Der Preis für unsere Schönheit
Wenn es um die Vermeidung von negativen Folgen für die Umwelt geht, gibt es bei Kosmetika und topischen Präparaten noch einiges zu tun.
Trinkflaschen und Kosmetikverpackungen machen einen großen Teil des Plastikmülls im Meer aus, sagte Dipl.-Biol. Dr. Susanne Saha, niedergelassene Dermatologin aus Karlsruhe. Sie verschmutzen nicht nur Wasser und Strände – durch den Einfluss von Wind und Wellen entsteht sekundär Mikroplastik, das zum Artensterben beiträgt und über die Nahrungskette auch von Menschen aufgenommen wird. Mikroplastik ist gesundheitsschädlich für den Menschen. Durch den Zerfall von Plastik unter Einfluss von UV-Licht werden zudem enorme Mengen an Methan frei, was den Klimawandel weiter vorantreibt.
Ob wir die nachfolgende Generation überhaupt noch schützen können, ist unklar, gibt Saha zu bedenken. In einer Untersuchung aus dem Jahr 2022 war in 17 von 20 Blutproben von Neugeborenen PET (Polyethylenterephthalat) nachweisbar und in 75% aller Muttermilchproben schwamm Mikroplastik.
Kunststoffe sind komplexe Chemikaliencocktails
Gleichzeitig enthält Plastik noch zahlreiche unbekannte Stoffe, die unter dem Radar bleiben. Durch die Zugabe verschiedener Additiva werden Kunststoffe zu hochkomplexen Chemikaliencocktails mit vielen, zum Teil noch völlig unerforschten Interaktionen. Von den 10.500 unterschiedlichen Zusatzstoffen sind knapp 2.500 als bedenklich zu werten, erläuterte Saha. Auch Erkrankungen wie Diabetes, Übergewicht, Brust- und Hodenkrebs, Fruchtbarkeits- und Entwicklungsstörungen werden heute u.a. mit gefährlichen Chemikalien in Kunststoffen in Zusammenhang gebracht.
Besonders ungünstig, was das Verhältnis von Verpackung zu Inhalt angeht, sind die zahlreichen Produktproben der Kosmetikindustrie, gab Saha zu bedenken. Ein Unternehmen hat nach eigenen Angaben im Jahr sieben Millionen solcher Pröbchen verteilt – der Abfall entspricht dem Gewicht von 100 Elefanten.
Doch Verpackungen sind nur eines der Probleme. Viele Grundlagen in Kosmetika und therapeutischen Externa enthalten in Bezug auf Nachhaltigkeit problematische Inhaltsstoffe, wie Dr. Su Youn Becker-Weimann vom Universitätsklinikum Frankfurt erklärte. Dazu gehören Mineralöl-basierte Substanzen wie Vaseline, Petrolatum, Paraffinum liquidum, Cera Microcristallina, Ceresin und viele mehr. Ihr Vorteil ist, dass sie preiswert sind, so gut wie keine Allergien auslösen und ein angenehmes Gefühl auf der Haut hinterlassen. Bei der Herstellung dieser Substanzen fallen jedoch aromatische und gesättigte Mineralölkohlenwasserstoffe (MOSH und MOAH) an, die potenziell karzinogen und lebertoxisch sind und die Umwelt belasten.
Besser für die Galenik, schlechter für die Umwelt
Auch Silikone werden weiterhin häufig eingesetzt, z.B. in Conditionern oder in Externa als ölige Komponente mit einem weniger okklusiven Effekt. Sie verbessern die Galenik und Haptik der Produkte und sind als chemisch inerte Substanzen kaum allergen. Silikone werden aber in der Natur gar nicht oder nur extrem langsam abgebaut und können sich somit in der Umwelt und Nahrungskette anreichern. Was das für Folgen hat, wurde bisher kaum erforscht.
Sehr beliebt sind zudem Kunststoffpolymere wie Acrylates Copolymer, Polyacrylsäure oder flüssiges Mikroplastik, die vor allem zur Verbesserung der Stabilität und als Gelbildner eingesetzt werden. Auch diese Stoffe sind schlecht biologisch abbaubar und reichern sich, wie Saha erwähnte, in der Umwelt an.
Polyethylenglykole (PEG) werden in Kosmetika vor allem als Feuchthaltemittel und Weichmacher eingesetzt. Zudem wirken sie penetrationsfördernd, sodass Wirkstoffe besser in die Haut eindringen können. PEG gelten selbst nicht als toxisch, beim Herstellungsprozess werden aber bedenkliche Stoffe wie Ethylenoxid freigesetzt.
Haben wir für diese Substanzen nachhaltigere Alternativen? Für die Lipidphase in Vehikeln könnten statt Mineralölen auch natürlich nachwachsende pflanzliche Fette, Öle und Wachse, z.B. Squalan, Carnaubawachs, Sheabutter oder auch Bienenwachs, eingesetzt werden – allesamt biologisch abbaubar. Mit pflanzlichen Stoffen ließen sich auch Silikone ersetzen. Für Kunststoffpolymere als Konsistenz- und Gelbildner gibt es natürliche Ersatzstoffe wie Xanthan Gum, Guargummi oder Agar-Agar. Statt PEG als Feuchthaltemittel wären auch biotechnologisch hergestellte Hyaluronsäure oder pflanzliches Glyzerin denkbar. Schwieriger sieht die Lage bei nachhaltigen Verpackungen aus. Egal ob Glas, Kunststoff oder Aluminium – summa summarum ist die Ökobilanz bei allen klassischen Verpackungsmaterialien nicht optimal.
52. Tagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG), Berlin, 26.–29.4.23