Vorhofflimmern: Screening mit dem Smartphone funktioniert
Ein Team der Medizinischen Universität Innsbruck präsentierte im Rahmen des ESC 2022 einen neuen Ansatz für ein breites Bevölkerungsscreening auf Vorhofflimmern. Eine Smartphone App erkennt Personen mit Verdacht auf Vorhofflimmern, die in einem weiteren Schritt mittels eines Loop Recorders zur Heimanwendung genauer abgeklärt werden.1
Prof. Dr. Axel Bauer von der Med-Uni Innsbruck konnte im Rahmen einer Hotline Session des ESC-Kongresses erfreuliche Nachrichten verkünden: Im Vergleich zum Standard-Prozedere kann mit einer Smartphone App die Detektionsrate von Vorhofflimmern mehr als verdoppelt werden. Die eBRAVE-AF-Studie schließt insofern eine Evidenzlücke, als sie erstmals die Ergebnisse eines Device-basierten Screenings mit Routine-Screening verglich. Anlässlich der Präsentation unterstrich Bauer auch, dass bisherige Studien mit Devices und Apps in jüngeren Populationen durchgeführt wurden, in denen eine Affinität zu digitaler Technik zwar häufig, Vorhofflimmern jedoch sehr selten ist.2,3 Im Gegensatz dazu wurden in die als „siteless“ bezeichnete randomisierte eBRAVE-AF-Studie ältere Menschen mit erhöhtem Schlaganfallrisiko eingeschlossen. Neben dem Besitz eines Smartphones waren die Voraussetzungen: Alter zwischen 50 und 90, kein bekanntes Vorhofflimmern, keine Einnahme oraler Antikoagulation und ein CHA2DS2-VASc Score ≥1 für Männer und ≥2 für Frauen. Als Diagnose-Tool kam die zertifizierte Preventicus Heartbeats App zum Einsatz, die mittels Photoplethysmographie (PPG) Unregelmäßigkeiten der Pulswelle erkennt. Darüber hinaus wurde eine eigene Studienapp genützt, die die Forscher zur Überprüfung der Einschlusskriterien und Randomisierung sowie die Probanden zum Ausfüllen von Fragebögen nutzten.
Insgesamt wurden 5.551 Probanden mit einem Durchschnittsalter von 65 Jahren eingeschlossen, 31 Prozent waren Frauen. Die in die Interventionsgruppe randomisierten Probanden luden die App auf ihr Smartphone und legten über 14 Tage zweimal täglich den Finger auf die Kamera des Handys. Im Anschluss wurden die Messungen zweimal die Woche durchgeführt. Bei Auffälligkeiten erhielten sie per Post einen Loop Recorder, mit dem sie über 14 Tage ein EKG aufzeichneten, das im Anschluss von den Studien-Ärzten ausgewertet wurde. Mit den Ergebnissen wurden sie angewiesen, ihren Hausarzt aufzusuchen, der eine etwaige Behandlung in die Wege leitete. In der Kontrollgruppe erfolgte Screening auf Basis von Symptomen oder im Rahmen von Routine-Untersuchungen.
Primärer Endpunkt war die Diagnose von Vorhofflimmern innerhalb von sechs Monaten, sofern sie zu einer Behandlung mit oralen Antikoagulanzien führte. Der primäre Endpunkt trat bei 38 Teilnehmern (1,33%) im Digitalarm und 17 (0,63%) im Kontrollarm ein. Damit ergibt sich ein Verhältnis (OR) von 2,12 (95% CI 1,19–3,76; p=0,010). Alle Studienteilnehmer, bei denen keine Diagnose von Vorhofflimmern gestellt wurde, wurden eingeladen, die Studie im Rahmen einer Crossover-Phase weiterzuführen. Davon machten 4.752 (85,6%) Teilnehmer Gebrauch. Diese zweite Phase der Studie bestätigte die erste mit einer signifikanten OR von 2,95. Weitere Analysen der Studie zeigten, dass Vorhofflimmern und andere PPG-Auffälligkeiten deutlich und signifikant mit schweren kardiovaskulären und zerebrovaskulären Ereignissen (MACCE) assoziiert waren. Bauer betonte im Rahmen der Präsentation, dass ältere Menschen offenbar problemlos mit der App und ihrer Anwendung zurechtkamen und dabei sogar eine höhere Compliance zeigten als die jüngeren Studienteilnehmer.