Immungedächtnis in Organen durch Corona-Impfung; kein positiver Effekt von Cortison-Asthmasprays bei Covid
+++ Studie belegt Immungedächtniszellen in Organen nach Impfung – Studie spricht gegen Cortison-Asthmasprays bei Covid – SARS-CoV-2 „killte“ offenbar Influenza-B-Stamm +++
Studie belegt Immungedächtniszellen in Organen nach Impfung
Nach einer Impfung patrouillieren Antikörper nicht nur durch das Blut, der Körper baut auch ein schützendes Immungedächtnis in Organen wie Niere oder Lunge auf. Das konnten Forscherinnen und Forscher der Berliner Charité nun anhand der mRNA-Impfstoffe gegen das Coronavirus belegen, wie die Universitätsklinik am Mittwoch, 11.10., berichtete. Die Immungedächtniszellen in den Organen sind demnach sogar zahlreicher als im Blut und verfügen über verstärkte antivirale Abwehrfunktionen.
Die Forschenden gehen davon aus, dass ähnliche Prozesse auch nach anderen Impfungen ablaufen. Entsprechende Hinweise gab es bereits aus Versuchen im Tiermodell. Um dies beim Menschen zu belegen, wird Gewebe von vielen Menschen mit bekannter und vergleichbarer Impfhistorie benötigt, die von dem Erreger möglichst noch nie infiziert wurden. Die Coronapandemie machte dies nun möglich.
Für die Studie wurden Gewebe aus unterschiedlichen Organen, das beispielsweise bei Tumoroperationen anfiel, untersucht. Die Proben stammten von 61 Menschen, die sich unabhängig von der Operation einige Monate zuvor zwei- bis dreimal mit einem mRNA-Vakzin gegen das Coronavirus hatten impfen lassen, die Infektion aber in der Mehrheit noch nicht durchgemacht hatten.
Durch spezifische Verfahren konnte das Forschungsteam in mehreren Geweben sogenannte CD4-positive T-Helferzellen nachweisen, die gegen SARS-CoV-2 gerichtet waren. Diese Zellen des Immungedächtnisses sorgen dafür, dass andere Immunzellen passende Antikörper gegen den Erreger produzieren, sobald er im Körper entdeckt wird. Außerdem tragen sie vermutlich auch zur direkten Bekämpfung des Virus bei.
Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter fanden die Immungedächtniszellen nicht nur in der Milz und dem Knochenmark, wo Immunzellen standardmäßig reifen oder produziert werden, sondern auch in Leber, Nieren und Lunge. Dies bestätige, dass der Körper nach einer Impfung ein über Monate stabiles Immungedächtnis auch in Geweben anlege, die weit von der Injektionsstelle entfernt liegen.
Die Anzahl der schützenden Immunzellen in den Organen war zudem unabhängig vom Alter der geimpften Person ähnlich hoch. Im Gegensatz dazu zirkulierten bei Älteren im Blut weniger Immungedächtniszellen als bei jüngeren Patienten. Die Arbeit erschien im „Journal of Clinical Investigation“ (https://www.jci.org/articles/view/171797). (APA/ag)
Studie spricht gegen Cortison-Asthmasprays bei Covid
Spätestens Anfang des Jahres 2021 kam es in manchen Medizinerkreisen und in der Öffentlichkeit zu einem Hype rund um Cortison zum Inhalieren („Asthmasprays“) gegen Covid-19. Eine aktuelle, nach den härtesten wissenschaftlichen Kriterien durchgeführte US-Studie mit rund 1.400 Probandinnen und Probanden beseitigt jetzt endgültig falsche Hoffnungen: Das häufig bei entzündlichen Lungenerkrankungen verwendete Fluticason hat keinen positiven Effekt.
„Die Wirksamkeit inhalierbarer Glukokortikoide zur Verringerung der Zeit bis zum Abklingen der Symptome oder zur Verhinderung von Spitalsaufnahmen oder Todesfällen bei ambulanten Covid-19-Patienten mit milder bis moderater Erkrankung ist unklar", schrieben vor kurzem David Boulware von der Universität des US-Staats Minnesota und seine Co-Autorinnen und -Autoren im „New England Journal of Medicine“ (https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2209421).
In der Covid-19-Pandemie seien viele bereits bekannte Arzneimittel auf eine mögliche Wirksamkeit auch bei SARS-CoV-2-Infektionen untersucht worden. Bei den wirksamsten antientzündlichen Arzneimitteln, verschiedenen Cortisonpräparaten, führte das zu widersprüchlichen Ergebnissen. Zwei nicht mit Placebogruppen kontrollierte offene Studien mit dem Wirkstoff Budesonid hätten Hinweise auf eine schnellere Erholung und deutliche Trends in Richtung weniger Spitalsaufnahmen und Todesfälle gezeigt. Drei Studien mit Auswahl der Probandinnen und Probanden nach dem Zufallsprinzip, zwei davon doppelt verblindet mit dem Cortison Ciclesonid hätten hingegen keinen Effekt ergeben.
„Die widersprüchlichen Ergebnisse veranlassten sowohl die Arzneimittelbehörden als auch die Verfasser von Leitlinien dazu, inhalierbares Cortison nicht für eine Behandlung in der Frühphase von Covid-19 zu empfehlen“, hieß es im NEJM. Dennoch kam es in den ersten Phasen der Pandemie zu einem zeitweisen Hype rund um die Cortison-Asthmasprays. Sie wurden oft auch gehortet, sodass es zu Engpässen in der Versorgung von Asthmakranken kam.
Im Rahmen der Behandlung von schwerkranken Covid-19-Patienten in Spitälern und auf Intensivstationen während der Pandemie war hingegen bald klar, dass auch eine antientzündliche Behandlung mit Cortison eine gewisse positive Wirkung hat. Die Antwort auf die Frage nach einem möglichen Effekt der inhalativen Cortisonsprays gibt jetzt die neue Studie: Insgesamt wurden 1.407 Probandinnen und Probanden in 91 Zentren in den USA aufgenommen. Sie hatten alle eine PCR-bestätigte SARS-CoV-2-Infektion und mindestens zwei typische Symptome der Erkrankung. 715 der Teilnehmenden erhielten einen echten Fluticason-Spray, den sie einmal täglich über 14 Tage hinweg verwenden sollten, 692 Erkrankte bekamen einen Placebo-Spray, wobei die Auswahl per Zufall erfolgte.
Ausgewertet werden konnten die Daten von 656 Personen, die den echten Asthmaspray verwendet hatten, und von 621 Personen aus der Placebo-Gruppe. Die Ergebnisse sprechen eindeutig gegen eine Wirksamkeit von Cortison. „Es gab keinen Hinweis, dass Fluticason schneller zu einer Erholung (mind. 3 Tage ohne Symptome; Anm.) führte. 24 Teilnehmende aus der Fluticason-Gruppe (3,7%) suchten eine Notfallaufnahme auf oder wurden hospitalisiert, hingegen 13 aus der Placebo-Gruppe (2,1%)“, so die Forschenden. Länger im Spital waren jeweils drei Personen, es gab keine Todesfälle.
Die ersten Vermutungen, die für einen eventuellen Nutzen von Cortison (Budesonid) zum Inhalieren gesprochen hatten, waren von österreichischen Expertinnen und Experten von Anfang an sehr kritisch gesehen worden. „Es gibt also keinen einzigen klaren Hinweis, dass die Behandlung etwas gebracht hat und dass sie mittlere oder schwere Verläufe reduziert“, sagte Ende April 2021 etwa der Pneumologe Marco Idzko von der MedUni Wien (AKH). Die US-Studie ist auch für die gegenwärtige Situation durchaus aussagekräftig: Sie wurde nämlich bereits in Zeiten der Covid-19-Impfung und der neueren SARS-CoV-2-Varianten Delta und Omikron durchgeführt. (APA)
SARS-CoV-2 „killte“ offenbar Influenza-B-Stamm
Covid-19 hat auch Effekte auf andere Infektionskrankheiten. So hat die Pandemie offenbar dazu geführt, dass weltweit seit Ende März 2020 keine Influenza-Erkrankungen durch Erreger vom Typ B/Yamagata mehr beobachtet wurden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die US-Arzneimittelbehörde FDA empfehlen daher, diese Komponente in den künftigen Influenza-Impfstoffen wegzulassen.
In den aktuellen Vierfach-Vakzinen gegen die Influenza sind derzeit sowohl für die nördliche Hemisphäre (2023/2024) als auch geplant für die südliche Hemisphäre (2024) zwei Antigene für Influenza-A-Viren (A(H1N1), abstammend von der „Schweinegrippe“ 2009, und ein Antigen von A(H3N2)-Viren enthalten. Hinzu kommen zwei Antigene von Influenza-B-Erregern (für die „Victoria“-Erregerlinie ein Antigen des B/Austria-Stammes/2021) und für die sogenannte B/Yamagata-Erregerlinie das Antigen eines B/Phuket-Stammes aus dem Jahr 2013.
Doch Ende September wurden, offenbar als Langzeitfolge der Covid-19-Pandemie, die Weichen neu gestellt. Die WHO hat sich dazu entschlossen, die Empfehlung für Antigene der B/Yamagata-Erregerlinie bei den Influenza-Impfstoffen aufzuheben. „Derzeit bringt Yamagata in dem Vakzin keinen Vorteil“, wurde David Wentworth, Direktor des WHO-Netzwerkes zur weltweiten Influenza-Überwachung, im US-Pharma-Informationsdienst „Stat“ zitiert.
Der Grund dafür: Die Influenza-Virusfamilie von B/Yamagata wurde seit März 2020 nicht mehr beobachtet. Die durch die Covid-19-Pandemie ausgelösten Präventionsmaßnahmen mit Maskenpflicht und der Einschränkung von Sozialkontakten etc. verursachten weltweit einen starken Rückgang der Stärke der saisonalen Influenza-Wellen. Gleichzeitig hatte das offenbar auch Auswirkungen auf die Erregerstämme: Bestimmte A(H3N2)-Varianten tauchten nur noch selten auf.
B/Yamagata, also eine der beiden Influenza-B-Erregerlinien, könnte mit Covid-19 buchstäblich gar ausgestorben sein. „Die anderen – H1, H3 (beides Influenza-A-Varianten; Anm.) und Victoria (Influenza B; Anm.) – kamen durch. Aber da gab es offenbar einen so großen Flaschenhals für die Yamagata-Viren, dass sie nicht überlebten“, wurde der aus Österreich stammende Virologe Florian Krammer, Icahn School of Medicine, New York, dazu zitiert. Es mache jedenfalls keinen Sinn, ein Antigen von einem Krankheitserreger in einem Impfstoff zu haben, der nicht mehr vorkomme.
Vergangenen Donnerstag, 5.10., schloss sich der WHO-Empfehlung auch das für die Influenza-Impfstoffe zuständige Expertengremium der US-Arzneimittelbehörde FDA an. Man sollte möglichst schnell die B/Yamagata-Antigene aus den nächsten Vakzinen entfernen. Für die Influenza-Impfstoffe für die südliche Hemisphäre (2024, im Sommer der nördlichen Hemisphäre) ist es bereits zu spät. Es bleibt die Frage, was eventuell für die Influenza-Vakzine der Nordhalbkugel für die Saison 2024/2025 als Ersatz für B/Yamagata verwendet werden sollte. Möglicherweise könnten Antigene eines weiteren A/H3N2-Virusstammes hinzukommen, um die Wirksamkeit zu verbreitern. (APA)