Schlaflos im Spital
Schlaf ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für körperliche und geistige Erholung und sollte im Spital daher besonders förderlich für den Heilungsprozess sein. Doch bis zu 50 Prozent der hospitalisierten Patienten leiden unter Schlafstörungen. Ab wann und wie sollte man etwas dagegen tun?

Im Durchschnitt schlafen Menschen in den Industrieländern täglich etwa sieben Stunden. Der Nachtschlaf gliedert sich dabei in rund vier Perioden, die typischerweise in 90- bis 120-minütigen Zyklen ablaufen.
Diese umfassen den leichten Schlaf (Stadium 1 und 2), den Tiefschlaf (Stadium 2 und 3) sowie den REM-Schlaf. Besonders wichtig für die Erholung des Gehirns ist dabei der Tiefschlaf, der vermehrt in der ersten Nachthälfte auftritt.
Eine gute Möglichkeit, um sich einen ersten Überblick über die Schlafqualität zu verschaffen, sind Wearables mit Schlaftracking-Funktion. Diese zeigen eine überraschend hohe Korrelation mit Ergebnissen aus professionellen Schlaflaboren und erfassen Schlafmuster, Tiefschlafphasen und Wachphasen vergleichsweise präzise.
Folgen der Schlaflosigkeit
Die meisten Menschen schlafen in einer Krankenhausumgebung subjektiv schlecht. Bis zu 48 Prozent der Patienten leiden im Spital neu unter – zumeist leichten – Schlafstörungen. Eine ausgeprägte Insomnie betrifft rund zehn Prozent der Patienten und kann schwerwiegende Folgen haben.
Dazu gehört etwa ein erhöhtes Risiko für Delir, das wiederum mit einer gesteigerten Mortalität einhergeht. Ebenso können kognitive Einschränkungen wie Konzentrations- und Gedächtnisprobleme auftreten. Besonders bei älteren Menschen steigt zudem die Gefahr von Stürzen erheblich.
Darüber hinaus kann Insomnie nicht nur die Grunderkrankung, sondern auch emotionale Belastungen wie Angst, Stress und Depressionen verstärken.
Was uns im Spital den Schlaf raubt
Hinter Schlaflosigkeit können vielfältige Ursachen stecken. Mit zunehmendem Alter verändert sich der Schlaf der meisten Menschen. Dabei ist es etwa fast normal, dass ältere Menschen weniger Tiefschlafphasen haben, in der Nacht häufiger aufwachen und kürzere und fragmentierte Schlafzyklen aufweisen. Auch Jahreszeitenwechsel können den Schlafrhythmus stören und zu Ein- und Durchschlafproblemen führen.
Im Krankenhaus kommen noch weitere Faktoren hinzu, die den Schlaf stören. Dazu gehören Symptome der Erkrankung, ein erhöhter Lärmpegel durch Personal, Geräte und Mitpatienten, häufige Unterbrechungen durch medizinische Maßnahmen sowie eine ungewohnte Schlafumgebung und störende Lichtverhältnisse. Auch Anpassungsinsomnien, die bei den meisten Menschen gelegentlich vorkommen, treten gehäuft bei hospitalisierten Patienten auf. Ursachen sind etwa ungünstige Diagnosen, plötzliche Lebensveränderungen, Angst und der Tod eines geliebten Menschen.
Zudem erleben manche Patienten im Krankenhaus paradoxe Insomnien: Sie berichten von schlechtem Schlaf, obwohl Pflegepersonal oder Mitpatienten beobachten, dass sie gut geschlafen haben.
Sekundäre Ursachen im Spital
Schlafstörungen können aber auch sekundär, etwa durch körperliche Probleme oder Medikamente ausgelöst werden. Typische Probleme, die bei hospitalisierten Menschen oft zur Insomnie führen, sind etwa
- Schmerz
- Atemnot (z.B. bei kardialer Dekompensation oder pulmonalen Ursachen)
- Harndrang (z.B. Harnwegsinfekte, ausgelassene Urologika, Prostataprobleme)
- Juckreiz
- Medikamente (z.B. Stimulanzien, Antikonvulsiva wie Phenytoin, bestimmte Antidepressiva wie SSRI, SNRI, MAOH und TZA, Schilddrüsenhormon-Präparate, Levodopa, Steroide, lipidophile Betablocker wie Propanolol, Alkohol)
- Drogen-/Arzneimittelentzug (z.B. Alkohol, bestimmte Antidepressiva wie SSRI, SNRI, MAOH und TZA, illegale Drogen wie Heroin, Kokain, Marihuana)
Therapieansätze bei Schlaflosigkeit
Nicht jede Schlafstörung erfordert eine medikamentöse Behandlung. Bei leichten Schlafstörungen, bei denen Patienten nur einige Nächte schlecht schlafen, bzw. bei akuter Insomnie reichen möglicherweise Verbesserungen bei der Schlafhygiene (siehe Kasten) aus. Zusätzlich kann mit leicht schlaffördernden pflanzlichen Präparaten nachgeholfen werden.
Die elf Gebote der Schlafhygiene
- Zigaretten, Kaffee, Alkohol, Stimulantien meiden, Medikamente überprüfen und anpassen
- Körperliche Aktivität erhöhen
- Natürliches Licht, Lichttherapie (60 bis 120 Minuten bei 6.000-8.000 Lux)
- Mittagsschläfchen vermeiden
- Flüssigkeitszufuhr am Abend anpassen, opulente Mahlzeiten meiden
- Schlafraum nur bei Müdigkeit aufsuchen, Raumtemperatur senken, Lärm und Licht nachts minimieren
- Reduktion der Schlafzeit
- Regelmäßige Schlafzeiten
- Konflikte und Aufregungen ausreden vor dem Schlaf
- Entspannungstechniken erlernen
- Temporäre Schlaflosigkeit erdulden lernen
Anders sieht es bei schweren, chronischen Schlafstörungen aus, die per definitionem länger als drei bis vier Wochen andauern und mit sozialen Implikationen (z.B. Schläfrigkeit am Arbeitsplatz oder am Steuer) einhergehen. Sie haben echten Krankheitswert und erfordern ein strukturiertes Vorgehen, zu dem verhaltenstherapeutische Maßnahmen und, wenn nötig, Medikamente gehören.
Im Spital handelt es sich meist um transiente Insomnien. Aber auch diese können Patienten schwer belasten, und das Vorgehen richtet sich nach internationalen Leitlinien. Ein wichtiger Punkt ist dabei, sekundäre Ursachen für die Schlaflosigkeit zu identifizieren und zu behandeln. Bei vielen Patienten verbessert sich damit auch die Schlafqualität schnell. Steckt hinter der Schlaflosigkeit eine Anpassungsinsomnie, sollte allen voran versucht werden, diesen mit Maßnahmen wie Psychotherapie oder ärztlichen Gesprächen zu begegnen. Falls notwendig, kann auch eine zeitlich begrenzte medikamentöse Therapie eingeleitet werden.
Werden Patienten mit chronischen Insomnien hospitalisiert, kann die Dosis einer möglicherweise bestehenden Medikation erhöht oder eine medikamentöse Behandlung neu begonnen werden.
Medikamentöse Therapie
Zieht man eine Medikamentenverordnung in Betracht, sollte gleich bei der Verordnung das Absetzen des Präparats nach überstandener Krise geplant werden. Denn noch immer gibt es zu viele Patienten, die Neuroleptika, Z-Substanzen und Benzodiazepine jahrelang oder sogar ihr Leben lang einnehmen, nachdem es ihnen einmal verordnet wurde.
Bei Verordnung von Schlafmitteln sind zudem die spezifischen Nebenwirkungen der Substanzen zu beachten. Dazu gehören bei Benzodiazepinen, Z-Substanzen sowie Neuroleptika vor allem Schwindel und ein erhöhtes Sturzrisiko. Dieses geht nicht selten mit schweren Verletzungen wie Schenkelhalsbrüchen einher.
Zu den Substanzen, die bei Insomnie zur Verfügung stehen, gehören
- Benzodiazepine: haben anxiolytische, antikonvulsive, muskelrelaxierende und sedierende Wirkung, aber auch ein beträchtliches Suchtrisiko. Zudem verändern sie den Schlaf ungünstig (REM-Reduktion). Wichtig ist, Präparate mit kurzer Halbwertszeit zu bevorzugen, wie Triazolam und Lorazepam.
- Z-Substanzen (Zykopyrrolongruppe): binden an dieselben Rezeptoren wie die Benzodiazepine, allerdings mit kürzerer Halbwertszeit. Ähnliche Nebenwirkungen wie Benzodiazepine.
- Neuroleptika: Off-Label-Use bei Insomnie. Nervenberuhigende Wirkung, allerdings auch kardiovaskuläre Nebenwirkungen (QT-Zeit-Verlängerung, Schlaganfall) – auch bei atypischen Neuroleptika.
- Antidepressiva: z.B. Trazodon, Mirtazepin
- Melatonin
- H1-Blocker: z.B. Diphenhydramin. Hier sind anticholinerge Nebenwirkungen zu beachten. In der Geriatrie kein Einsatz zu empfehlen aufgrund von Blasen- und Darmmotilitätsstörungen bzw. Delir.
- Pflanzenextrakte: z.B. Passedan, Baldrian
Bei der Medikamentenverordnung hilft die 5K-Regel. Sie besagt, dass Medikamente nur bei klarer Indikation zu verordnen sind (1). Außerdem ist die kleinstmögliche Dosis zu wählen (2), idealerweise mit Präparaten, die eine kurze Halbwertszeit haben (3). Zudem sollten die Medikamente so kurz wie möglich gegeben werden (4) und kein abruptes Absetzen (5) erfolgen, um Gewöhnungseffekten, die bei fast allen potent wirksamen Substanzen eintreten, entgegenzuwirken. Schließlich müssen mögliche Kontraindikationen stets sorgfältig berücksichtigt werden, um das Risiko für den Patienten zu minimieren.
Zur Person:
Prim. Dr. Peter Dovjak ist Leiter der Akutgeriatrie und stellvertretender ärztlicher Direktor des Salzkammergut Klinikum Gmunden
Dr. Peter Dovjak. Der schlaflose und „verwirrte“ Patient im Nachtdienst. FomF Umdate Jungärzte Refresher Wien März 2025, 8.3.2025