„Nikotinabhängige richten ihr Leben oft nach der Zigarette aus“
Nikotinsucht hat eine starke psychische Dimension. Eine Expertin berichtet, wie Drogenberaterinnen und -berater die Abhängigen unterstützen, um von der Zigarette wegzukommen.
Zigaretten und andere Formen von Tabak machen abhängig. Laut dem Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg (DKFZ) ist über die Hälfte der regelmäßigen Raucherinnen und Raucher abhängig. Die Ursache für die Abhängigkeit ist das im Tabak enthaltene Nikotin, das unter anderem das sympathische Nervensystem aktiviert und im Gehirn die Freisetzung mehrerer Neurotransmitter auslöst.
Die Rolle von Ritualen und sozialen Interaktionen
Nikotin hat kurzfristig eine anregende Wirkung auf die Konsumentinnen und Konsumenten. Zugleich hat das Ritual des Rauchens – etwa das Rauchen einer Zigarette während der Arbeitspause oder die Zigarette zum Kaffee – eine entspannende Wirkung. „Das Ritual des Rauchens ist ein wichtiger Teil der Nikotinabhängigkeit“, betont Dr. Claudia Scheiber, Fachbereichsleitung der Drogenambulanzen und Drogenberatungsstellen der Arbeitsvereinigung der Sozialhilfe Kärntens im Kärntner Unterland.
Neben dem Aspekt der Entspannung hat das Ritual des Rauchens laut der Expertin auch eine soziale Dimension: der gemeinsame Konsum von Zigaretten wird als wichtige zwischenmenschliche Interaktion betrachtet.
Von der gelegentlichen Zigarette zur Abhängigkeit
„Bei vielen Raucherinnen und Rauchern stellt sich nach zwei bis drei Monaten Konsum eine körperliche Abhängigkeit ein“, erklärt Scheiber. Es kommt zu einem starken Wunsch oder sogar Zwang, die Substanz zu konsumieren („Craving“). Der Körper entwickelt gegenüber der Substanz eine Toleranz, sodass eine immer höhere Dosis zugeführt werden muss. „Nikotinabhängige richten ihr Leben oft nach der Zigarette aus“, erläutert die Allgemeinmedizinerin und Psychotherapeutin. Diese strukturieren dann ihren Tagesablauf so, dass sich regelmäßig Gelegenheiten zum Rauchen bieten. Situationen, in denen nicht geraucht werden kann, werden etwa bewusst vermieden. Das kann laut Scheiber mitunter zu beruflichen Problemen führen, etwa wenn im Arbeitsumfeld aufgrund rigoroser Rauchverbote keine Möglichkeiten zum Rauchen gegeben sind.
Die Expertin schätzt, dass 95 Prozent der Patientinnen und Patienten, welche die Drogenambulanzen und Drogenberatungsstellen in Kärnten aufsuchen, Raucherinne und Raucher sind bzw. Tabakprodukte konsumieren. Das liegt daran, dass Abhängigkeiten sehr oft kombiniert auftreten: So geht beispielsweise Alkoholabhängigkeit in vielen Fällen mit Nikotinsucht Hand in Hand.
Individuelle Beratung und vielfältige Methoden
Die Drogenambulanzen und Drogenberatungsstellen Kärntens setzen bei der Beratung, wie Betroffene von der Zigarette oder anderen Tabakprodukten loskommen können, auf die gesamte Palette der vorhandenen Möglichkeiten, zu denen unter anderem Nikotinersatztherapie, Verhaltenstherapie oder Hypnotherapie gehören. Aber auch auf das Prinzip der Harm Reduction wird gesetzt. Das heißt: Ziel ist nicht notwendigerweise die Abstinenz, sondern die Konsumreduktion. Denn eine Konsumreduktion bedeutet auch eine Reduktion der schädlichen gesundheitlichen Auswirkungen.
Ein bewährtes Mittel sind außerdem die Rauchprotokolle, bei denen die Patientinnen und Patienten minutiös notieren, zu welchen Zeiten und in welchen Situationen bzw. Stimmungen sie rauchen. Auf dieser Basis werden dann gemeinsam mit der Beraterin oder dem Berater Strategien und Alternativen für die jeweiligen Situationen erarbeitet. Ziel ist es, möglichst viele Zigaretten im Tagesablauf wegzulassen und auf diese Weise den Konsum zu reduzieren.
Tabakerhitzer und E-Zigaretten als Alternative
Eine andere Methode besteht darin, dass Raucherinnen und Raucher von herkömmlichen Zigaretten auf Tabakerhitzer oder E-Zigaretten umsteigen. Denn diese sind zwar auch nicht frei von gesundheitlichen Risiken, aber um ein Vielfaches weniger toxisch als die Verbrennungszigarette. „Die gesundheitliche Gefahr geht maßgeblich von den zahlreichen kanzerogenen Stoffen aus, die beim Verbrennen von Tabak entstehen“, stellt Scheiber klar. Ein Vorteil dieser Methode sei es, dass die Abhängigen nicht auf das Ritual des Inhalierens verzichten müssen, das ihnen so wichtig ist.
Auf jeden Fall muss die Beratung bei Nikotinabhängigkeit individuell an die Betroffenen angepasst werden, so Scheiber. „Raucht jemand nur fünf Zigaretten am Tag, wird wahrscheinlich das Ziel der Abstinenz den besseren Ansatz darstellen.Für einen starken Raucher, der seit Jahrzehnten 30 Zigaretten pro Tag raucht, kann hingegen der Umstieg auf einen Tabakerhitzer oft sinnvoll sein“.