30. Apr. 2025Rauchfrei am Arbeitsplatz

Von fehlenden Konzepten und verpassten Chancen

Rauchentwöhnung am Arbeitsplatz gilt als Schlüsselmaßnahme zur strukturellen Gesundheitsförderung. Doch Österreich tut sich nicht leicht damit, nachhaltige Konzepte umzusetzen. Prof. Bernhard Rupp von der Arbeiterkammer Niederösterreich spricht über verpasste Chancen, blinde Flecken und mögliche Auswege.

Rauchverbot am Arbeitsplatz.
Foto: rosen thal/stock.adobe.com

Dass Menschen am Arbeitsplatz dabei unterstützt werden, das Rauchen einzustellen, hat sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber nachgewiesen Vorteile.

So bedeuten rauchfreie Mitarbeiter für Unternehmen eine geringere Zahl an Krankenstandstagen. Arbeitnehmer wiederum profitieren davon, dass sie im betrieblichen Setting leicht erreichbar sind und kontinuierliche Unterstützung erhalten können. „Arbeitsplätze bieten eine hervorragende Möglichkeit, regelmäßig mit den Menschen in Kontakt zu treten und ihnen Unterstützung anzubieten, wenn sie das brauchen und wollen“, betont Prof. Bernhard Rupp, Leiter der Abteilung Gesundheitspolitik in der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Niederösterreich (AKNÖ).

Weniger Krankenstandstage, gute Erreichbarkeit

International hätten sich laut Prof. Rupp bei der Rauchentwöhnung Mischformen von Maßnahmen bewährt: einerseits durch restriktive Regelungen, die das Rauchen am Arbeitsplatz erschweren, andererseits durch niederschwellige psychologische Unterstützungsangebote „mit einem langen Atem“.

In Österreich hingegen setze die Politik gerne in der Tabakpolitik auf „Hauruck-Maßnahmen“, ergänzende längerfristige Angebote seien spärlich.

„Die österreichische Gesundheitskasse bietet zwar inhaltlich gut ausgearbeitete ambulante und stationäre Programme an, doch deren langfristige Wirksamkeit bleibt unklar“, erklärt Prof. Rupp. Nach dem Grundsatz „quit or die“ liegt der ausschließliche Fokus auf dem Ziel der raschen Abstinenz für alle Teilnehmenden. „Für die, die das nicht können oder wollen, schaut es dann eher finster mit Angeboten für schadensmindernde Optionen aus“, so der Experte.

Probleme vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen

Besonders auffällig ist der Unterschied zwischen Großbetrieben und kleinen Unternehmen. In Regionen mit viel Großindustrie – etwa in Oberösterreich oder der Steiermark – können Rauchstopp-Programme oft leichter organisiert werden. Manche internationale Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern sogar nach nachweislicher Aufgabe des Rauchens zusätzliche Urlaubstage als Belohnung an. „Dies wird von den Menschen aber nicht immer als sinnvoll empfunden, weil viele Raucher sich ihre ‚Rauchpausen‘ zusammenrechnen und dann der Meinung sind, das rentiere sich nicht“, sagt Prof. Rupp.  

Besonders schwierig gestaltet sich die Umsetzung von Rauchstoppmaßnahmen hingegen in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) mit weniger als zehn Mitarbeitenden. In Regionen wie Niederösterreich oder dem Burgenland stellen sie den Großteil der Betriebe dar. Hier fehlen häufig die Strukturen, um eigene Entwöhnungsprogramme anzubieten – sie sind auf externe und flexible Lösungen angewiesen. Für Prof. Rupp zeigt sich hier das Potenzial der Teleberatung, die aber noch deutlich ausgebaut werden müsste.

Ungenutzte Chance Arbeitsmedizin

Eigentlich sieht das österreichische Arbeitnehmerschutzgesetz eine aktive Rolle der Arbeitsmediziner in der Gesundheitsförderung vor. „Das Feld wird aber vor allem von externen Anbietern besetzt“, berichtet Prof. Rupp. Dabei könnten Arbeitsmediziner – auch gemeinsam mit Psychologen – durch regelmäßige Gespräche und niederschwellige Angebote entscheidende Impulse setzen.

Hier sei ein Umdenken erforderlich, so der Experte: Rauchentwöhnung sollte als selbstverständlicher Bestandteil betrieblicher Gesundheitsförderung etabliert werden.

Fehlende Langzeitstrategien für Rückfallgefährdete

Eine der größten Schwachstellen heutiger Entwöhnungsprogramme bleibt für Prof. Rupp die fehlende Langzeitbetreuung: „Wer innerhalb eines sechswöchigen Programms nicht erfolgreich ist, bekommt meist keine weiterführende Unterstützung.“ Dabei wäre gerade für Rückfallgefährdete ein längerfristiges Angebot entscheidend – sei es über Ersatzprodukte, medikamentöse Therapien oder psychologische Begleitung.

Hier könnten auch neue Medikamente, verschiedene Nikotinpräparate oder alternative Produkte helfen. Doch sie sind in Österreich kaum in betriebliche Programme integriert.

Ein großes Problem sieht Prof. Rupp auch in der mangelnden Differenzierung zwischen Tabak und Nikotin. „In Österreich werden Nikotinprodukte wie E-Zigaretten oder Nikotinsäckchen oft pauschal verurteilt – unabhängig von ihrer tatsächlichen Gefährlichkeit.“  

Das Wissen um Schädlichkeit oder Suchtpotenzial unterschiedlicher Produkte hat bei Rauchenden, Medizinern und Politikern noch „Luft nach oben“. Prof. Rupp verweist darauf, dass im Zusammenhang mit der EU-Krebsstrategie die Raucherquote in der EU bis zum Jahr 2040 auf 5% gesenkt werden soll.

Österreich liegt derzeit bei weit über 20% Rauchenden in der Gesamtbevölkerung. „Wie das EU-Ziel ohne eine wohlüberlegte und breite Strategie, die alle medizinisch-wissenschaftlich sinnvollen Optionen, die auch Harm-Reduction-Maßnahmen mitumfassen muss, gelingen soll, ist nicht erkennbar“, sagt Prof. Rupp.

Schadensmindernde Substitutionstherapien seien immerhin bei Alkohol- oder Drogenabhängigkeit längst Standard – beim Rauchen jedoch würden alternative Produkte weitgehend ignoriert. „Ein Blick nach Schweden könnte in dem Zusammenhang nicht schaden“, schließt der Experte.