14. Apr. 2025Kohortenstudie im niedergelassenen Bereich

Krankheitslast durch RSV bei Kindern: Große Unterschiede zwischen den Ländern

Der Großteil aller RSV-Infektionen bei kleinen Kindern wird im niedergelassenen Bereich behandelt. Trotzdem ist wenig bekannt über die Krankheitslast, die damit einhergeht. Diesen Aspekt beleuchtete eine prospektive Kohortenstudie aus den Niederlanden näher.

Kranker Junge verabreicht auf dem Patientenbett im Krankenhaus mithilfe einer Inhalationsmaske Medikamente zur Heilung des
Foto: zilvergolf/stock.adobe.com

3.414 Kinder unter fünf Jahren aus Belgien, Italien, Spanien, Niederlanden und UK, die in den RSV-Saisonen 2020/21, 2021/22 und 2022/23 wegen einer akuten Atemwegsinfektion ihren Haus- oder Kinderarzt aufsuchten, wurden in der aktuellen Studie (1) auf das Respiratory Syncytial Virus (RSV) getestet. Die Rate positiver Testungen lag bei Kindern unter einem Jahr bei 38,9 %, bei Kindern zwischen einem Jahr und unter fünf Jahren bei 25,9 %.

Von den 1.124 RSV-positiv getesteten Kindern wurden 878 Kinder in die Studie eingeschlossen und für 30 Tage nachbeobachtet. Das mittlere Alter lag bei 11,1 Monaten, der Anteil an Buben und Mädchen war etwa gleich groß. Die Eltern bekamen zwei Fragebögen mit, die sie an den Tagen 14 und 30 auszufüllen hatten. Erhoben wurden:

  • der klinische Verlauf (Symptome, Krankheitsdauer und Komplikationen)
  • die Inanspruchnahme von Gesundheitsressourcen (weitere Besuche beim niedergelassenen Arzt oder in der Notaufnahme, Hospitalisierungsrate und Medikamentenverbrauch) sowie
  • die gesellschaftlichen Auswirkungen (Abwesenheit der Kinder in Betreuungseinrichtungen, Abwesenheit der Eltern in der Arbeit)

Die mittlere Krankheitsdauer lag bei 11,7 Tagen. Etwas mehr als der Hälfte der Kinder (56 %) hatten am Tag 14 noch verbleibende Symptome, am Tag 30 war dies nur noch bei gut einem Drittel der Kinder (36 %) der Fall. Die durchschnittliche Anzahl der weiteren Arztbesuche (im niedergelassenen Bereich) reichte von 1,4 in den Niederlanden bis 3 in Spanien. Bei den Jüngsten lag die Zahl der Arztbesuche höher als bei den älteren Kindern (2,7 Arztbesuche bei den unter 1-jährigen vs. 2,1 Arztbesuche bei den 1- bis unter 5-jährigen).

Die meisten Verschreibungen in Italien

Auch in der Verschreibung von Medikamenten (Antibiotika, Bronchodilatatoren und Kortikosteroide) unterschieden sich die einzelnen Länder stark: Während nur 26 % der Kinder in UK Medikamente verschrieben bekommen hatten, waren es in Italien 76,8 % der Kinder. Die älteren Kinder gingen häufiger mit Medikamenten nach Hause als die ganz Kleinen (61,7 % vs. 49,7 %).

Insgesamt berichteten die Eltern in 45,7 % der Fälle, wegen der Erkrankung des Kindes von der Arbeit ferngeblieben zu sein. Die mittlere Dauer des «Pflegeurlaubs» reichte von 1,3 Tagen in Spanien bis 4,1 Tage in Belgien. Interessant ist die Tatsache, dass bei Kindern in Spanien die meisten Arztbesuche und die höchste Hospitalisationsrate zu verzeichnen waren, die Eltern aber die wenigsten Tage von der Arbeit fernblieben.

RSV ComNet Study zeigt inadäquate Therapie auf

Die RSV ComNet Study ist die erste prospektive Studie, die die klinische und ökonomische Last von laborbestätigten RSV-Infektionen bei Kindern unter fünf Jahren im Primärversorgungsbereich untersucht hat. RSV-Infektionen machten in der Studie ein Drittel aller respiratorischen Infekte bei Kindern im Primärversorgungs-Setting aus. Damit gehen eine erhebliche Beanspruchung des Gesundheitssystems und eine finanzielle Belastung des Sozialstaates durch Arbeitsausfall einher, wobei es große Unterschiede zwischen den beteiligten Ländern gab.

Diese äußerten sich vor allem in der Art der Behandlung, aber auch darin, wie oft die Eltern in Folge einer RSV-Infektion weitere Arzttermine in Anspruch nahmen oder nicht bei der Arbeit erschienen. Belgien und Spanien waren Spitzenreiter, was Arztbesuche und Hospitalisierung betrifft. Spanien und Italien führten in der Liste jener Länder an, in denen die meisten Medikamentenverschreibungen vorgenommen wurden (Antibiotika, Bronchodilatatoren und Kortikosteroide). Da publizierte Guidelines den routinemäßigen Einsatz dieser Medikamente nicht unterstützen, zeigt die Studie auch auf, dass es Strategien bedarf, um inadäquaten Behandlungen Einhalt zu gebieten.

Wie sich Impfprogramme auswirken könnten

Die Autoren resümieren, dass in Primärversorgungseinrichtungen behandelte RSV-Infektionen bei Kindern unter fünf Jahren mit einer erheblichen Symptomenlast, einer starken Beanspruchung der Ressourcen des Gesundheitssystems und einem Arbeitsausfall der Eltern einhergehen. Angesichts der großen Unterschiede zwischen den Ländern müsse jedes Land individuell abwiegen, wie sich die Implementierung eines entsprechenden RSV-Impfprogramms (Nirsevimab für Säuglinge oder RSVpreF für werdende Mütter) auf die direkten und indirekten Kosten von RSV-Infektionen bei Kindern auswirken könnte.

Die Studie zeigt auch, dass die Krankheitslast von RSV-Infektionen nicht nur bei den unter Einjährigen groß ist. Etwa die Hälfte der Kinder, die aufgrund einer RSV-Infektion Primärversorgungseinrichtungen aufgesucht hatten, waren zwischen einem Jahr und unter fünf Jahren alt. Diese Kinder werden möglicherweise auch in Zukunft – selbst im Falle einer Implementierung der RSV-Prophylaxe für Säuglinge – das Gesundheitssystem beanspruchen, da die Antikörper nur vorübergehenden Schutz bieten.

Bislang zielen die zur Verfügung stehenden Impfstrategien auf die Verhinderung von schweren Fällen im Säuglingsalter ab, heißt es in einem Kommentar (2) zur Studie. Die Frage sei, ob auch leichte Fälle verhindert werden können – eben jene, die im Primärversorgungssetting behandelt werden. Dafür sei es wichtig, auch nach Implementierung des Impfprogramms zu beobachten, wie sich die Krankheitslast durch RSV entwickelt, und ob es etwa Verschiebungen in Bezug auf Alter oder Behandlungssetting (niedergelassener Bereich vs. Spital) geben wird.