30. Okt. 2023Höhenmedizin

ÖGP 2023: Risiko für Lungenkranke in hohen Lagen

Weltweit leben viele Menschen in großen Höhen. Aber auch für Patientinnen und Patienten mit Lungenerkrankungen sind diese Höhenlagen mittlerweile sehr gut erreichbar. Was dabei mit der Sauerstoffsättigung und dem pulmonalarteriellen Druck passiert, wurde im Rahmen der Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) präsentiert.

Silhouette of man spreading hand and enjoy great sunrise above the mountain valley and morning mist.
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Rund 82 Millionen Menschen weltweit leben in Höhen von mehr als 2.500m, das entspricht mehr als 1% der Weltbevölkerung. Mehr als 500 Millionen Menschen leben in Höhen von mehr als 1.500m, das entspricht 7% der Weltbevölkerung. Beispiele sind Bogota (Kolumbien) mit mehr als 8 Millionen Einwohnern (2.585m) oder Mexico City (Mexiko) mit 9 Millionen Einwohnern (2.240m). „Relevant viele Menschen leben sehr hoch“, betont Prof. Dr. Silvia Ulrich, Direktorin der Klinik für Pneumologie, Universitätsspital Zürich, Schweiz. Die Lebensweisen in diesen Höhen sind unterschiedlich: Die einen leben in Streusiedlungen der endlosen Weiten Kirgistans, die anderen in dichten Ballungsräumen wie etwa in Bogota, Mexico City oder auch in Tibet.

„Viele dieser Städte und Gipfel sind mittlerweile sehr leicht via Flugzeug oder Bergbahnen zu erreichen“, sagt Ulrich und erwähnt den Flughafen in La Paz auf 4.061m Höhe und die Schweizer Jungraujoch-Bahnstation auf 3.454m. Auch Patientinnen und Patienten mit Lungenkrankheiten können diese Destinationen somit leicht besuchen.

Sauerstoffsättigung in der Höhe

Ein transatlantischer Flug entspricht einer Höhe von rund 2.500m Seehöhe, ein innereuropäischer Flug einer Höhe von 1.600m. In beiden Fällen bleibt die arterielle Sauerstoffsättigung >90%, erst ab einer Höhe von mehr als 4.500m beginnt sie rasch abzufallen (am Mount Everest liegt sie bereits <40%).

„Trotz steigendem Luftdruck bleibt die Sauerstoffsättigung relativ lange konstant. Aber selbst gesunde Menschen können eine Höhenkrankheit entwickeln, die häufigste ist die acute mountain sickness (AMS)“, so Ulrich weiter. Gefährlich auch für Gesunde sind zerebrale Ödeme (high altitude cerebral edema, HACE) oder Lungenödeme (high altitude pulmonary edeme, HAPE).„Leider gibt es keine Grenze, ab wann es gefährlich wird“, so Ulrich.
Menschen, die dauerhaft in großen Höhen leben, können eine chronic mountain sickness (CMS) entwickeln – ob es eine high altitude pulmonary hypertension (HAPH) mit einer pulmonal-vaskulären Krankheit gibt, daran hegt Ulrich große Zweifel.

PAP in hohen Lagen

Bei Gesunden steigt der pulmonalarterielle Mitteldruck (mPAP) in Ruhe in hohen Lagen an. Ulrich: „Kommen Tiefländer aus der Meereshöhe in Höhen von 3.700m bzw. 4.800m, steigt der PAP auf 20–25mmHg an und ist damit höher als bei Menschen, die dauerhaft in großen Höhen leben.“1

Eine Adaptation an die Höhe dürfte nicht stattfinden, das zeigten Untersuchungen mit Gesunden am ALMA Observatorium in Chile, einem internationalen Radioteleskop-Observatorium, in 5.050m Höhe. „Nach Ankunft stieg der systolische PAP an, fiel innerhalb einer Woche etwas ab und zurück in tiefen Lagen (Santiago auf 522m) sank er auf den ursprünglichen Wert ab“, berichtet Ulrich. „Begaben sich die Personen wieder in die Höhe, wiederholte sich das Gleiche.“

Eine Studie zeigte bei Hochlandbewohnern (Männern) im kirgisischen Hochplateau in mehr als 3.000m einen sPAP von 25,3mmHg.2 Ulrich untersuchte eine kirgisische Population mit derselben Fragestellung, wo auch Frauen eingeschlossen waren, und kam zu einem ähnlichen Ergebnis mit einem sPAP von rund 26mmHg.Der pulmonale Gefäßwiderstand (PVR) war erhöht, aber noch im Normbereich.3

„Entsprechend der hämodynamischen Definition einer PH – mPAP >20mmHg4 – müssten bis zu 35% der Hochlandbewohner eine PH haben“, vermutet Ulrich. Aber: „Die Menschen haben sich nicht krank gefühlt und es ging ihnen gut. Daher sollte es eine höhenadaptierte Definition der PH geben – insbesondere in Anbetracht der vielen Menschen, die in Mexico City leben“, gibt Ulrich zu bedenken.

PH-Patienten in hypoxischer Umgebung

„Rund 1% der Weltbevölkerung hat eine PH4, das sind mehr als 80 Millionen Menschen, wobei die häufigste Form eine Linksherzinsuffizienz ist“, stellt Ulrich fest. Von diesen Patientinnen und Patienten hat rund 1% (100/1 Mio.) eine pulmonalarterielle Hypertonie (PAH) oder eine chronisch-thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH).4

In einer eigenen Untersuchung5 wurden Personen mit PAH/CTEPH mit Rechtsherzkatheter untersucht und Hypoxien ausgesetzt (inspiratorische Sauerstoffkapazität, FiO2=0,15). Ulrich: „Unter akuter Hypoxie hat sich nicht viel verändert: keine Änderung des mPAP, nur leicht erhöhter PVR. Unter Sauerstoffgabe (FiO2=1,0) kam es zu einer signifikanten Reduktion des mPAP und PVR, die Patientinnen und Patienten haben sich verbessert, aber erwartungsgemäß nicht normalisiert. Wahrscheinlich reagieren sie auf die Hypoxie weniger als Gesunde, da die Pulmonalarterien schon konstringiert und verdickt sind.“ Dass Sauerstoff hilft, zeigte auch eine rezente Meta-Analyse.6

Können Patientinnen und Patienten mit PH körperliche Aktivitäten in hypoxischer Umgebung ausführen? Ein großer Teil der Menschen mit PAH/CTEPH kann bei normobarer Hypoxie (FiO2=0,15) belastet werden.7Diese erste randomisierte, placebokontrollierte Studie7 zeigt in Übereinstimmung mit Gesunden oder COPD-Patienten, dass Personen mit PH unter hypoxischen Bedingungen eine reduzierte Belastungskapazität entwickeln, wenn auch mit hoher interindividueller Variabilität“, schließt Ulrich. Allerdings sind aufgrund der geringen Patientenzahl weitere Studien erforderlich.

Auch ein Tagesausflug auf eine Höhe von 2.500m wurde von Patientinnen und Patienten mit PAH/CTEPH laut Ulrich gut toleriert; aufgrund der vordefinierten Sicherheitsregeln wurde 10% der Patientinnen und Patienten Sauerstoff gegeben (wenn SpO2 <80%).8 „Die Belastung auf 2.500m war assoziiert mit erhöhtem PAP“, ergänzt Ulrich.

Fazit

Die meisten stabilen, nicht-hypoxämen Patientinnen und Patienten mit pulmonalvaskulären Erkrankungen tolerieren einen Tagesausflug in moderate Höhen gut. Der Hypoxy Altitude Simulation Test (HAST) ist nicht prädiktiv für die Sicherheit in der Höhe.
Daten zu Patientinnen und Patienten mit stabiler PVD, die auf einer Höhe von 2.500m länger verweilen bzw. übernachten, werden demnächst publiziert (OVERALP, Schneider et al.).

„Die Lungengefäße am Limit“, Vortrag im Rahmen der 47. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP), Graz, 23.–25.10.2023