EAN 2024: Häufige Albträume als Vorbote für kognitiven Abbau und Demenz?
Der Zusammenhang zwischen Albträumen und späterem kognitiven Abbau bzw. Demenz war Gegenstand einer Studie, die auf dem Kongress der European Academy of Neurology (EAN) in Helsinki vorgestellt wurde. Erwachsene mittleren Alters, die wöchentlich belastende Träume hatten, wiesen ein 4-fach erhöhtes Risiko für kognitiven Verfall auf; ältere Erwachsenen hatten ein 2-fach erhöhtes Risiko, an Demenz zu erkranken.
Forschende des Imperial College London, Vereinigtes Königreich, untersuchten den Zusammenhang zwischen der selbst berichteten Häufigkeit belastender Träume und dem Risiko für kognitiven Abbau und Demenz bei Männern und Frauen in der Allgemeinbevölkerung. Das Team bewertete die Häufigkeit belastender Träume anhand von Daten, die bei Erwachsenen mittleren Alters im Rahmen der Midlife in the United States Study (MIDUS) und bei 2.600 älteren Erwachsenen im Rahmen der Osteoporotic Fractures in Men Study (MrOS) und der Study of Osteoporotic Fractures (SOF) erhoben wurden. Zu Baseline wurden kognitive Tests durchgeführt und die Häufigkeit belastender Träume erfragt (nie, weniger als 1x/Woche, wöchentlich). Die Teilnehmenden wurden nach 5 und 9 Jahren erneut untersucht. Nach 9 Jahren wurde der kognitive Verfall bei Erwachsenen mittleren Alters evaluiert und nach 5 Jahren wurde bei älteren Personen der Demenzstatus erfasst.
Ergebnisse
Im Vergleich zu Erwachsenen mittleren Alters, die zu Beginn der Studie nie schlecht geträumt hatten, hatten diejenigen, die weniger als einmal pro Woche schlecht geträumt hatten, ein doppelt so hohes Risiko für kognitiven Abbau. Diejenigen, die zu Baseline wöchentlich schlechte Träume berichteten, hatten sogar ein 4-fach erhöhtes Risiko.
Ein ähnliches Bild zeigte sich in der Kohorte der älteren Erwachsenen. In der Gruppe „weniger als 1x/Woche“ erhöhte sich das Demenzrisiko um das 1,4-Fache. In der Gruppe mit wöchentlichen Albträumen war das Demenzrisiko um das 2,2-Fache erhöht. „Belastende Träume sagen kognitiven Verfall und Demenz jeglicher Ursache bei Erwachsenen mittleren und höheren Alters in der Allgemeinbevölkerung voraus“, sagte Dr. Abidemi Otaiku, Hauptautor der Studie, die als erste den Zusammenhang zwischen schlechten Träumen und Demenz untersucht.
„Öfter nach Albträumen fragen“
Während Stress, Angst oder Depression belastende Träume verursachen können, lassen auch andere Faktoren wie erschreckende Inhalte in Filmen oder die Genetik manche Personen schlecht träumen. „Neuere Forschungen haben gezeigt, dass manche Menschen eine Reihe von Genen haben, die sie anfällig für Albträume machen“, erklärte Otaiku. „Andere Studien zeigen, dass Menschen, deren Eltern Albträume haben, ebenfalls eher zu Albträumen neigen.“
Otaiku sieht für den in der Studie beschriebenen Zusammenhang 3 Theorien: eine gemeinsame Genetik, schlechter Schlaf als Risikofaktor für die Gehirngesundheit und Albträume als frühes Anzeichen einer Demenz. Rezente Untersuchungen hätten allerdings gezeigt, dass eine gemeinsame Genetik den Zusammenhang zwischen Träumen und Demenz nicht erklären kann.
Der Zusammenhang zwischen Albträumen und Gehirnerkrankungen wie Parkinson ist bereits in der Literatur belegt und könnte auch helfen, Autoimmunerkrankungen wie Lupus und Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) im Kindesalter vorherzusagen. Diese Zusammenhänge sollten daher genau untersucht werden, erklärte der Neurologe. „Albträume sind sehr stark mit vielen Gehirn- und anderen Erkrankungen verbunden, und ich bin der festen Überzeugung, dass Ärztinnen und Ärzte häufiger nach Albträumen fragen sollten.“
Strategien gegen schlechtes Träumen
Wenn die Ursache psychischer Natur ist, sollte eine angemessene Behandlung angestrebt werden, um den Stress besser zu bewältigen, sei es durch eine Änderung der Lebensweise, Psychotherapie oder Medikamente. Für Albträume ohne erkennbare Ursache kann die „Imagery Rehearsal Therapy“ (IRT) direkt vor dem Schlafengehen hilfreich sein. „Denken Sie an einen schlechten Traum, den Sie regelmäßig haben, und überlegen Sie vor dem Schlafengehen, wie Sie das Ende verändern könnten. Wenn Sie zum Beispiel denken, dass Sie von einem Tiger gejagt und gefressen werden, ändern Sie das Ende so, dass der Tiger Ihnen eine Umarmung gibt. Sie können es sogar aufschreiben und sich dieses Bild vor dem Schlafengehen im Kopf einprägen“, beschreibt Otaiku.
5% der Allgemeinbevölkerung haben Albträume, die als Albtraumstörung eingestuft werden könnten. Wenn sie die Lebensqualität wirklich beeinträchtigen, sollten Betroffene nicht zögern, ärztliche Hilfe aufzusuchen, rät Otaiku. „Lassen Sie Ihre Albträume nicht unbehandelt und sprechen Sie mit Ihrer Hausärztin oder Ihrem Hausarzt darüber.“
Presseaussendung zu „Distressing dreams, cognitive decline, and risk of dementia: A prospective study of three population-based cohorts“.10th Annual Congress of the European Academy of Neurology (EAN), Helsinki, 29.6.2024.