28. Feb. 2024Post-Covid

Postinfektiöse Syndrome in der Hausarztpraxis

Eine aktualisierte Leitlinie und ein Webtool befassen sich mit dem Management postviraler Zustände und leiten Ärztinnen und Ärzte durch Diagnose und Versorgungsweg.

Suche nach Informationen zur Post-COVID-19-Ära, aufgenommen mit einem Makrosondenobjektiv
ymgerman/AdobeStock

Angesichts der Häufigkeit, mit der postvirale Symptome zuletzt infolge von Covid-Infektionen auftreten, betont Dr. Susanne Rabady, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (ÖGAM), den hohen Stellenwert einer rechtzeitigen Differenzialdiagnose. „Und das nicht erst nach 3 Monaten, sondern so schnell wie möglich“, so die Allgemeinmedizinerin. Registerdaten aus Finnland zeigen, dass rund 1,4% der mit Covid Infizierten nach 3 Monaten immer noch unter Beschwerden leiden. Das sei zwar an und für sich kein hoher Prozentsatz, „aber das Problem ist, dass Covid so häufig ist, dass es in Folge auch viele Post-Covid-Fälle gibt.“ In Österreich gehe man derzeit von 100.000 Betroffenen aus, erklärt Rabady.

Erste interdisziplinäre Leitlinie inkl. Webtool

Auch wenn Post-Covid und andere postinfektiöse Syndrome (Post Acute Infections Syndrome, PAIS) bisher nicht kausal therapierbar sind, sei es doch wichtig, Betroffene bestmöglich zu behandeln und zu begleiten. Das sei keine leichte Aufgabe, aber notwendig – denn nicht jedes Symptom, das in zeitlichem Zusammenhang mit einer COVID-Infektion auftritt, ist auch auf diese zurückzuführen. „Das muss nicht unbedingt Post-Covid sein, sondern es könnten auch andere Erkrankungen dahinterstecken, die man nicht übersehen darf!“, warnt Rabady.

Um aus der Vielfalt an Symptomen, die abgeklärt werden müssen, die richtige Differenzialdiagnose stellen zu können, bekommen niedergelassene Ärztinnen und Ärzte Unterstützung von der S1-Leitlinie für das Management postviraler Zustände am Beispiel Post-Covid-19* und das daraus entwickelte Webtool. „Die Leitlinie legt den Versorgungsweg genau fest und es ist auch die erste interprofessionelle Leitlinie. Die Aufgaben der Primärversorgung, der niedergelassenen Spezialistinnen und Spezialisten sowie die Aufgaben einer darauffolgenden 2. und 3. Ebene sind genau geklärt“, freut sich die ÖGAM-Präsidentin. Der Haken daran, wie Rabady einräumt, ist, dass es in der 2. Ebene zu wenige Angehörige aller beteiligten Berufe mit dem nötigen Expertenwissen zu postviralen Syndromen gebe. „Das betrifft nicht nur Österreich, sondern ist ein weltweites Problem“, so Rabady. Die ÖGAM suche derzeit nach Lösungen, um die Expertise in die Breite zu bringen und bittet auch um Feedback zu dem Webtool.

Vorsorge wäre besser als Nachsorge

Um Patientinnen und Patienten auch jetzt optimal versorgen zu können, müsse dringend mehr Fokus auf Prävention gelegt werden, urgiert Dr. Edgar Wutscher, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte. Derzeit, so kritisiert er, liege der Fokus zu sehr auf der kurativen Medizin.

Ein wesentlicher Punkt in der Präventionsarbeit seien Impfungen. „Diese müssen niederschwellig angeboten werden. Dazu müssen wir Organisationsformen anbieten, mit denen die Bevölkerung rasch und unkompliziert über die Ordinationen zu einer entsprechenden Vorsorge kommt“, legt Wutscher dar. Natürlich sei auch wichtig, sich Zeit für die Aufklärung zu nehmen.

Ein niederschwelliger Zugang bedeutet für den ÖÄK-Vizepräsidenten, dass Ärztinnen und Ärzte Impfstoffe in den Ordinationen lagern können, sodass sie jederzeit spontan verimpft werden können. Es müssten aber auch teils sehr teure Impfungen bundesweit ins Impfprogramm aufgenommen und kostengünstig oder kostenfrei zur Verfügung gestellt werden, so Wutscher.

Der zweite Schritt müsse sein, Schnelltests bei viralen Infekten kostenlos anbieten zu können. „Diese Tests müssen durch die Sozialversicherungen zur Verfügung gestellt werden, das kann keine Privatleistung bleiben. Der Hausverstand sagt doch, dass solche Tests, die nicht unendlich teuer sind, der Versicherung unterm Strich Mehrkosten sparen, die man für die Behandlung ausgeben muss“, bemängelt der Ärztevertreter.

Eine Therapie sei dann am erfolgreichsten, wenn sie schnell angeboten werden könne. Dazu brauche es einerseits die Tests, andererseits erneuert Wutscher auch den Wunsch, dass zumindest Basismedikamente direkt in den Ordinationen abgegeben werden können. „Es macht keinen Sinn, einen infektiösen Patienten in die Apotheke zu schicken, wo er dann endlich die Medikamente bekommt, die er braucht“, so der ÖÄK-Vizepräsident abschließend.

Quelle: „Postvirale Zustände und was niedergelassene Ärztinnen und Ärzte leisten können“, Pressegespräch der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), Wien 28.2.2024