40 Jahre Herztransplantation (HTX) in Wien
Vor 40 Jahren transplantierten 3 Ärzte erstmals in Wien ein Spenderherz. Ein Jahr später bekam auch Walter Weiss, damals 40, ein neues Leben – bis heute ist er fit. Seit den Pioniertagen hat sich viel getan: durch innovative Konzepte stieg die Überlebensrate deutlich, auch die Abstoßungsrate sank.
Der gelernte Maschinenschlosser war der 5. HTX-Patient in Wien und lebt heute noch. Infolge einer Herzmuskelentzündung war sein Herz so geschädigt, dass Walter Weiss am 8.4.1985 ein neues bekam. Seither ist er bei den großen Jubiläen stets dabei, so auch dieser Tage mit Univ.-Prof. PD Dr. Daniel Zimpfer, Ao. Univ.-Prof. Dr. Andreas Zuckermann und Univ.-Prof. Dr. Edda Tschernko.
Es war der 5. März 1984, als ein Team um Dr. Hermann Kassal, Prof. Dr. Axel Laczkovics und Prof. Dr. Ernst Wolner das erste Mal in Wien erfolgreich ein menschliches Spenderherz verpflanzt hat. Österreichweit kamen ihnen die Innsbrucker rund um Prof. Dr. h.c. Raimund Margreiter und Univ.-Prof. Dr. Franz Gschnitzer knapp zuvor, sie führten bereits 1983 die erste HTX durch – 16 Jahre nach der ersten weltweit, unter der Leitung von Prof. Dr. Christiaan Barnard in Kapstadt am 3.12.1967.
An AKH Wien und MedUni Wien wurden in den letzten 40 Jahren 1.783 Spenderherzen transplantiert, das sind im Schnitt 40–50 jährlich. „Wien ist weltweit eines der größten Zentren für Herztransplantationen“ sagt Zimpfer, Leiter Universitätsklinik für Herzchirurgie von MedUni Wien und AKH Wien. Geografisch decke man Wien, Niederösterreich, das nördliche Burgenland, weite Teile Oberösterreichs und Kärntens ab.
Wien versorgt alle Kleinkinder, die Spenderherz benötigen
Auch alle Kleinkinder, die ein Spenderherz benötigen, werden in Wien versorgt. „Durchschnittlich sind Empfängerinnen und Empfänger von Spenderherzen 50 Jahre alt“, fährt Zimpfer fort, drei Viertel seien männlich. Als die häufigsten Gründe für Herztransplantationen zählt er Kardiomyopathien wie Herzinsuffizienzen sowie koronare Herzkrankheiten auf. Seltener seien infunktionale Herzklappen, angeborene Herzfehler oder Speichererkrankungen.
„Die durchschnittliche Wartezeit auf ein Spenderorgan beträgt 6–9 Monate“, berichtet Zimpfer. Bei einer Listung als „hochdringlich“ bei Eurotransplant könne sich die Wartezeit auf 10–14 Tage reduzieren. Ein Viertel der Patientinnen und Patienten erhalte ein Kunstherz, das auch ein jahrelanges Überleben ermögliche und die Wartezeit auf ein Spenderherz überbrücke.
Neueste Entwicklungen: „Ex-vivo-Präservationssysteme“
Wien gilt auch als führendes Zentrum in der Innovation der sogenannten Herzpräservation. „Ein Spenderherz hält maximal 4 Stunden außerhalb des Körpers“, schildert Zuckermann, Programmdirektor Herztransplantation an der Universitätsklinik für Herzchirurgie von MedUni Wien und AKH Wien. Anfangs habe man die Organe vom Blutkreislauf abgekoppelt, in simplen Transportboxen gekühlt und zum Transplantationszentrum gebracht.
2007 sei in Wien erstmals das „Organ Care System“ zum Einsatz gekommen: Dabei wird das Spenderorgan maschinell mit einer blutähnlichen Lösung bei Körpertemperatur durchspült. Das ermöglicht eine längere Konservierung, das Spenderorgan nimmt außerdem weniger Schaden. „Neueste Entwicklungen sind Ex-vivo-Präservationssysteme, die das Herz am Schlagen erhalten“, sagt Zuckermann.
Für erfolgreiche Transplantationen ist ein multidisziplinäres, eingespieltes Team erforderlich. Besonders wichtig sei die Rolle des ärztlichen Teams und des Pflegeteams in der unmittelbar postoperativen Betreuung, weil das Spenderherz sich der neuen, oft gänzlich anderen Kreislaufsituation anpassen müsse, erklärt Tschernko, Leiterin der Klinischen Abteilung für Herz-Thorax-Gefäßchirurgische Anästhesie und Intensivmedizin von MedUni Wien und AKH Wien.
Akute Abstoßung: Wenige Minuten „entscheidend“
Das Management einer seltenen akuten Abstoßung beschreibt Tschernko als „sehr fordernd“ für das Team der Intensivstation: „Hier entscheiden eine möglichst frühe Diagnose und rasches Handeln über den Erfolg. Wir sprechen hier von Minuten bis zur Einleitung der richtigen Therapie, um einen katastrophalen Kreislaufkollaps in der akuten Abstoßung zu verhindern.“
Was postoperative psychische Belastungen hinsichtlich der „Akzeptanz“ des neuen Herzens betrifft, würden die Patientinnen und Patienten bereits auf der Intensivstation psychologisch begleitet. „Große Fachkompetenz sowie Einfühlsamkeit und Gesprächsbereitschaft der Ärztinnen, Ärzte und Pflegepersonen tragen zur Genesung entscheidend bei“, weiß Tschernko.
Abstoßungsrate auf 10–12% gesunken
Gegenüber den Anfangsjahren habe die enge Kooperation zwischen Herzchirurgie und Intensivmedizin zu einer Steigerung der Überlebensrate von 75% auf mittlerweile 91% geführt. Rund 85% der Menschen mit Spenderherz leben heute länger als 5 Jahre, drei Viertel sogar länger als 10 Jahre. Auch die Abstoßungsrate von rund 50% in den 1980er-Jahren sei auf heute 10–12% gesunken.
Um Abstoßungen zu vermeiden, würden alle Patientinnen und Patienten eine Immunsuppression benötigen – und zwar lebenslang. Auch hier nehme die MedUni Wien als Zentrum der Innovation eine führende Rolle ein: Davon zeugen viele prospektiv randomisierte Multicenterstudien, deren Ergebnisse die Behandlung weltweit beeinflusst haben. Heutiger Standard sei eine „individualisierte Therapie“ auf Basis des persönlichen Risikos für Abstoßung und Nebenwirkungen sowie unter Zuhilfenahme von Biomarkern.
„Von der Schwelle zum Tod in ein fast normales Leben“
Jährlich verzeichnet die Herzchirurgie-Ambulanz im AKH Wien rund 3.000 Patientenkontakte, davon mehr als 500 in Nachbetreuung. Einer davon ist Weiss. „Ich bin von der Schwelle zum Tod in ein fast normales Leben mit voller Leistungsfähigkeit zurückgekehrt“, erinnert er sich an das Schicksalsjahr 1985. Seit 39 Jahren müsse er etwa alle 3 Monate zur Kontrolle in die AKH Wien-Ambulanz – was er gerne in Kauf nehme.
Lebensgeschichten und Erfahrungen von Betroffenen: https://www.hlutx.at/