Prävention von RSV-Infektionen
Derzeit ist die passive Immunprophylaxe mit monoklonalen Antikörpern noch die einzige Möglichkeit, Risikokinder vor einer RSV-Infektion zu schützen. Die aktive Impfung von Schwangeren, Säuglingen und älteren Personen dürfte aber nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Der Rebound-Effekt nach der Covid-19-Pandemie sorgte in diesem Winter dafür, dass ungewöhnlich viele Kinder am Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) erkrankten und um den Jahreswechsel Kinderartpraxen und Spitalsambulanzen landesweit an der Grenze ihrer Belastbarkeit waren. Erschwert wurde die epidemiologische Situation durch das Zusammentreffen von RSV mit anderen saisonalen Atemwegserregern wie dem Influenzavirus, dem Parainfluenzavirus, dem Metapneumovirus oder SARS-CoV-2. Während des Erkrankungsgipfels konnten in bis zu 20 Prozent der eingesandten Sentinelproben von ambulanten Atemwegserkrankungen RS-Viren nachgewiesen werden. Da das einzelsträngige RNA-Virus uns jedes Jahr heimsucht, sind die meisten Personen durch eine präexistierende Immunität vor der saisonalen Infektion geschützt. Gefährdet sind vor allem Menschen am Anfang und am Ende ihrer Lebensspanne: RSV-Infektionen betreffen in erster Linie Säuglinge, die noch keinen Immunschutz haben, und Erwachsene über 60 Jahren, deren Immunität durch Komorbiditäten und Immunalterung beeinträchtigt ist.
Zell-zu-Zell-Übertragung
Um die verschiedenen prophylaktischen Ansätze, die derzeit in Studien getestet werden, zu verstehen, ist es wichtig, den Aufbau und die Funktionsweise des RS-Virus und die pathogenetischen Mechanismen der Infektion zu kennen. „Das einzige relevante Reservoir für das humanpathogene RS-Virus ist der Mensch“, berichtet Prof. Dr. Martina Prelog, Kinderklinik und Poliklinik, Uniklinikum Würzburg. „Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion, aber auch durch kontaminierte Oberflächen.“ Nach der Infektion breitet sich das Virus innerhalb der Atemwege vom oberen zum unteren Atemtrakt aus. „Eine Besonderheit ist die Zell-zu-Zell-Übertragung entlang von intrazytoplasmatischen Brücken, die auch namensgebend für dieses Virus sind“, erläutert die Pädiaterin. Im Rahmen der lytischen Virusreplikation lösen sich Epithelzellen ab und es kommt durch Freilegung von nozizeptiven Nervenfasern zum RSV-typischen Hustenreiz. Das Immunsystem reagiert auf die Infektion mit einer lympho-mononukleären Infiltration ins peribronchioläre Gewebe. Durch die Ausschüttung von Inflammationsbotenstoffen kommt es in weiterer Folge zu einer erhöhten mikrovaskulären Permeabilität im Gewebe, die sich in einem verstärkten submukösen Ödem und vermehrter Schleimbildung manifestiert. Die Palette der klinischen Symptome, die nach einer Inkubationszeit von zwei bis elf Tagen (durchschnittlich fünf bis sechs Tage) auftreten, hängt davon ab, ob nur die oberen oder auch die unteren Atemwege befallen sind. Viele Betroffene haben nur milde Krankheitserscheinungen wie Schnupfen, verstopfte Nase und Husten. Bei einer Bronchiolitis oder virusbedingten Pneumonie kann es aber auch zu einer Tachypnoe, Hypoxämie oder Apnoe kommen. Obwohl 97 Prozent der Kinder ambulant behandelt werden können, ist die Schwere der Infektion durchaus mit einer Influenza vergleichbar. Italienische Forscher:innen schätzten kürzlich, dass weltweit jedes Jahr drei Millionen Kinder unter fünf Jahren wegen einer RSV-Erkrankung hospitalisiert werden und 120.000 an der Infektion versterben. In Österreich müssen rund zwei bis drei Prozent der Säuglinge eines Jahrganges aufgrund einer schwer verlaufenden RSV-Infektion stationär behandelt werden.