ÖGPB: Verbesserungsbedarf im Management der Schizophrenie
Ungeachtet der Wirksamkeit moderner Antipsychotika sowie deren im Vergleich zu älteren Substanzen guter Verträglichkeit besteht in der Therapie der Schizophrenie nach wie vor Verbesserungsbedarf. Dieser betrifft nicht nur das im klinischen Alltag sehr relevante Compliance-Problem, sondern auch den relativ hohen Anteil therapieresistenter Erkrankungen sowie die schwer zu behandelnde Negativsymptomatik.
Nach einer ersten schizophrenen Episode und initialem Ansprechen auf die Therapie bestehen grundsätzlich drei Möglichkeiten des weiteren Verlaufs: die vollständige und stabile Remission, die partielle Remission mit einem wechselnd eingeschränkten Funktionslevel sowie die Chronifizierung mit wiederkehrenden Schüben. „Das sind die Patientinnen und Patienten, die wir immer wieder an der Klinik sehen, mit häufigen Rückfällen, zunehmender Therapieresistenz und oft auch schlechter Compliance“, erläutert DDr. Anna Weidenauer von der Wiener Universitätsklinik für Psychiatrie. Für eine an der Medizinischen Universität Wien durchgeführte Studie wurde die Symptomatik von Patientinnen und Patienten mit Schizophrenie, gemessen mit dem PANSS-Score, über ein Jahr beobachtet. Dabei zeigte sich erwartungsgemäß, dass das Verweigern einer Therapie mit verstärkter Symptomatik assoziiert war. Die Studie zeigte auch, dass eine vermehrte Amphetamin-induzierte Dopaminausschüttung in bestimmten Regionen des Gehirns mit einer besseren klinischen Entwicklung über drei Monate assoziiert war.1 DDr. Weidenauer: „Das heißt, je ausgeprägter das Dopaminproblem am Anfang war, desto besser war das Ansprechen im weiteren Verlauf.“
Neurobiologische Subtypisierung der Schizophrenie in Arbeit
Dieser Befund sei im Zusammenhang mit dem theoretischen Verständnis der Schizophrenie bedeutsam. Denn es mehren sich die Hinweise, dass es sowohl eine dopaminabhängige als auch eine nicht dopaminabhängige Schizophrenie gebe, wobei letztere auf die heute eingesetzten Antipsychotika nicht anspricht.2 Eine genauere Charakterisierung der nicht dopaminergen Schizophrenie ist bislang allerdings nicht gelungen. Bei einem Teil der Betroffenen dürfte jedoch eine Übersensitivität der Dopaminrezeptoren im Spiel sein, so DDr. Weidenauer, was ebenfalls mit einem Nicht-Ansprechen auf Antipsychotika assoziiert ist. Generell wird aktuell an einer neurobiologischen Subtypisierung der Schizophrenie gearbeitet. Die Ergebnisse sind allerdings derzeit noch inkonklusiv und zum Teil widersprüchlich.
Eine therapieresistente Schizophrenie ist heute definiert durch mangelndes Ansprechen auf zwei adäquate Therapieversuche über mindestens vier Wochen mit First-Line-Antipsychotika, wobei Wirkstoffspiegel und Adhärenz kontrolliert werden müssen. In diesem Fall ist eine Therapie mit Clozapin indiziert. Bringt auch Clozapin keinen Erfolg, bleibt als letzte Option die Elektro-Krampftherapie (EKT). DDr. Weidenauer: „Es empfiehlt sich, nicht zu lange mit Clozapin zu warten. Je länger zwischen Nicht-Clozapin-Antipsychotika geswitcht wird, desto schlechter sind die Chancen auf einen Therapieerfolg mit Clozapin. Leider gibt es sowohl auf Clozapin als auch auf die EKT viele Non-Responder. Wir haben bei der Schizophrenie viel weniger Optionen als bei der Depression.“ In den USA, aber noch nicht in Europa, ist mit KarXT ein Antipsychotikum verfügbar, das an Muskarinrezeptoren wirkt. KarXT ist eine Kombination von Xanomelin und Trospiumchlorid, von der man sich nicht nur eine Behandlungsoption bei therapieresistenter Schizophrenie, sondern auch verbesserte Möglichkeiten in der Beeinflussung negativer Symptome erwartet. DDr. Weidenauer: „Je mehr Substanzen wir zur Verfügung haben, desto größer sind die Chancen, dass die Gruppe der Non-Responder kleiner wird.“ Ob und wann KarXT in Europa verfügbar sein wird, ist unklar.
In Studien: Ketamin gegen die Negativsymptomatik
Neben der Therapieresistenz stellen heute Non-Compliance und Negativsymptome die wichtigsten Herausforderungen im Management der Schizophrenie dar. Antworten auf Compliance-Probleme können beispielsweise die Verwendung von Depot-Antipsychotika sowie sozialpsychiatrische Interventionen sein. In der Behandlung der Negativsymptomatik, von der auch Antipsychotika-Responder betroffen sein können, könnten neue Antipsychotika, Antidepressiva und möglicherweise Ketamin Verbesserungen bringen. Zu intravenösem Ketamin wird derzeit an der Universitätsklinik für Psychiatrie in Wien eine randomisierte, placebokontrollierte Crossover-Studie durchgeführt. Die Wirksamkeit wird anhand psychometrischer Skalen erhoben, auch die Neuroplastizität soll überprüft werden. Bisherige Erfahrungen zeigen, so DDr. Weidenauer, dass bei Einsatz von Ketamin keine Verschlechterung der psychotischen Symptomatik zu befürchten ist.
Quelle: Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Neuropsychopharmakologie und Biologische Psychiatrie (ÖGPB), Session „Neueste Entwicklungen in …“, Wien, 7.11.24