13. März 2024Frühsommer-Meningoenzephalitis

FSME: Die Zeckensaison beginnt immer früher

Zecken gelten weltweit als Vektoren für eine Vielzahl von Viren und Bakterien, die Mensch und Tier infizieren können. Schon seit Jahren werden Zecken in unseren Breiten immer früher, zum Teil bereits um die Weihnachtszeit, aktiv.

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Dermacentor, die Buntzecke, ist dieses Jahr, ebenso wie Ixodes ricinus, der Gemeine Holzbock, außergewöhnlich früh im Jahr aktiv geworden. Eine verfrühte Aktivität wird begünstigt durch sehr milde Winter und könnte auf lange Sicht durchaus bedeuten, dass es zu einem Anstieg der Zeckenpopulation kommen und somit das Risiko für Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) und andere Krankheiten zunehmen könnte, erklärt Priv.-Doz. Dr. Georg Duscher von der AGES Tiergesundheit.

EU-weites Monitoring-Projekt neu aufgetretener Zeckenarten

Auch das Auftreten der Tropischen Riesenzecke könnte in unseren Breiten durch milde Temperaturen im Winter begünstigt werden. Diese werden mit den Zugvögeln als vollgesogene Nymphen nach Europa transportiert, häuten sich über den Sommer und begeben sich im Herbst wieder auf Wirtsfindung. Vor allem Pferdehalter melden das Auftreten dieser Zecken, so Duscher. Tatsächlich wurden seit 2018 bisher 17 dieser Zecken in Österreich (hauptsächlich OÖ, NÖ) gefunden. Die Tropische Riesenzecke bewegt sich mit 30cm pro 7s, wobei der Wirt im Gegensatz zu heimischen Zecken aktiv aufgesucht wird. Riesenzecken sind problematisch, da sie neue Krankheiten wie das Krim-Kongo-Hämorrhagische-Fieber übertragen können. Das EU-weite Projekt „OH SERVector“ wurde zum Monitoring dieser neu aufgetretenen Zecken (bzw. Gelsen) gemeinsam mit Partnerländern wie Tschechien, Griechenland, Ungarn und der Slowakei ins Leben gerufen. In diesem Rahmen sollen Zeckenfunde von der Bevölkerung eingemeldet und eingeschickt werden können.

Mensch als Fehlwirt

Weltweit sind mehr als 900 verschiedene Zecken bekannt, die ein großes Spektrum an Krankheiten auf Mensch und Tier übertragen können. Der Mensch gilt hierbei als Dead-end Host, ein Fehlwirt, von dem die Krankheit nicht mehr weitergegeben wird.

Zecken fungieren als sogenannte Vektoren für humanpathogene und tierpathogene Erreger. Heimische Zecken können FSME und Borrelien, eine bakterielle Erkrankung, übertragen, so OA Dr. Bernhard Haas vom Institut für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie – IKM, Steiermärkische Krankenanstaltengesellschaft m. b. H. (KAGes).

Ganz Österreich sowie Länder wie Deutschland, Polen, Tschechien, Ungarn, Schweden und Finnland, die baltischen Staaten, Kroatien, Slowenien und Albanien sind Endemiegebiete für FSME. Kein Risiko besteht auf der Iberischen Halbinsel, dem Vereinigten Königreich, den Benelux-Ländern und Dänemark.

Gemeiner Holzbock als Hauptüberträger

Der Gemeine Holzbock ist der Hauptüberträger der FSME (Flaviviridae) in Europa. Er läuft seinem Opfer nicht nach, sondern lauert als Larve auf Gräsern bis maximal 30cm Höhe, als Nymphen auf weniger als 1m hohen Gräsern und als adulte Zecken auf Kräutern und Büschen bis maximal 1,5m Höhe. Dabei sitzen die Zecken meist an der Unterseite der Blattenden. Ist eine Zecke von FSME befallen, bleibt das Virus lebenslang enthalten. Viren können auch transovariell über mehrere Generationen weitergegeben werden.

Überwiegend sind Zeckenstiche beim Erwachsenen an den unteren Extremitäten, der Inguinal- oder der Genitalregion zu finden.

Durch schmerzstillende Substanzen im Speichel wird der Stich der Zecke oft anfangs nicht wahrgenommen. Auch eine schnelle Entfernung der Zecke bietet keinen Schutz vor einer Infektion, denn FSME wird sofort mit dem Stich übertragen. In seltenen Fällen ist auch eine Übertragung von FSME durch den Verzehr von unpasteurisierter Milch möglich. Die Inkubationszeit beträgt zwischen 1 und 4 Wochen. Nur 30% der Personen, die von einer infizierten Zecke gestochen werden, weisen auch tatsächlich Symptome auf.

FSME: Diagnostik, Therapie und Prävention

Der Verlauf der Erkrankung ist biphasisch. In der ersten Phase treten unspezifische grippeähnliche Symptome, mäßiges Fieber, Kopfschmerzen und Schwindel auf. Nach einem fieberfreien Intervall von etwa einer Woche kann es bei ca. 10% der Infizierten zu einer Meningoenzephalitis mit Fieber, Erbrechen bis hin zu Koma kommen. Die Diagnose erfolgt mittels Antikörpernachweis (IgG, IgM) im Liquor bzw. Serum oder PCR. „Seit mindestens 50 Jahren ist im zentraleuropäischen Raum jedes Jahr ein Zeckenjahr“, so Prim. Univ.-Prof. Dr. Joerg R. Weber von der Abteilung für Neurologie des Klinikum Klagenfurt. Die Frühsommer-Meningoenzephalitis betrifft nicht – wie sein Name sagt – nur den Frühling, sondern tritt fast das ganze Jahr über auf.

Die Meningitis äußert sich durch heftigen Kopfschmerz, Lichtscheu und Übelkeit, wohingegen eine Enzephalitis zu Ausfällen führt. Dramatisch ist es dann, wenn Strukturen des Gehirns betroffen sind, die mit Atmung oder Bewegung zu tun haben und zu Lähmungen oder Atmungsausfällen führen. Entzündungen des ZNS sind immer Notfälle.

Bei der FSME steht kein Virostatikum zur Verfügung, das die Erkrankung beherrscht. Es gibt keine spezifische Behandlung, sondern nur eine begleitende Therapie der Symptome.

Die einzige effiziente Methode der Bekämpfung ist die Immunisierung. Die Grundimmunisierung für Erwachsene besteht aus 3 Impfungen (0/1/6), für Kinder steht ein eigener Impfstoff zur Verfügung. Die erste Auffrischung erfolgt 3 Jahre nach der Grundimmunisierung, die weiteren Auffrischungsimpfungen bis zum vollendeten 60. Lebensjahr alle 5 Jahre, ab dem vollendeten 60. Lebensjahr alle 3 Jahre aufgrund der Immunseneszenz.

Eine gewissenhafte Überprüfung des Impfstatus ist daher besonders wichtig. „Jede Impfung ist besser als keine Impfung“, so Weber.

Quelle: Pressekonferenz „FSME: Ein Zeckenstich mit Folgen“, Wien, 13.3.2024