Long Covid & ME/CFS: Referenzzentrum geplant
In Österreich soll ein nationales Referenzzentrum für postvirale Erkrankungen inklusive Long Covid und ME/CFS entstehen. Gesundheitsminister Johannes Rauch folgt damit den Empfehlungen des Obersten Sanitätsrats und kündigt an, diese rasch umsetzen zu wollen.
Die Nachricht sorgte bei Betroffenen und ihren Behandelnden für Hoffnung: Bei der Eröffnung des Symposiums von Gesundheitsministerium (BMSGPK) und Gesundheit Österreich (GÖG) zu „Folgezuständen nach Virusinfektionen – mit Fokus auf Long Covid und ME/CFS“ am 20.11.2023 (s. Kasten) gab Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) bekannt, ein nationales Referenzzentrums für postvirale Erkrankungen einrichten zu wollen.
„Der Leidensdruck von Betroffenen mit postviralen Erkrankungen wie ME/CFS ist enorm“, betont der Gesundheitsminister. Da ein klarer Biomarker fehle und die Symptome der Betroffenen sehr unterschiedlich seien, gestalte sich der Weg zur Erstdiagnose und zur zielgerichteten Behandlung noch immer kompliziert. Ebenso erschwere die Behandlung, dass für die Versorgung oft verschiedene Disziplinen zusammenarbeiten müssten.
Bis zu 80.000 Betroffene in Österreich
Postvirale Syndrome wie ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronic-Fatigue-Syndrom) zeichnen sich u.a. durch eine Belastungsintoleranz und pathologische Fatigue aus. Sie seien einer „breiten Bevölkerung“ durch das Aufkommen von Long Covid im Zuge der Pandemie bekannt geworden. In Österreich gehe man von bis zu 80.000 Betroffenen aus. Zum Vergleich: Vor der Corona-Pandemie sollen es etwa 30.000 gewesen sein.
„Durch die Einrichtung eines nationalen Referenzzentrums können wir die Forschung ausbauen und die Versorgung künftig deutlich verbessern“, ist Rauch überzeugt. Das Referenzzentrum solle als zentraler Knotenpunkt die Wissensvermittlung und Forschung sowie den Austausch mit der Praxis koordinieren und Betroffenen medizinische Betreuung auf neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen ermöglichen.
Die Einrichtung eines nationalen Referenzzentrums fußt auf Empfehlungen des Obersten Sanitätsrats, dem Beratungsgremium des Gesundheitsministeriums. Die Empfehlungen umfassen außerdem die Schaffung eines Nationalen Aktionsplans für postvirale Erkrankungen sowie eine vertiefende Kompetenzbildung für alle Berufsgruppen, die in die Versorgung von Betroffenen und ihren Angehörigen involviert sind. Rauch kündigte an, alle Empfehlungen „rasch“ umsetzen zu wollen.
SPÖ: „Wichtige Versorgungslücke“ werde geschlossen
SPÖ-Frauensprecherin Eva-Maria Holzleitner, BSc, und SPÖ-Volksanwaltschaft-Sprecher NR-Abg. Rudolf Silvan zeigten sich in einer Aussendung erfreut über die Ankündigung des geplanten Referenzzentrums. Wenn der Gesundheitsminister seine Ankündigungen rasch umsetze, „wird endlich eine wichtige Versorgungslücke geschlossen“.
Der massive Einsatz von Patientinnen und Patienten, Angehörigen, medizinischen Personal und der SPÖ hätte sich dann endlich bezahlt gemacht. Bereits im April habe es einen diesbezüglichen Allparteienantrag im Parlament gegeben. Die SPÖ-Abgeordneten seien in den letzten Jahren von vielen Betroffenen kontaktiert worden. Häufig handle es sich um Frauen in jungen und mittleren Jahren.
Österreichweit sind Holzleitner und Silvan zufolge zumindest rund 100.000 Personen in unterschiedlicher Ausprägung von Symptomen wie Konzentrationsstörungen, Wortfindungsstörungen, Merkstörungen, Verlust der Fähigkeit zum Multitasking und „Brain Fog“ betroffen. Bei schwereren Fällen könnten Betroffene kaum längere Zeit aufrecht sitzen oder sind ans Bett gefesselt und berichten von einer bleiernen Ohnmacht.
Auch Post-Vac-Syndrom wenig erforscht
Neben Long Covid und ME/CFS seien auch Post-Vac-Syndrom wenig erforscht. Dabei handle es sich um schwerwiegende Folgen, die in sehr seltenen Fällen mit ähnlichen Symptomen wie Long Covid nach einer Impfung auftreten können, betonen die SPÖ-Frauensprecherin und der SPÖ-Volksanwalt-Sprecher.
Hier habe der deutsche Gesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach im Sommer gefordert, dass das Post-Vaccine-Syndrom besser untersucht werden müsse. Es sei zwar noch nicht Weihnachten, so Holzleitner und Silvan, „aber ein Versorgungs- und Forschungszentrum, das alle Beteiligten mit ins Boot holt, wäre unser großer Wunsch“.
Symposium zu postviralen Erkrankungen
Das „Symposium zu Folgezuständen nach Virusinfektionen – mit Fokus auf Long Covid und ME/CFS“, eine Kooperationsveranstaltung des Gesundheitsministeriums gemeinsam mit der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG), die am 20.11.2023 an der Veterinärmedizinischen Universität Wien stattfand, war mit knapp 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern gut besucht. Die hochkarätigen Vortragenden kamen aus allen Fachrichtungen, darunter Allgemeinmedizin (Prof. Dr. Kathryn Hoffmann), Neurologie (Dr. Michael Stingl) und Innere Medizin (Prim. Doz. Dr. Arschang Valipour).
Aktuelle Projekte und Aktivitäten stellten u.a. Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Prof. Dr. Uta Behrends, Klinik München, Prof. DDr. Eva Untersmayr-Elsenhuber, Medizinische Universität Wien, sowie Dr. Susanne Rabady, ÖGAM – Österreichische Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin, vor. Auch Betroffene (Astrid Hainzl, MSc, Österreichische Gesellschaft für ME/CFS) und pflegende Angehörige (Birgit Meinhard-Schiebel, Interessensgemeinschaft pflegender Angehöriger) schilderten ihre Erfahrungen.