auf Prävention und individualisierte Maßnahmen zu setzen.

Trotz des hohen Wissenstands in der Kardiologie bleibt Prävention im klinischen Alltag oft nachrangig. Laut der Kardiologin Prim. Dr. Diana Haoula verlassen sich viele Menschen noch immer zu sehr auf den reparativen Ansatz der Medizin, anstatt präventiv vorzusorgen.
Bewegung, ausgewogene Ernährung und Rauchfreiheit zählen zu den wirksamsten kardiovaskulären Schutzfaktoren. Dennoch gelingt die nachhaltige Verhaltensänderung in der Praxis selten ohne strukturelle und psychologische Unterstützung.
Österreich im europäischen Vergleich
Wie groß der Handlungsbedarf ist, zeigt der Gesundheitsbericht 2022: Österreich liegt bei mehreren kardiovaskulären Risikofaktoren über dem EU-Durchschnitt:
- Der Anteil übergewichtiger und adipöser Personen ist hoch.
- Auch Tabak- und Alkoholkonsum liegen, besonders bei Frauen, über dem europäischen Mittelwert.
- Obst und Gemüse werden seltener täglich konsumiert als in anderen Ländern.
Nur bei der körperlichen Aktivität erreicht Österreich den EU-Durchschnitt. Insgesamt verdeutlicht das Bild, dass Prävention und Gesundheitskompetenz hierzulande stärker gefördert werden müssen.
Lebensstil bleibt das A und O
Bei der Primärprävention zählen nicht nur individuelles Verhalten, sondern auch gesellschaftliche Rahmenbedingungen, die gesunde Entscheidungen begünstigen. Dazu gehören evidenzbasierte Public-Health-Maßnahmen wie Steuern, Bewegungsförderung im öffentlichen Raum und betriebliche Gesundheitsprogramme.
Auch regelmäßige Blutdruck-, Lipid- und Glukosekontrollen sowie gezielte Screening-Programme könnten die Prävention kardiovaskulärer Ereignisse wesentlich verbessern. In Österreich werden diese Angebote nach wie vor zu wenig genutzt.
Sind Risikofaktoren bereits manifest, ist das Ziel, eine Progression und Komplikationen zu verhindern. Dabei sind Lebensstilinterventionen weiterhin die Basis jeder Therapie.
Zu den wesentlichen Maßnahmen für die kardiovaskuläre Gesundheit gehören Bewegung, ausgewogene Ernährung und der Verzicht auf Tabak. „Wer es schafft, wenigstens einen dieser Faktoren zu verbessern, tut seinem Herzen bereits viel Gutes“, betont auch der Kardiologe Prim. Dr. Norbert Muzika.
Tabakentwöhnung: Evidenzbasierte Ansätze
Einer der wichtigsten Ansätze zur Vermeidung von Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen ist die Rauchentwöhnung. Etwa 50% der Raucher:innen erleiden bis zum 70. Lebensjahr eine schwere Folgeerkrankung oder versterben daran.
Die evidenzbasierte Tabakentwöhnung kombiniert ärztliche Beratung, Verhaltenstherapie und pharmakologische Unterstützung.
Cochrane-Daten zeigen:
- Motivierende Gesprächsführung und ärztlicher Rat erhöhen die Erfolgswahrscheinlichkeit um das 1,5- bis 1,7-Fache.
- Nikotinersatztherapien verdoppeln die Abstinenzraten.
- Vareniclin erzielt die besten Erfolgsquoten unter den pharmakologischen Optionen.
Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Popp, Lungenfacharzt, weist darauf hin, dass Verbote allein nur selten greifen. „Süchte wird es immer geben.“ Er betont, dass auch kleine Schritte einen Nutzen bringen. „Verändern ist wichtig, aber auch kleine Erfolge sind vorteilhaft.“ Das unterstreicht auch Haoula: „Erkennen, Aufklären und Behandeln sind wichtig – aber auch die Akzeptanz ist entscheidend.“ Zu restriktive Empfehlungen führen stattdessen häufig zu Non-Compliance. Erfolgreicher seien individualisierte Interventionen, die an der Lebensrealität der Patient:innen ansetzen.
Wenn der vollständige Rauchstopp nicht gelingt, kann auch eine Harm-Reduction-Strategie eine Brücke darstellen – etwa durch kontrollierte Reduktion der Schadstoffbelastung durch Tabakerhitzer oder den temporären Einsatz von Nikotinersatzprodukten. „Bei all diesen Maßnahmen wird kein Tabak mehr verbrannt, somit entsteht sofort kein gefäßaktives CO mehr, ein Soforteffekt, unabhängig von der Schadstoffreduktion um 90, 95 oder bis 99 % im Vergleich zur Verbrennungszigarette“, so Muzika. Zudem weisen E-Zigaretten im Rauchstopp in Cochrane-Analysen gleichwertige Erfolgsraten auf wie ärztliche Intervention.
Jeder Schritt zählt!
Die Expert:innen betonen, dass es Aufgabe der Ärzt:innen ist, Patient:innen zu befähigen, Risiken zu erkennen und eigenverantwortlich zu handeln – unterstützt durch ein Umfeld, das Gesundheit ermöglicht.
Prävention, Schadensreduktion und Akzeptanz sind dabei keine Gegensätze, sondern aufeinander aufbauende Konzepte einer modernen Herzmedizin.