Marfan-Syndrom: Wenn das Bindegewebe schlapp macht
Viele verschiedene Anzeichen wie ein schmaler, langer Körper, überdehnbare Gelenke, oder Probleme mit den Augen, Skoliose, Kiel- oder Trichterbrust deuten auf das Marfan-Syndrom hin. Es ist eine angeborene Erkrankung des Bindegewebes, das in diesem Fall schwächer als normal ist.
Das Marfan-Syndrom, eine genetische Bindegewebsschwäche, die entweder autosomal dominant vererbt werden kann oder durch eine neue Mutation entsteht, kann Probleme am Herzen, an der Aorta, an der Hirnhaut, den Augen, am Skelett und eigentlich fast überall im Körper verursachen. Die geschätzte Häufigkeit der Krankheit liegt bei etwa 1 von 5.000 bis 10.000 Menschen, wobei die Dunkelziffer sehr hoch zu sein scheint, weil die Diagnose sehr komplex ist und oft nicht stattfindet.
Im Gespräch mit Dr. Zsuzsanna Arnold, Leiterin der Marfan-Ambulanz der Herz- und Gefäßchirurgie in der Klinik Wien-Floridsdorf, wird deutlich, dass eine Diagnose des Marfan-Syndroms sehr komplex ist, daher rät sie, bei Erweiterungen der Aorta oder auch bei äußerlichen Merkmalen die Betroffenen in eine Marfan-Ambulanz* zu überweisen, wo auch die komplexe Diagnose gestellt werden kann. Diese besteht einerseits aus einer genetischen Testung, andererseits sind verschiedene Kriterien der zweiten Gent-Nosologie wie die Analyse der Familiengeschichte und eine genaue Beurteilung vorhandener Merkmale zu beurteilen.
Watchful Waiting bis zur Operation
Kurativ ist das Marfan-Syndrom nicht behandelbar. Symptomatisch können alle Merkmale außer dem an der Aorta behandelt werden. Im Sinne des Watchful Waiting werden für die Aorta sehr engmaschige Kontrollen empfohlen sowie die richtige Blutdruckeinstellung mit entsprechenden Medikamenten. Im Endeffekt ist aber eine Operation der Aorta ausschlaggebend, um die Lebenserwartung der Betroffenen an die der Normalbevölkerung anzugleichen.
„Endlich hat das Kind einen Namen“
Margit Aschenbrenner, Obfrau der Marfan Initiative Österreich, ist betroffen und hat von ihrer Erkrankung erst sehr spät erfahren. Ihr Vater ist mit 36 Jahren an einem Bauchaortenaneurysma verstorben, zu diesem Zeitpunkt wurde die Erkrankung nicht erkannt. Sie und ihre beiden Geschwister zeigten immer schon typische Merkmale. Sie sind sehr groß, haben eine leicht verschobene Wirbelsäule und Augenprobleme. Diese Auffälligkeiten blieben unerkannt, bis im Erwachsenenalter schließlich, zufällig bei einer kardiologischen Untersuchung, festgestellt wurde, dass die Aorta und Herzklappe nicht in Ordnung waren. Selbst nach einer zu dem Zeitpunkt notwendigen Operation wurde noch keine genetische Testung vorgenommen. Allerdings wurde Frau Aschenbrenner zu engmaschigen Kontrolluntersuchungen geraten. 10 Jahre nach ihrer Herzoperation kam es zur Dissektion der Aorta, aufgrund derer sie schließlich getestet und das Marfan-Syndrom festgestellt wurde. Für Frau Aschenbrenner war diese Diagnose eine gewisse Erleichterung, endlich konnte sie sich erklären, warum sie immer „anders“ war. Aufgrund ihrer Diagnose wurden auch ihre Geschwister genetisch getestet, die ebenfalls betroffen sind. Diese Diagnose macht es möglich, dass die Symptome der Familie Aschenbrenner gut behandelbar sind und die immer wieder auftretenden Schwierigkeiten, die sich in den Augen, den Gelenken, in der Dura oder auch am Herzen zeigen, beherrschbar bleiben.
„Marfan ist eine Qualle mit lauter Fangarmen, immer wieder schlägt ein Arm zu“
Das Marfan-Syndrom hat viele Gesichter und die Krankheit äußert sich individuell sehr unterschiedlich. Gemeinsam haben die Betroffenen, dass unterschiedliche Symptome immer wieder auftreten.
Da der Muskelaufbau schlecht funktioniert, sind die Gelenke überbelastet, durch die Größe ist die Wirbelsäule angegriffen, eventuell kommt es früher zum Grauen Star und noch viele anderen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, bis hin zu Aorten-Dissektionen. Wie es Frau Aschenbrenner beschreibt: „Überall ist Bindegewebe drin, und so kann es überall zu Problemen kommen.“ Gutes Krankheitsmanagement und eine stabile psychische Gesundheit sind für die Lebensqualität der Betroffenen besonders wichtig.
Marfan Initiative Österreich
Wissen zu vermitteln und Betroffene bestmöglich zu unterstützen und beizustehen, das sind die Ziele der Marfan Initiative Österreich, die auch international bestens vernetzt ist. Für Menschen mit Marfan ist es oft schwierig, ihre Beschwerden richtig zu deuten und entsprechend behandeln zu lassen. Wissens- und Erfahrungsaustausch sowie praktische Tipps können helfen und das Gefühl „nicht allein zu sein“ ist für viele Betroffene eine große Stütze im Leben mit Marfan. Auf der Webseite der Initiative gibt es Information und die Kontaktmöglichkeit.
Viel Forschung durch internationale Bemühungen der Marfan Initiativen weltweit
International wird viel geforscht, Mut machen bereits vorhandene Medikamente, die die Gefäßwand stabilisieren können. Blutdrucksenkende Arzneimittel stehen hier im Mittelpunkt der Forschung. Der Fokus, so berichtet Arnold weiters, liegt auf der Aorta. Wenn hier eine Stabilisierung ohne Operation erreicht werden könnte, wären wir schon sehr viel weiter.
Kontakt:
Marfan Initiative - Dr. Zsuzsanna Arnold, Leiterin der Marfan Ambulanz der Gefäß- und Herzchirurgie in der Klinik Floridsdorf
*Marfan-Ambulanzen gibt es in Wien, Graz und Innsbruck