19. Apr. 2023ECCMID 2023

Wie sich das Darmmikrobiom in den ersten Lebensmonaten verändert

Eine italienische Studie untersucht die Entwicklung des kindlichen Darmmikrobioms in den ersten drei Lebensjahren. Im Rahmen des ECCMID 2023 wurden nun die Ergebnisse für die ersten drei Lebensmonate präsentiert.1 Sie zeigen Veränderungen, die am stärksten mit dem Alter des Kindes und weniger mit anderen Einflussfaktoren wie zum Beispiel dem Geburtsgewicht oder mütterlicher Antibiotika-Einnahme assoziiert sind.

Nettes kleines Mädchen, das verkehrt herum auf dem Teppich im Schlafzimmer steht
StockPlanets/GettyImages

Mit der Geburt beginnt die Kolonisation des Dickdarms mit einer Vielzahl von Bakterien, aber auch Viren, Pilzen und Protozoa. Die Zusammensetzung dieses Darmmikrobioms verändert sich in den ersten Lebensmonaten und -jahren erheblich. Störungen dieser Entwicklung sind mit (hauptsächlich immunologischer) Pathologie im späteren Leben assoziiert.2 So konnten beispielsweise Typ-1-Diabetes, Asthma und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen mit bestimmten Eigenschaften des Mikrobioms in Verbindung gebracht werden.3

Prof. Dr.  Vincenzo Di Pilato von der Universität Genua betont, wie wichtig Einsichten in diese frühe Entwicklung des Darmmikrobioms sind, da hier der Grundstein für Gesundheit oder Krankheit im späteren Leben gelegt werden könne. Seine Gruppe untersucht gemeinsam mit Kollegen von der Universität Florenz und dem San Jacopo Hospital in Pistoia in der CI.EMME-Studie, wie sich das Darmmikrobiom in den ersten drei Lebensjahren wandelt.

Im Rahmen des ECCMID 2023 wurden nun die Ergebnisse für die ersten drei Lebensmonate präsentiert.1 Für die Studie wurden Stuhlproben von 165 Neugeborenen nach der Entbindung (T0), nach der Entlassung aus dem Krankenhaus (T1) sowie nach drei Monaten (T3) gesammelt. Bei Kindern, die intensive neonatologische Betreuung benötigten, wurde zu einem späteren Zeitpunkt (T2) gesammelt. Insgesamt wurden 495 Proben gesammelt und davon 370 verarbeitet und analysiert. Genetisches Profiling zeigte in den T0-Proben eine höhere Zahl von Bakterien-Spezies (größere α-Diversity) als in den später gesammelten Proben, was die Autoren als Hinweis auf eine schnelle Entwicklung des mikrobiellen Ökosystems im Darm werten.

Dominanz unterschiedlicher Bakterienfamilien zu unterschiedlichen Zeitpunkten

Einige bakterielle Familien veränderten ihre Präsenz mit der Zeit deutlich. Zeitabhängige Dominanz wurde für gefunden für Lactobacillaceae/Pseudomonadaceae (T0), Bacterioridaceae/Enterobacteriaceae/Enterococcaceae/Staphylococcaceae (T1) sowie Bifidobacteriaceae/Veillonellaceae/Lachnospiraceae (T3). Bei Kindern, die mittels Sectio entbunden wurden, zeigte sich ein höherer Anteil von Bifidobacteriaceae in den Proben T0 und T3. „Es ist gut bekannt, dass der Weg der Entbindung einen wichtigen Treiber für die Entwicklung des Darmmikrobioms darstellt und dass Bifidobacteria eine dominante Rolle im kindlichen Darmmikrobiom spielen, obwohl ihre Bedeutung in den ersten Lebensmonaten deutlich variieren kann“, kommentiert Di Pilato. In weiterer Folge wurde nach Assoziationen von Geburtsgewicht, Einnahme von Antibiotika oder anderen Medikamenten während der Schwangerschaft oder der Stillzeit mit der Diversität des kindlichen Darmmikrobioms gesucht. Dabei erwies sich der Zeitpunkt, zu dem die Probe genommen wurde und damit das Lebensalter des Kindes als der stärkste Prädiktor. Di Pilato sieht in diesen Ergebnissen einen ersten Schritt in Richtung eines ehrgeizigen Forschungsziels: „Wenn es uns gelingt, zu verstehen, wie sich das Darmmikrobiom von nahezu Sterilität zu einem komplexen, gesunden Ökosystem entwickelt, dann könnte es uns auch gelingen, ungesunde Entwicklungen des Mikrobioms sowie problematische Bakterien zu erkennen, die mikrobielle Dysbalance zu korrigieren und damit die Chancen auf gute Gesundheit im späteren Leben zu verbessern.“