Gibt es Geschlechtsunterschiede in der Lipidtherapie?
Obwohl in den Dyslipidämie-Guidelines für alle Risikopatientinnen und -patienten geschlechtsunabhängig die gleichen LDL-C-Zielwerte und die gleichen therapeutischen Maßnahmen empfohlen werden, wird die Sekundärprophylaxe bei Frauen nach wie vor nicht so konsequent umgesetzt wie bei Männern. Geschlechtsunterschiede gibt es auch hinsichtlich der Bedeutung von erhöhtem LDL-Cholesterin als kardiovaskulärer Risikofaktor und bei der Effektivität bestimmter lipidsenkender Medikamente.
Mit den verbesserten therapeutischen Möglichkeiten sind in den letzten Jahren auch die Lipidziele in den Guidelines immer ambitionierter geworden. Für die kardiovaskuläre Primärprävention sollte laut der aktuellen Leitlinie1 der European Society of Cardiology (ESC) und der European Atherosclerosis Society (EAS) zur Diagnostik und Therapie von Dyslipidämien der LDL-Cholesterin-Wert selbst bei einem geringen Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis (10-Jahres-Risiko für kardiovaskulären Tod <1%) nach Möglichkeit unter 116mg/dl liegen. Patientinnen und Patienten mit moderatem Risiko (10-Jahres-Risiko 1–5%) wird empfohlen, einen LDL-C-Wert <100mg/dl anzustreben. Für Hochrisikopatient:innen (10-Jahres-Risiko 5–10%) wird als Ziel eine mindestens 50%ige LDL-C-Senkung und ein LDL-C <70mg/dl ausgegeben. Bei Höchstrisikopatient:innen (10-Jahres-Risiko ≥10%) sollte nicht nur eine mindestens 50-prozentige LDL-C-Reduktion erreicht, sondern das LDL-C sogar unter 55mg/dl gesenkt werden.
Alle Menschen, die schon ein kardiovaskuläres Ereignis hatten (Herzinfarkt, Stentimplantation, PAVK, Schlaganfall, transitorische ischämische Attacke, …) werden automatisch als Höchstrisikopatient:innen eingestuft. In der Sekundärprävention ist das Ziel daher eine mindestens 50-prozentige LDL-C-Senkung und ein LDL-C-Wert <55mg/dl. Die strengsten Vorgaben gibt es für Patientinnen und Patienten, die innerhalb von 2 Jahren nach dem ersten kardiovaskulären Ereignis noch ein zweites Event hatten: In diesen Fällen sollte sogar ein LDL-C-Zielwert <40mg/dl angestrebt werden. Geschlechtsunterschiede bei den Behandlungszielen gibt es in den Guidelines keine: Für die einzelnen Risikostufen werden bei Männern und Frauen die gleichen Zielwerte empfohlen.
Risikokategorien
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