RSV: Erste postpandemisch „normale“ Saison steht bevor
Nach drei ungewöhnlichen Saisonen mit dem respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) scheint sich das Infektionsgeschehen mit diesem Jahr zu normalisieren. In einem Vortrag am FomF beleuchtet Ing. Dr. Monika Redlberger-Fritz die aktuelle epidemiologische Lage und erläutert Fortschritte in der Prävention durch aktive und passive Impfstoffe.
Im Jahr 2024 zeichnet sich nach mehreren Jahren postpandemischer Verschiebungen wieder eine Normalisierung des RSV-Auftretens ab, beschreibt Ing. Dr. Monika Redlberger-Fritz, Gruppenleiterin am Zentrum für Virologie der Medizinischen Universität Wien, die Situation (1).
2024/25: Späte RSV-Saison?
Im Normalfall zeichnen sich die jährlichen RSV-Infektionswellen durch eine spezifische saisonale Verteilung aus, die normalerweise zwischen Kalenderwoche 48 und 52 beginnt.
Das Auftreten des Virus wurde in den vergangenen Jahren stark von den pandemischen Bedingungen beeinflusst, so die Virologin. „Besonders auffällig war etwa die ungewöhnlich frühe Saison 2021/22, in der die Virusaktivität bereits im Spätsommer begann und auf die zwei sehr starke Saisonen folgten.“
Aktuell zeigt sich allerdings erst ein Beginn der RSV-Aktivität, was laut der Expertin auf eine späte Saison hindeutet.
Verlässliche Impfung trotz diversem Virus
Im Gegensatz zu den „weltweit reisenden“ Viren Influenza und SARS-CoV-2 zeigt das RNA-Virus RSV weltweit eine gleichzeitige Zirkulation verschiedener Virus-Genotypen. Dabei gibt es geografische Häufungen bestimmter Genotypen, was daran liegt, dass der Erreger in den Sommermonaten bei bestimmten Risikogruppen, wie etwa COPD-Patienten, persistiert. Im Herbst kommt es dann zum Virusaufkommen in epidemischer Form.
Eine Herausforderung für die Impfung stellt diese geografische und genetische Diversität allerdings nicht dar. Alle der aktuell verfügbaren Immunisierungen setzen am RSV-Fusionsprotein (F-Protein) an. Das F-Protein ist essenziell für die Fusion der Virusmembran mit der Wirtszellmembran – blockieren es Antikörper aus der Immunisierung, kann das Virus nicht mehr in die Wirtszelle eindringen.
Darüber hinaus ist das F-Protein vergleichsweise stabil und weniger anfällig für genetische Variationen. „Dadurch kommt die Impfung ohne eine jährliche Anpassung aus“, so Redlberger-Fritz. Ein weiterer Vorteil ist die gute Kreuzreaktivität der entstehenden Antikörper für RSV-A- und RSV-B-Viren.
Passive und aktive Immunisierung
Bereits seit mehreren Jahren gibt es den passiven Impfstoff Palivizumab, ein monokloner Antikörper, der vor allem bei Frühgeborenen und Säuglingen mit hohem Risiko eingesetzt wird. Dieser muss allerdings aufgrund seiner geringen Stabilität alle vier Wochen injiziert werden.
Seit dem letzten Jahr ist Nirsevimab neu zugelassen, ein lang wirksamer Antikörper, der eine einmalige Gabe pro Saison ermöglicht und Kindern im ersten Lebensjahr effektiven Schutz vor schweren Infektionen bietet.
Die aktive Impfung richtet sich primär an ältere Erwachsene (>60 Jahre), Schwangere, sowie Personen mit Grunderkrankungen oder Immunsuppression (siehe Kasten). Dazu gehört ein adjuvantierter Totimpfstoff, der besonders für Patienten mit Grunderkrankungen geeignet ist, da er die T-Zell-Immunität erhöht.
Außerdem steht ein bivalenter Totimpfstoff zur Verfügung, der besonders für die Impfung von Schwangeren angezeigt ist, da er Säuglingen nachweislich einen Nestschutz vermittelt.
Zusätzlich ist bereits in anderen Ländern ein mRNA-Impfstoff zugelassen, der bislang in Österreich allerdings noch nicht erhältlich ist.
Wer soll geimpft werden?
Neben den passiven Immunisierungen für alle Kinder unter einem Jahr ist die aktive RSV-Impfung in Österreich ab dem vollendeten 60. Lebensjahr zugelassen und empfohlen. In besonderen Fällen wird die Impfung auch bei Erwachsenen mit definierten Risikofaktoren empfohlen.
Laut österreichischem Impfplan stellen dabei eine Indikation für die RSV-Impfung dar:
- Lebensalter >65 Jahre
- Schwere Organerkrankungen (z.B. kardiale und pulmonale Erkrankungen)
- Onkologische Erkrankungen
- Immundefekte
- Schwere respiratorische, kardiale, renale oder endokrine, metabolische, neurologische Grunderkrankungen
- Adipositas (BMI ≥30)
- HIV-Infektion oder andere immunsuppressive Erkrankungen
- Betreuung in Alten- und Pflegeheimen
Wie gut wirken die RSV-Impfungen?
Aktuelle Studien zeigen, dass die Immunität durch die (relativ kostspielige) aktive Immunisierung von Erwachsenen mindestens über zwei Jahre anhält. Beim adjuvantierten Totimpfstoff liegen sogar Daten zur Schutzwirkung über drei Saisonen vor. Schwere Verläufe lassen sich damit von der ersten bis zur dritten Saison mit der Vakzine um 70 bis 90 Prozent verhindern.
Mit den passiven Impfstoffen wird außerdem ein signifikanter Rückgang schwerer Infektionen bei Kindern im ersten Lebensjahr erwartet, die RSV erstmals ausgesetzt sind. Aktuelle Wirksamkeitsdaten etwa aus den USA weisen auf eine Effektivität von zwischen 80 und 90 Prozent bei der Vermeidung von RSV-bezogenen Hospitalisierungen hin. „Dieses Modell könnte ähnlich erfolgreich sein wie bei der Rotaviren-Impfung“, sagt Redlberger-Fritz.
RSV-Impfung: Verfügbarkeit für alle Säuglinge
Laut der Expertin ist die Vakzine mittlerweile in Österreich in ausreichender Menge verfügbar, um allen Kindern im ersten Lebensjahr zur Verfügung gestellt zu werden.
- Vortrag „RSV: Update zur Epidemiologie und Impfung“ von Ing. Dr. Monika Redlberger-Fritz im Rahmen der Vortragsreihe „Update Jungärzte – 6 Highlights in 60 Minuten“ am 22.10.2024
- Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. Impfplan Österreich 2024/2025, Version 1.0 vom 01.10.2024, abgerufen am 21. November 2024