Affenpocken auch im ZNS
Bislang sind die Berichte zu neurologischen Komplikationen von Affenpocken noch überschaubar. Doch Parallelen zu anderen Orthopoxviren und steigende Infektionszahlen legen nahe, dass die Problematik Fahrt aufnehmen könnte.
Während Affenpocken einst vor allem in Zentral- und Westafrika verortet wurden, haben sie sich mittlerweile zu einem internationalen Problem entwickelt. Seit dem weltweiten Ausbruch im Frühjahr 2022 zählen mehr als 40.000 Menschen aus über 80 Ländern zu den Betroffenen. Ähnlich wie bei den echten Pocken beträgt die Inkubationszeit 4–21 Tage und die Krankheit verläuft in zwei Phasen.
In der Prodromalphase treten allgemeine Symptome wie Fieber, Kopfschmerzen, Schüttelfrost, Schweißausbrüche, Halsschmerzen, Muskelschmerzen und Abgeschlagenheit auf. Anders als bei den echten Pocken und Windpocken lassen sich außerdem geschwollene Lymphknoten beobachten, schreiben Dr. Bridgette Billioux, National Institutes of Health, Bethesda, und Kollegen. Im weiteren Verlauf kommt es zu Hautausschlägen mit Papeln, Bläschen oder Pusteln, die verkrusten und abschuppen. Die Läsionen bleiben in der Regel über zwei bis vier Wochen bestehen. Differenzialdiagnostisch sind andere Infektionen mit Hautausschlag wie Herpes simplex Typ 1, Syphilis und Molluscum contagiosum zu berücksichtigen.
Konjunktivitis als Türöffner der zerebralen Beteiligung?
Zu den bisher beschriebenen neurologischen Manifestationen zählen Kopfschmerzen, Affekt- und Angststörungen, neuropathische Schmerzen sowie Enzephalitis. Darüber hinaus wurde in rund 20 % der aktuellen Fälle eine Konjunktivitis festgestellt. Diese gilt als möglicher Ausgangspunkt, über den sich die Viren im ZNS verbreiten.
Bei einer mutmaßlichen Affenpockeninfektion ist auch eine Abklärung von anderen sexuell übertragbaren Infektionen wie HIV/AIDS angezeigt. Weiterhin sollte die Bläschenflüssigkeit mittels PCR oder serologisch auf Orthopoxvirus simiae (Monkeypox virus, MPXV) untersucht werden. Besteht der Verdacht auf eine ZNS-Beteiligung, ist eine PCR-Analyse des Liquors auf MPXV oder alternativ eine IgM-Bestimmung durchzuführen. Dies gilt allgemein auch bei Risikopatienten wie Immunsupprimierten oder bei atypischen Präsentationen.
Es gibt Hinweise darauf, dass Tecovirimat, Brincidofovir und Cidofovir bei der Behandlung und kurzfristigen Prophylaxe von echten Pocken und anderen humanen Pockenvirusinfektionen nützlich sind. Im Rahmen eines In-vitro-Screenings von 132 zugelassenen Arzneimitteln haben sich außerdem Atovaquon, Mefloquin und Molnupiravir als wirksam gegen MPXV erwiesen. Neben der antiviralen kann eine analgetische Therapie mit topischen bzw. oralen Wirkstoffen oder Nervenblockaden indiziert sein.
Der Lebendimpfstoff aus Vaccinia-Viren, welcher im Rahmen des Pockentilgungsprogramms verwendet wurde, zeigte eine Wirksamkeit von 85% gegenüber Affenpocken. Dieser Impfstoff der ersten Generation war mit schweren unerwünschten Ereignissen assoziiert. Unter anderem wurden neurologische Komplikationen wie Enzephalomyelitis, Kopfschmerzen, Guillain-Barré-Syndrom, kranielle Neuropathie und transverse Myelitis berichtet. Impfstoffe der zweiten und dritten Generation weisen ein deutlich besseres Sicherheitsprofil auf.
Billioux BJ et al. JAMA Neurol 2022; doi: 10.1001/jamaneurol.2022.3491