5. Mai 2025Splitterartige Nanokunststoffe im menschlichen Gehirn

Hirngewebe enthält mehr Nanoplastik als Leber und Niere

Mikroplastik wurde bereits in vielen menschlichen Geweben nachgewiesen. Eine US-amerikanische Autopsiestudie hat nun hohe Konzentrationen von Nanokunststoffen in Gehirnproben gefunden. Die Ergebnisse deuten auch auf einen Zusammenhang mit Demenz hin.

Illustration Gehirn.
Foto: Ioannis/stock.adobe.com
Nanoplastik sammelt sich scheinbar weniger in exkretorischen Organen als im Gehirn.

Die kürzlich in Nature Medicine erschienene Autopsiestudie1 untersuchte Leber-, Nieren- und Gehirnproben von Verstorbenen aus dem Jahr 2024 auf ihre Konzentration von Mikro- und Nanoplastik (MNP). Diese Werte wurden mit entsprechenden Proben aus dem Jahr 2016 verglichen (n = 20–28 je Zeitpunkt).

Gehirngewebe, das ausschließlich aus dem präfrontalen Kortex stammte, wies 7- bis 30-mal höhere Konzentrationen an Mikro- und Nanoplastik auf als Proben aus Leber oder Niere. Dieser Unterschied war statistisch hochsignifikant (p < 0,0001). Im Vergleich zu den Leber- und Gehirnproben aus dem Jahr 2016 waren zudem die MNP-Konzentrationen 2024 deutlich höher.

Faktoren wie Alter, Geschlecht, Ethnie oder Todesursache beeinflussten die Kunststoffkonzentrationen in den Geweben der Verstorbenen hingegen nicht. Eine ergänzende Analyse von Gehirnproben Verstorbener mit dokumentierter Demenzdiagnose zeigte noch größere Anhäufungen von MNPs.

Wo sich Mikro- und Nanoplastik im Körper wiederfindet

Die Umweltkonzentrationen von anthropogenem Mikro- und Nanoplastik (MNP) haben im letzten halben Jahrhundert exponentiell zugenommen. Dies gilt auch für polymerbasierte Partikel mit einem Durchmesser von 500 µm bis hinunter zu 1 nm. MNP gelangt auf unterschiedlichstem Weg in den menschlichen Körper, von Trinkflaschen und Kosmetikverpackungen über die Haut und den Gastrointestinaltrakt bis hin zu landwirtschaftlichen Plastikfolien und Reifenabrieb, deren Partikel über die Atemluft in die Alveolen der Lunge eindringen.

Welche gesundheitlichen Folgen sich für den Menschen ergeben, ist noch unklar, jedoch wird unter anderem ein höheres Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse diskutiert.

Nachweis von Nanoplastik-Partikeln durch neuen Ansatz

In der Vergangenheit haben Studien vorwiegend Mikroplastikpartikel (> 5 µm) in Organen wie Lunge, Darm oder Plazenta nachgewiesen. Dies erfolgte mithilfe visueller mikroskopischer Spektroskopieverfahren. Um auch die kleineren Nanokunststoffe in die Analyse einzubeziehen, nutzten die Forschenden in der vorliegenden Studie einen neuen Ansatz. Sie kombinierten die Pyrolyse-Gaschromatographie/Massenspektrometrie (Py-GC/MS) mit Visualisierungsmethoden. Auf diese Weise identifizierten sie mithilfe der Rasterelektronenmikroskopie (REM) und der Polarisationsmikroskopie in allen Organen histologisch feuerfeste Einschlüsse.

Die Py-GC/MS-Messungen der MNP-Konzentrationen in Leber- und Nierenproben zeigten ähnliche Werte. Der Medianwert der Gesamtkunststoffe lag in den Proben aus dem Jahr 2024 bei 433 µg/g in der Leber und 404 µg/g in der Niere. Im Gehirnparenchym betrug der Median für alle Kunststoffe 3.345 µg/g in den Proben aus dem Jahr 2016. In den Proben aus dem Jahr 2024 stieg dieser Wert auf 4.917 µg/g. Im Gegensatz zu den Leber- und Nierenproben waren im Hirnparenchym keine größeren refraktilen Einschlüsse (1–5 µm) sichtbar. Stattdessen fanden sich dort ebenfalls kleinere Partikel (< 1 µm). Die weiterführende Analyse mittels Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) zeigte überwiegend 100–200 nm lange Splitter oder Flocken. Die anschließende energiedispersive Röntgenspektrometrie (EDS) in situ bestätigte, dass die in allen Geweben gefundenen Partikel hauptsächlich aus Kohlenstoff bestanden. Mithilfe der Fourier-Transformations-Infrarotspektroskopie (FTIR) analysierten die Forschenden die Polymerzusammensetzung der Proben.

Polyethylen an erster Stelle

Der Anteil von Polyethylen (PE) im Gehirn lag im Durchschnitt bei 75 Prozent. Im Vergleich zu anderen Polymeren sowie zu PE in Leber und Niere war dieser Anteil signifikant höher (p < 0,0001). Die Konzentrationen von PE, Polypropylen (PP), Polyvinylchlorid (PVC) und Styrol-Butadien-Kautschuk (SBR) nahmen von 2016 bis 2024 in Leber- und Gehirnproben spezifisch zu. Um die Erkenntnisse auf einen größeren Zeitraum auszuweiten, zogen die Forschenden zusätzlich Proben aus dem Zeitraum 1997 bis 2013 von Orten im Osten der Vereinigten Staaten heran. Auch diese Analyse zeigte signifikant steigende Trends für Gesamtkunststoffe, PE, PP, PVC und SBR. Die Autorinnen und Autoren schließen jedoch nicht aus, dass geografische Unterschiede einen Einfluss haben könnten.

Höhere Konzentrationen von Nanoplastik in Demenzproben

Um den Zusammenhang der Ergebnisse mit Demenzentwicklung zu untersuchen, bezogen die Forschenden zwölf weitere Proben mit ein, darunter von Verstorbenen mit Alzheimer (n = 6), vaskulärer Demenz (n = 3) und anderen Demenzen (n = 3) aus den Jahren 2019 bis 2024. Die Py-GC/MS-Analyse ergab, dass die Gesamtkunststoffkonzentrationen in den Demenzproben höher waren als in jeder der normalen Präfrontalkortex-Kohorte (p < 0,0001).

In den Demenzproben waren viele feuerfeste Einschlüsse in Regionen mit Entzündungszellen und entlang der Gefäßwand auffällig. Da Kennzeichen von Demenz wie eine Atrophie des Hirngewebes, eine beeinträchtigte Integrität der Blut-Hirn-Schranke und schlechte Clearance-Mechanismen die MNP-Konzentrationen erhöhen dürften, wird bei diesen Ergebnissen keine Kausalität angenommen, wie die Autorinnen und Autoren betonen.