10. Dez. 2024Weniger Fast Food, mehr Ballaststoff und Gemüse

Ernährung ist das wichtigste Psychobiotikum

Sowohl über die Bereitstellung wichtiger Ausgangsstoffe für die Synthese von Neurotransmittern als auch über das Darmmikrobiom stehen Ernährung und Psyche in engem Zusammenhang. Auch zu konkreten Interventionen liegen bereits Daten vor, wenn die Evidenzlage derzeit allerdings unbefriedigend ist.

Konzept Neutraceuticals beeinflussen die Psyche.
Abbildung: ellisa_studio/AdobeStock
Neutraceuticals beeinflussen die Psyche.

Als Nutritional Psychiatry oder Mental Health Nutrition bezeichnet man ein wachsendes Feld innerhalb der Psychiatrie und der Ernährungswissenschaften, so Priv.Doz. DDr. Sabrina Leal Garcia, von der Klinischen Abteilung für Medizinische Psychologie, Psychosomatik und Psychotherapie an der Medizinischen Universität Graz. Erforscht werden die Auswirkungen, die Veränderungen der Ernährung und der konsumierten Nährstoffe auf die psychische Gesundheit haben. Ziel ist die Prävention und Behandlung psychischer Erkrankungen über die Ernährung. Solche Ansätze sind alt, wie Priv.Doz. Leal Garcia ausführt und tauchen bereits in Publikationen aus dem frühen 20. Jahrhundert auf, haben allerdings in jüngster Zeit durch das immer besser werdende Verständnis des menschlichen Mikrobioms Auftrieb erhalten. Die Ergebnisse einer Befragung zeigen, dass in der internationalen psychiatrischen und psychotherapeutischen Community das eigene Wissen zu diesem Themengebiet als unzureichend eingeschätzt, das Thema jedoch als wichtig erachtet wird.1

Spurenelemente für die Synthese von Neurotransmittern

Die Schnittstellen zwischen Ernährungs- und Neurowissenschaften sind vielfältig. So ist eine ausgewogene Ernährung die Voraussetzung für die Synthese von Neurotransmittern in ausreichender Menge. Beispielsweise wird für die Synthese von Serotonin und Melatonin nicht nur L-Tryptophan benötigt, sondern auch verschiedene Spurenelemente wie Zink sowie mehrere Vitamine. Das Gleiche gilt für die Synthese von Dopamin aus L-Phenylalanin. Ein einziger Syntheseschritt trennt das exzitatorische Glutamat von der inhibitorischen GABA – und dieser Schritt benötigt Co-Faktoren wie die Vitamine B6 und C sowie Zink und Magnesium.

Homocystein-Spiegel und Vitamin D

Psychische Erkrankungen zeigen eine ausgeprägte metabolische Komponente. Beispielsweise wiesen schon vor mehr als 20 Jahren Studiendaten in Richtung eines Zusammenhangs zwischen dem Homocystein-Spiegel im Plasma und dem Risiko Schizophrenie, Depression oder bipolare Erkrankung zu entwickeln.2 Ebenfalls einen ausgeprägten Einfluss auf die Psyche hat der Vitamin-D-Spiegel.3 Vitamin D beeinflusst die Expression von mehr als 1.000 Genen. Alle Zellen im Körper haben Rezeptoren für Vitamin D, das in Kombination mit den Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA für das Funktionieren der Synapsen erforderlich ist.4

Allerdings betont Priv.Doz. Leal Garcia, dass jeweils zahlreiche Faktoren ausschlaggebend sind, weshalb Studien zur Supplementation einzelner Nährstoffe oder Vitamine von vornherein zum Scheitern verurteilt sind. Jedoch legen diese Daten nahe, dass die in den Industrienationen nicht seltene nährstoffarme Ernährung ungünstige Effekte auf das Nervensystem haben. Leider ist in der Praxis nicht selten zu beobachten, dass gerade Menschen mit psychischen Problemen zu einer einseitigen Ernährung mit wenig Nährstoffen, Spurenelementen und Ballaststoffen tendieren. Entsprechende Beratung hätte hier auch therapeutisches Potenzial. Noch mehr in Richtung zielgerichteter Interventionen geht der Einsatz sogenannter Psychobiotika. Das sind Interventionen, die über eine Beeinflussung der Darm-Gehirn-Achse zu Veränderungen von Kognition und Stimmung führen. Als Psychobiotika kommen Prä-, Pro-, Syn- und Postbiotika in Frage.

Auch für die Psyche: Empfehlung für Mediterrane Ernährung

Mit den neuen Guidelines der World Federation of Societies of Biological Psychiatry (WFSBP) haben „Neutraceuticals“ erstmals mit Grad A Evidenz Eingang in eine psychiatrische Leitlinie gefunden. Empfehlungen bestehen unter anderem für Omega-3-Fettsäuren, Vitamin D, Probiotika, Zink und Folsäure.5 Noch weiter in Richtung Therapie gehen Vorschläge zur Augmentation antipsychotischer Therapien durch eine Reihe von Neutraceuticals wie beispielsweise N-Acetylcystein, Omega-3-Fettsäuren oder L-Lysine. In einem aktuellen systematischen Review werden solche Interventionen als vielversprechend eingestuft, die Autor:innen betonen jedoch die unzureichende Qualität der aktuell verfügbaren Evidenz.6

Eine Metaanalyse von 16 randomisierten, kontrollierten Studien gelangte zu dem Ergebnis, dass Ernährungsinterventionen depressive Symptome signifikant reduzieren können und Ernährung das wichtigste Psychobiotikum darstellt. Wirksame Interventionen waren die Reduktion von Fast Food und die Steigerung des Ballaststoff- und Gemüseanteils in der Ernährung.7 Der Konsum von Ultraprocessed Food hat sich als assoziiert mit einem erhöhten Depressionsrisiko erwiesen und sollte nach Möglichkeit reduziert werden. Stattdessen sollte mediterrane Ernährung empfohlen werden, so Priv.Doz. Leal Garcia.8

Quelle: „Neueste Entwicklungen in Ernährung und Psyche“, Vortrag im Rahmen der Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Neuropsychopharmakologie und Biologische Psychiatrie (ÖGPB), Wien, 7.11.24

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin CliniCum neuropsy