Lebensqualität verbessern trotz chronischer Schmerzen
In der Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Patienten mit chronischen Schmerzen sollte nicht ausschließlich die Schmerzreduktion im Mittelpunkt stehen. Ein offenes Gespräch über das soziale Umfeld sowie persönliche Werte kann die Resilienz der Betroffenen stärken und dadurch ihre Lebensqualität nachhaltig verbessern.
Im 88 Seiten starken Manual des WHO-QOL, einem von der Weltgesundheitsorganisation WHO entwickelten Fragebogen zur Erhebung der Lebensqualität, steht: „Medizin ist mehr als die Beseitigung von Symptomen.“ Das WHO-Gremium weist außerdem darauf hin, dass Lebensqualität stets subjektiv ist und im Kontext kultureller, sozialer und ökologischer Gegebenheiten betrachtet werden muss.
Konkret bedeutet dies, dass neben den etablierten medizinischen Indikatoren auch die Auswirkungen von Erkrankungen auf den Alltag der Betroffenen berücksichtigt werden sollten. Die WHO definiert dabei sechs zentrale Domänen der Lebensqualität: physisches und psychisches Wohlbefinden, Selbstbestimmung, soziale Beziehungen, Umweltfaktoren sowie Spiritualität.
Wieder mehr Lebensqualität ermöglichen
Für den Wiener Anästhesisten und Schmerzmediziner Priv.-Doz. Dr. Christopher Gonano bedeutet Lebensqualität die Möglichkeit, das Leben in allen Facetten genießen zu können und dabei die persönlichen Bedürfnisse zu erfüllen.
„Für jeden und jede bedeutet die Einschränkung der Lebensqualität etwas anderes und es ist auch unsere Aufgabe in der Schmerzmedizin, den Betroffenen wieder zurück zu mehr Lebensqualität zu verhelfen“, sagt Gonano. Für eine 80-jährige Schmerzpatientin könne dies bedeuten, an einem Familientreffen teilzunehmen, während für den ambitionierten Hobbysportler der Wunsch, ein bestimmtes Limit im nächsten Marathon zu erreichen, oberste Priorität haben kann.
Akzeptanz ist ein Schritt zu mehr Lebensqualität
Im ärztlichen Gespräch gilt es also persönliche Ziele genauso zu erfragen wie auf Untersuchungsbefunde einzugehen. „Ich bespreche mit meinen Patientinnen und Patienten auch ihre MRT-Bilder und erkläre, wie viel an Schmerzreduktion bei vorhandenen Gelenkschäden oder Wirbelgleiten überhaupt realistisch zu erreichen ist“, betont Gonano.
Bei der Schmerzmedikation muss gemeinsam mit den Betroffenen abgewogen werden, ob das Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil die Lebensqualität beeinflusst. Zudem ist zu klären, wie stark diese Beeinträchtigung ausfallen könnte. Das ist etwa der Fall, wenn eine Einschränkung der Fahrtüchtigkeit zu bedenken ist oder ein etwaiger Libidoverlust die Paarbeziehung belastet. Nach Erfahrung von Gonano bedeutet vor allem die Akzeptanz der Situation einen wesentlichen Schritt zu mehr Lebensqualität. Wie sehr die Akzeptanz mit der Lebensqualität zusammenhängt, spiegeln zudem Patientenberichte wider, die etwa auf der Website der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin nachzulesen sind.
Multimodale Konzepte bei chronischen Schmerzen
Doch für viele Patientinnen und Patienten ist es schwierig, ein chronisches Schmerzgeschehen zu akzeptieren. Mitunter ist das ein unüberwindbares Hindernis auf dem Weg zu besserer Lebensqualität, weiß Univ.-Prof.in Dr.in Sabine Sator. Sie ist Vorstand der Klinischen Abteilung für Spezielle Anästhesie und Schmerztherapie an der Medizinischen Universität Wien. „Besonders wenn psychische Komorbiditäten bestehen und sich im Leben nur mehr alles um den Schmerz und die Suche nach Linderung dreht, sind Patientinnen und Patienten oft bereit, viel Geld für alternative Methoden mit unrealistischen Heilsversprechen auszugeben“, ergänzt Sator.
Ein multimodales Konzept aus medikamentöser Behandlung, Bewegung und psychosozialer Begleitung ist dagegen wirksam in Bezug auf Schmerzlinderung und Lebensqualität, erfordert jedoch Compliance. „Allein die Hürde, sich zu bewegen, fällt vielen Betroffenen sehr schwer. Denn der untrainierte Muskel bei Belastung zunächst erst recht wieder Schmerzen verursachen kann.“
Genussvoll leben trotz Schmerzen
Das einfühlsame ärztliche Gespräch kann ein entscheidender Schritt sein, um Patientinnen und Patienten zu motivieren. Weiters kann man ihnen damit zeigen, dass sie den Schlüssel zu besserer Lebensqualität gewissermaßen selbst in der Hand haben. „Leider gibt es noch immer Kolleginnen und Kollegen, die Schmerzpatientinnen und -patienten mit einer verkürzten Lebenserwartung konfrontieren. Damit lösen sie nur eine Negativspirale aus. “ Viel eher sei es angebracht, Patientinnen und Patienten zu zeigen, dass ein genussvolles Leben auch mit Schmerzen möglich ist. „Dazu braucht es eben ein Gesamt-Package.“
Fragebögen zur Lebensqualität wie der WHO QOL dienen laut Sator mit gutem Grund in klinischen Studien dazu, die Lebensqualität als Endpunkt zu erfassen. An ihrer Abteilung sind zudem drei Psychologinnen beschäftigt, die im Sinne der Verlaufskontrolle Instrumente der psychologischen Diagnostik anwenden. Auch von Ärzt:innen werden Parameter wie Schlaf, Bewegung im Alltag, soziale Kontakte oder die Zufriedenheit mit dem Sexualleben erfragt. Denn alles, was im Leben Freude macht, gehört zur Lebensqualität.
WHO-QOL: https://www.who.int/tools/whoqol