Unerforschter Schleim: die Rolle des Mukus bei Atemwegserkrankungen
Der Mukus ist für den Abtransport von Keimen und anderen Schadstoffen aus der Lunge unverzichtbar. Überproduktion bzw. pathologische Zusammensetzung des Mukus werden bei verschiedenen Atemwegserkrankungen beobachtet und spielen ihrerseits eine pathogene Rolle.
Der Mukus stellt die erste Abwehrbarriere der Atemwege gegen Noxen aus der Atemluft dar. Die lumenwärts gerichteten Zelloberflächen des respiratorischen Epithels sind mit einem Flüssigkeitsfilm („airway surface liquid”, ASL, oder „airway lining fluid“) bedeckt. Dieses Atemwegssekret findet sich nahezu auf der gesamten Bronchialschleimhaut, distal bis etwa zur 16. Bronchiengeneration. Der Flüssigkeitsfilm besteht aus einer niedrigviskosen Sol-Phase, die auch als periziliäre Flüssigkeitsschicht bezeichnet wird, und einer darüber liegenden Gel-Phase, dem Mukus. Das System aus respiratorischem Epithel und Sekret ist für den Abtransport körperfremder Substanzen und Partikel (wie zum Beispiel Krankheitserreger) aus den Atemwegen verantwortlich. Dieser Vorgang wird als mukoziliäre Clearance (MCC) bezeichnet. Gesunder Mukus besteht zum größten Teil aus Wasser (97%), hinzu kommen jeweils 1% Muzine, andere Proteine und Salz. Muzine sind große Glykoproteine, die die rheologischen Eigenschaften des Mukus bestimmen. Von diesen Eigenschaften hängt auch ab, wie gut der Mukus in den Atemwegen transportiert werden kann.1 Eine Dysregulation der MCC führt zur Retention von Sputum und damit zu Erkrankungen der Lunge, so Prof. Dr. Kathryn Ramsey von der University of Western Australia, die die Mukus-Biologie als in der Forschung unterrepräsentiert bezeichnet.
Zäher Schleim blockiert den Abtransport von Krankheitserregern
Zu den sogenannten mukoobstruktiven Erkrankungen tragen einerseits eine Überproduktion und Sekretion der Muzine MUC5AC und MUC5B bei, andererseits aber auch ein gestörter Ionentransport durch die Membran der sekretorischen Zellen. Der aktive Export von Chlorid-Ionen durch die Membran in den Mukus sowie der aktive Transport von Natrium-Ionen aus dem Mukus durch die Zellmembran in die Epithelzelle regulieren die Hydrierung des Mukus. Durch die Regulation dieser Prozesse kontrolliert das Epithel die Wassermenge an der Oberfläche der
Atemwege. In gesunden Atemwegen entsteht so nach Sekretion und Hydratation der Muzine eine dünne Mukusschicht über den Zilien. Sind diese Prozesse gestört, kommt es zur Mukustase und zu Infektionen, so Ramsey. Die Zilien werden dabei buchstäblich flachgedrückt. Ramsey: „Wenn dies geschieht, kann der Mukus zunächst noch ausgehustet werden. Bei weiterer Akkumulation und Konzentration versagt auch diese Form der Clearance.“
Eine erhöhte Muzin-Konzentration wird bei verschiedenen Lungenkrankheiten gefunden. Bei COPD ist sie höher als in einer gesunden Lunge, noch mehr Muzin wird bei Bronchiektasen produziert und die höchsten Muzin-Konzentrationen finden sich schließlich bei zystischer Fibrose und primärer ciliärer Dyskinesie.2
Individuell stark schwankende Mukus-Konzentration
Im Falle der Bronchiektasen zeigt sich allerdings, dass die Mukus-Konzentration individuell stark variiert. Ramsey: „Das könnte der Grund sein, warum wir in Studien mit mukolytischen Therapien so deutlich heterogene Resultate sehen, und zeigt, dass wir individualisierte Therapien benötigen werden, wenn wir versuchen, bei der Mukus-Obstruktion anzusetzen.“ Als wichtiger Faktor für die Qualität des Mukus erwies sich das Verhältnis von MUC5AC zu MUC5B, das bei Bronchiektasen und zystischer Fibrose im Vergleich zu gesunden Kontrollen erhöht ist. Ein weiterer individuell stark variabler Faktor ist die Viskosität des Mukus, der in manchen Fällen „die Konsistenz von Honig“ erreichen kann. Dieser Mukus „klebt am Epithel“, so Ramsey, und ist kaum noch auszuhusten.3
Pathologisch veränderter Mukus korrespondiert auch mit der neutrophilen Inflammation der Atemwege, wobei man Ramsey zufolge „eine Henne oder Ei“-Situation vorfindet: „Wir wissen nicht, ob pathologischer Mukus die neutrophile Inflammation verursacht oder ob sich bei neutrophiler Inflammation der Mukus verändert. Vermutlich haben wir es mit einem muko-inflammatorischen Feedback-Kreis zu tun, der sich nur schwer durchbrechen lässt, wenn er einmal Fahrt aufgenommen hat. Wir benötigen dringend mehr Forschung zu den Zusammenhängen zwischen Mukus-Produktion und neutrophiler, aber auch eosinophiler Inflammation.“ In Gang gesetzt wird dieser Kreislauf vermutlich nicht durch die in den Atemwegen häufigen bakteriellen Erreger, sondern durch virale Infektionen sowie durch Aspiration oraler anaerober Bakterien. Allerdings trägt pathologischer, hyperkonzentrierter Mukus in weiterer Folge zur Besiedelung der Atemwege mit klassischen unerwünschten Keimen bei und erleichtert beispielsweise Pseudomonas die Biofilm-Bildung.5 Die Modulation der Muzine könnte daher hilfreich dabei sein, chronische Infektionen bei Patientinnen und Patienten mit Bronchiektasen oder anderen Lungenerkrankungen zu verhindern.
Quelle: ERS Satellites 2024, Session „Bronchiectasis“, online, 5.3.24