„Eine Depression wird ganz unterschiedlich erlebt“
An der MedUni Wien fokussiert sich Dr. Patricia Handschuh, BA, als junge Psychiaterin und wissenschaftliche Mitarbeiterin auf die Erforschung und Behandlung depressiver Störungen. In einer aktuellen Studie arbeitet sie daran mit, Veränderungen in der Belohnungsverarbeitung mittels PET/MRT zu enträtseln. In der Therapie liegt ihr Augenmerk darauf, Patientinnen und Patienten ganzheitlich gemäß dem bio-psycho-sozialen Modell zu erfassen.
Als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Assistenzärztin an der Klinischen Abteilung für Allgemeine Psychiatrie der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie hat Dr. Patricia Handschuh, BA, vor kurzem ihre Facharztprüfung abgelegt. Bereits vor dem Medizinstudium hat sie in Wien Transkulturelle Kommunikation studiert. „In der Medizin sehe ich jedoch meine wahre Berufung, wobei natürlich die Erfahrungen aus der Kommunikation sehr nützlich sind“, erzählt sie im Gespräch mit medonline.
Als „Ärztin, die das wunderbare Fach Psychiatrie bespielen darf“, legt sie ihr Augenmerk darauf, Menschen mit seelischen Erkrankungen in ihrer Ganzheit zu betrachten: „Viele Menschen haben in verschiedenen Lebensphasen Belastungsfaktoren, die sich auf körperlicher und seelischer Ebene abzeichnen. Hier an der Klinik orientieren wir uns am modernen bio-psycho-sozialen Modell, sowohl in der Erforschung als auch Behandlung psychiatrischer Erkrankungen“, betont Handschuh. Gut funktionierende Schnittstellen zu den anderen Abteilungen des Hauses ermöglichen es etwa, bei psychiatrischen Erkrankungen auch organische Einflüsse wie etwa eine Schilddrüsen-Erkrankung oder neurologische Komorbiditäten gut zu diagnostizieren und zu behandeln.
Belohnungsverarbeitung bei Depression
Ein Arbeitsschwerpunkt von Handschuh auf wissenschaftlicher Ebene liegt aktuell auf einem Therapieprogramm zum Thema „Belohnungsverarbeitung bei Depression". „Wir nennen es Therapieprogramm, weil wir neben bildgebenden Untersuchungen den in die Studie eingeschlossenen Patientinnen und Patienten auch eine intensive Begleitung etwa durch stützende Gespräche und mit moderner Medikation anbieten“, sagt Handschuh.
Gesunde und depressiv erkrankte Menschen – sie sollten zumindest 6 Monate lang bzw. noch überhaupt keine psychopharmakologische Behandlung erhalten haben – haben die Möglichkeit, daran mitzuwirken.
Mit der Studie will die Arbeitsgruppe „Neuroimaging“ um Univ.-Prof. Dr. Rupert Lanzenberger, in der Handschuh mitarbeitet, nun herausfinden, warum bei manchen Menschen mit depressiven Erkrankungen der Erlebnis-Aspekt stark beeinflusst wird. „Depressive Menschen können sich viel weniger über schöne Erlebnisse freuen und sich auch schwer für Dinge motivieren, die mit einer Belohnung einhergehen würden“, erklärt Handschuh. Anhedonie, also die fehlende Genussfähigkeit, dürfte auch auf biologischer Ebene entsprechende Korrelate haben und wird durch Antidepressiva auch in unterschiedlichem Maß beeinflusst. Die Psychiaterin verweist zudem darauf, dass die Ausprägung dieses Symptoms sehr unterschiedlich ist und dies auch dazu beiträgt, dass Depressionen von Betroffenen ganz unterschiedlich erlebt werden.
Dopamin als Motor des Genießens
Unter der Voraussetzung, dass Dopamin nicht nur bei Morbus Parkinson oder Schizophrenie eine pathophysiologische Rolle zukommt, sondern auch bei Suchterkrankungen oder Depressionen, soll nun die Belohnungsverarbeitung mittels PET/MRT im Nucleus accumbens näher untersucht werden. „Wir als Gesunde haben gleichermaßen einen Dopamin-Kick, wenn wir eine Belohnung erfahren – das kann schon ein Like auf Social Media sein.“
Bupropion, ein Dopamin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, wirkt nach der klinischen Erfahrung sehr gut bei depressiven Patientinnen und Patienten mit Anhedonie und Antriebslosigkeit. In der Studie soll nun untersucht werden, wie das dopaminerge System bei einem Gewinn – die Teilnehmenden spielen um einen geringen Geldbetrag – reagiert. „Wir erwarten uns, bei depressiven Personen weniger starke Schwankungen in der Dopamin-Ausschüttung zu beobachten als bei Gesunden“, so Handschuh. Zum Einsatz kommt dabei F-Dopa als Tracer.
Nach der ersten Messung bekommen die Patientinnen und Patienten in einem doppelblinden Design entweder ein SSRI oder Bupropion; beide Medikamente haben sich in klinischen Studien als gleich wirksam und gut verträglich erwiesen. Nach 6–8 Wochen Therapie wird die Untersuchung wiederholt. Bei Gesunden erfolgen lediglich ein Test und ein Re-Test. „Die Motivation von Gesunden zur Mitwirkung an der Studie besteht oft auch darin, bunte Bilder vom eigenen Gehirn zu bekommen“, weiß Handschuh.
Die Studie, für die aktuell noch Betroffene bzw. gesunde Kontrollpersonen gesucht werden, soll somit weitere Aufschlüsse bringen, warum manche Patientinnen und Patienten von Antidepressiva mit verschiedenen Wirkprinzipien in unterschiedlichem Ausmaß profitieren. Neben der wissenschaftlichen Erforschung mittels Bildgebung will sich Handschuh im Therapieprogramm aber genauso den Patientinnen und Patienten widmen. Bei den wöchentlichen Kontrollen sowie in einem dreimonatigen Follow-up bekommen sie eine engmaschige psychiatrische Begleitung.
Die Teilnahmekriterien für die Studie finden Sie hier.
Epigenetik der Herbst-Winter-Depression: Frauen methylieren anders als Männer
Bei der Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Neuropsychopharmakologie und Biologische Psychiatrie (ÖGPB) wird Dr. Patricia Handschuh, BA, die Ergebnisse einer kürzlich abgeschlossenen Studie zur Epigenetik saisonaler Depression vorstellen. Der Hintergrund der Studie: Methylierungen an einzelnen Gensequenzen führen dazu, dass diese nicht mehr so gut ablesbar sind und in der Folge die Proteinsynthese verändert ist. „Die Epigenetik zeigt uns: Da passiert etwas im Körper und wir können die biologische Wirkung etwa von Traumata oder psychosozialer Einflüsse nachweisen“, erklärt Handschuh.
An einem Kollektiv von 22 Patientinnen und Patienten mit saisonaler Depression wurde nun von einer Arbeitsgruppe unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Rupert Lanzenberger die Expression von Monoaminooxidase (MAOA) vor und nach einer Lichttherapie an Thrombozyten gemessen und mit gesunden Kontrollpersonen verglichen. „Wir wissen, dass eine Lichttherapie über mehrere Wochen sehr wirksam bei saisonaler Depression ist“, führt Handschuh aus. Weißes Licht in einer Stärke von mindestens 10.000 Lux kommt dabei zur Anwendung.
Interessanterweise wurde zwar eine veränderte Methylierung nachgewiesen; sie hatte allerdings – entgegen bisherigen Daten – keine Auswirkung auf Proteinebene. Neu ist auch die Erkenntnis, dass ein signifikanter Effekt der saisonalen Depression auf die Methylierung nur bei Frauen, nicht aber bei Männern nachzuweisen war. „Eine mögliche Erklärung dafür ist das X-chromosomale Silencing, denn das MAOA-Gen ist auf dem X-Chromosom lokalisiert. Das bedeutet, bei Frauen ist in jeder Zelle stets ein X-Chromosom stillgelegt, sodass es zu einem anderen Methylierungsverhalten kommt“, erläutert Handschuh. Die Daten dieser Studie liefern somit eine weitere mögliche Erklärung auf biologischer Ebene, warum bei der Herbst-Winter-Depression Unterschiede zwischen Männern und Frauen besonders deutlich ausgeprägt sind.