11. Dez. 2024Zigarettenersatz

„Balance zwischen Jugendschutz und Schadensminimierung“

Durch eine „vernünftige“ Regulierung von E-Zigaretten, Tabakerhitzern und Nikotinbeuteln würden Rauchern Alternativen zur immens schädlichen Zigarette zur Verfügung stehen, so das Fazit eines Suchtexperten. Welche Optionen es gibt, hat er in einem Vortrag zusammengefasst.

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Foto: Andrey Popov/AdobeStock

Die etablierten, in der Apotheke verfügbaren Nikotinersatzprodukte – Nikotinpflaster, Nikotinkaugummi und Mundspray – erreichen nicht jeden Raucher, sagt Dr. Ernest Groman, wissenschaftlicher Leiter des Wiener Nikotininstituts, bei einem Vortrag auf dem Kongress Addict CZSK 2024, der im November in Bratislava stattfand.

„Die häufigsten Klagen in den letzten Jahrzehnten waren: Wirkt nicht, schmeckt nicht“, berichtet Groman. Bei der Anwendung dieser Produkte erfolgt die Anflutung des Nikotins im Gehirn vergleichsweise langsam, wodurch auch das Dopamin entsprechend langsam ausgeschüttet wird – der „Pleasure Peak“, nach dem der Raucher strebt, bleibt aus, so Groman.

Alternativen zum Zigarettenkonsum und deren Regulation

E-Zigaretten, Tabakerhitzer und Tabakbeutel („Pouches“) hingegen werden aus Gromans Erfahrung von Rauchern deutlich besser angenommen. Obgleich diese Produkte nicht frei von gesundheitlichen Risiken sind, so sind sie doch deutlich weniger schädlich als Zigaretten. Denn die zahlreichen Schadstoffe, insbesondere die kanzerogenen Substanzen, entstehen durch die Verbrennung von Tabak und sind in diesen Produkten nicht enthalten.

„Das Beste ist natürlich, man konsumiert gar nichts davon“, bekräftigt Groman, räumt aber ein: „Wir haben in den letzten Jahrzehnten über 6.000 Raucher persönlich betreut. Dabei habe ich gelernt, meine Ansprüche herunterzuschrauben. Wir empfehlen die genannten Produkte in der Betreuung aktiv nicht, allerdings bringen die Patientinnen und Patienten sie mit und fragen nach unserer Einschätzung. Ich bin froh über jeden Raucher, der eine Alternative findet, die ihn vom Zigarettenrauchen abbringt.“ Harm Reduction, also Schadensminimierung, wird diese Herangehensweise genannt.

Warum die erste Zigarette des Tages die beste ist

 Viele Raucher geben zu Protokoll, dass die erste Zigarette am Morgen die „beste“ sei. Das liegt an den nikotinergen Acetylcholinrezeptoren, kurz: Nikotinrezeptoren. Diese Rezeptoren modulieren die Ausschüttung von unterschiedlichen Neurotransmittern, vor allem aber das Hormon Dopamin, das für Wohlbefinden sorgt und daher auch als „Glückshormon“ bekannt ist.

Wenn Nikotin an die Nikotinrezeptoren bindet, werden diese aktiviert, sind aber im Anschluss eine Zeitlang blockiert. Aus diesem Grund führt die erste morgendliche Zigarette, bei der die Nikotinrezeptoren am wenigsten besetzt sind, zu einer besonders intensiven Ausschüttung von Dopamin,.

Das Wiener Nikotininstitut

Das Nikotininstitut hat sich die Reduktion der tabakassoziierten Erkrankungen zum Ziel gesetzt. Hier wird zum einen Forschung betrieben – etwa zur Epidemiologie der Nikotin- bzw. Tabakabhängigkeit –, aber auch Beratung für Raucherinnen und Raucher angeboten, mit dem Ziel Abstinenz, kontrolliertes Rauchen oder den Umstieg auf weniger schädliche Produkte zu erreichen.

Jugendschutz im Fokus

Der wissenschaftliche Leiter des Nikotininstituts wünscht sich eine „vernünftige“ Regulierung der genannten Produkte. Einerseits müsse man dafür sorgen, dass Tabakbeutel & Co. nicht zu einer Art neuer Droge unter Jugendlichen werden oder gar als Einstieg in den Zigarettenkonsum fungieren; andererseits sollten diese Produkte für Zigarettenraucherinnen und -raucher, die vom Glimmstängel wegkommen möchten, attraktive Alternativen darstellen.

Werbebeschränkungen bei Tabak- und Nikotinprodukten seien grundsätzlich richtig, betont Groman. Nikotinbeutel und ähnliche tabakfreie Nikotinerzeugnisse sind derzeit noch nicht im österreichischen Tabakgesetz erfasst und können daher munter beworben werden. Tabakerhitzer und E-Zigaretten hingegen fallen unter das Tabakgesetz. Eine Bewerbung sei daher nicht erlaubt. Das führe dazu, dass es kaum möglich ist, Raucherinnen und Raucher über diese Produkte als Mittel zum Rauchstopp zu informieren. Groman wünscht sich daher einen Mittelweg: „Wissenschaftlich gesicherte Information über diese Produkte in die Bevölkerung zu tragen, muss möglich sein.“

Auch einem möglichen Verbot von Aromastoffen in E-Zigaretten steht Groman skeptisch gegenüber. Dieses werde wiederholt gefordert, weil die Geschmacksstoffe diese Produkte insbesondere für Jugendliche attraktiv machen. Der Suchtexperte sieht in den Aromen allerdings einen Vorteil für seine Klientel: „Dass Raucherinnen und Raucher vom Zigarettengeschmack wegkommen, ist eine Form von Rückfallprävention.“

Einer der wirksamsten Hebel zur Reduktion des Zigarettenkonsums sei hingegen der Preis. Laut einer von Groman und einem Kollegen durchgeführten Studie führt eine Erhöhung der Zigarettenpreise um ein Prozent zu einem Rückgang des Konsums um knapp 0,7 Prozent.* Um Raucherinnen und Rauchern den Umstieg auf weniger schädliche Tabak- bzw. Nikotinprodukte schmackhaft zu machen, sollten diese daher weniger kosten als Zigaretten. „Die Mindestforderung wäre, dass diese Produkte zumindest nicht teurer sind als Zigaretten“, unterstreicht Groman.