30. Okt. 2023Allergologie/Primärsensibilisierung

ÖGP 2023: Welches Risiko verbirgt sich in Kindergärten und Schulen?

Tierhaarallergene sind in bis zu 100% der Staubproben von Klassenzimmern und Kindergärten zu finden – je nachdem, wie viele Haustierbesitzer in einer Klasse zusammenkommen. Warum Hausstaubmilben hier eine untergeordnete Rolle spielen, Katzenallergene aber nicht und welche Konsequenzen daraus entstehen könnten, wurde im Rahmen der ÖGP-Jahrestagung in Graz erörtert.

cat whiskers juxtaposed with flower inducing allergies, created with generative ai
altitudevisual/AdobeStock

„Kinder verbringen täglich viele Stunden in Kindergärten und Schulen, daher spielt die Belastung durch Innenraumallergene eine große Rolle“, informiert Univ.-Doz. Dr. Wolfgang Hemmer, Floridsdorfer Allergiezentrum, Wien, im Rahmen der Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) in Graz.

„Die wichtigsten Innenraumallergene im Staub in Schulen und Kindergärten sind Tierhaarallergene von Katzen, Hunden und Pferden“, weiß der Experte. „Sie sind regelmäßig in 75–100% aller Staubproben nachweisbar. Zwar sind die Allergenmengen meist gering, aber sie variieren stark.“

Hausstaubmilben spielen eine geringere Rolle – die Belastung ist immer geringer als in Wohnungen.1 Eine mögliche Ausnahme sind Kuschelecken und Stofftiere in Kindergärten.

Risiko Katze

Anders hingegen verhält es sich mit Katzenallergenen. So hat eine deutsche Studie2 Wohnungen und Kindergärten verglichen und gezeigt, dass 54% der Staubproben im Kindergarten Katzenallergen-Werte aufweisen, wie man sie auch in Katzenhaushalten findet. Die Katzenallergene waren außerdem in 90% der Staubproben im Kindergarten nachweisbar.

„Die Allergenmengen im Staub von Schulen und Kindergärten sind im Mittel zwar mehr als 10-mal geringer als in Haushalten mit einem Haustier, aber 5- bis 10-mal höher als in Haushalten ohne Haustier“, betont Hemmer. Teilweise sind die Allergenmengen in Schulen und Kindergärten sogar höher als in Haushalten mit einem Haustier.

Je mehr Katzenbesitzende in einer Klasse zusammenkommen, desto mehr Katzenallergene können in der Luft und im Staub nachgewiesen werden. Das Gleiche gilt für Pferdeallergene: Je mehr Reiterinnen und Reiter in der Klasse, desto mehr Pferdeallergene finden sich im Klassenzimmer.3 Der Allergentransfer in die Schule oder den Kindergarten erfolgt über die Kleidung.4

Kritische Grenzwerte

„Bezüglich der klinischen Relevanz von Allergenkonzentrationen im Staub und in der Luft existieren keine verlässlichen Grenzwerte“, bemängelt Hemmer. Basierend auf Allergenmessungen in Wohnungen von Hausstaubmilbenallergikern bzw. Katzen-/Hundebesitzern wurden folgende kritische Grenzwerte für Allergengehalte im Staub vorgeschlagen:5

AllergeneKritische Grenzwerte  
für Sensibilisierungfür akute Symptome
Hausstaubmilbe>2µg/g>8µg/g
Katze>1µg/g>8µg/g
Hund >2µg/g>10µg/g

Eine Korrelation zwischen Asthma- oder Rhinitis-Symptomatik und Katzenallergenen im Staub konnte allerdings nicht nachgewiesen werden – auch nicht in der Subgruppe der Katzenallergiker.5

Sensibilisierung in der Schule?

Milbenallergene sind mehrheitlich mit großen Partikeln assoziiert und sinken rasch ab. Katzenallergene dagegen sind stärker mit Kleinstpartikeln (<2,5µm) verbunden und verweilen daher länger in der Luft.6

Die fortgesetzte Exposition gegenüber moderaten Allergenmengen in Schule und Kindergarten könnte laut Hemmer aber ausreichen für:

  • die Primärsensibilisierung gegenüber Katze und Hund
  • für subklinische Entzündungsreaktionen in den Atemwegen, die zu einer erhöhten bronchialen Hyperreagibilität (Histamin, Metacholin) und teilweise Eosinophilenaktivierung (Anstieg des eosinophilen kationischen Proteins, ECP) führen.

Bekannt ist die Asthmaverschlechterung nach Schulstart: Auch moderate Allergenmengen könnten bei andauernder Exposition zur Asthmaverschlechterung bei Schulkindern führen.7

Möglichkeiten zur Allergenreduktion

Interventionen wie vermehrte Reinigung der Klassenzimmer, Vermeidung von Polstermöbeln und Vorhängen sowie geringere Staubablagerung durch weniger offene Regale zeigten in einer schwedischen Studie mit 25 Schulklassen nach einem Jahr keinen signifikanten Effekt.8

In einer weiteren Interventionsstudie9 derselben Autorengruppe konnten Tierverbot und/oder und Schulkleidung die Allergenbelastung in den Schulklassen um 80–90% senken. „Eine höhere Akzeptanz als das Haustierverbot erntete die Schulkleidung“, schmunzelte Hemmer.

Allergenmenge ist ausreichend, um Primärsensibilisierung auszulösen

In Schulen und Kindergärten besteht regelmäßig eine geringe bis moderate Belastung durch Tierhaarallergene. Hausstaubmilben spielen eine untergeordnete Rolle.
Die Allergene werden hauptsächlich durch kontaminierte Kleidung eingebracht.
Es existieren keine verlässlichen Grenzwerte für klinisch kritische Allergenkonzentrationen im Staub und in der Luft.
Hemmer abschließend: „Die in der Atemluft messbaren Allergenmengen sind in der Regel zu gering, um akute allergische Symptome auszulösen, könnten aber ausreichend sein, um eine Primärsensibilisierung auszulösen und bei chronischer Exposition ein bestehendes Asthma zu verstärken.“

„Allergologie und Alltag“, Vortrag im Rahmen der 47. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP), Graz, 23.–25.10.2023